OGH vom 15.03.2016, 10ObS10/16t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Dr. Johanna Biereder (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter und Mag. Karl Heinz Fauland, Rechtsanwälte in Leibnitz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1030 Wien, Ghegastraße 1, wegen Pensionsteilung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 41/15a 10, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 46 Cgs 21/15b 6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B VG (Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B VG) an den Verfassungsgerichtshof den
Antrag ,
§ 71 Abs 4 Bauern Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl 1978/559 idF BGBl I 2009/135,
in eventu:
§ 71 Abs 4, Abs 7, Abs 8 und Abs 9 BSVG idF BGBl I 2009/135, § 71 Abs 5 idF BGBl 1996/201 und § 71 Abs 6 idF BGBl 1997/139
als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
Text
Begründung:
Die 1960 geborene Ehefrau des Klägers arbeitete vom bis und vom bis (insgesamt 258 Kalendermonate) hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers mit. Für diese Zeiträume erwarb sie Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG. Den Beiträgen der Ehegatten zur Pensionsversicherung lag jeweils die Hälfte des Versicherungswerts des landwirtschaftlichen Betriebs zu Grunde.
Dem 1956 geborenen Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom die Erwerbsunfähigkeitspension ab dem zuerkannt.
Mit Bescheid vom sprach die Beklagte über Antrag der Ehefrau des Klägers vom aus, dass die Erwerbsunfähigkeitspension des Klägers gemäß § 71 Abs 4 BSVG geteilt werde. Der Auszahlungsanspruch des Klägers betrage ab 515,96 EUR monatlich, die anderen Pensionsanteile erhalte dessen Ehefrau. Die Ehefrau des Klägers erfüllt keinen der in § 71 Abs 7 Z 1 bis 6 BSVG angeführten Tatbestände, die einen Zahlungsanspruch ausschließen.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage, den Antrag seiner Ehefrau auf Teilung des Pensionsanspruchs abzuweisen. Der im Rahmen der Pflichtversicherung (§ 2a BSVG) bestehende Pensionsanspruch seiner Ehefrau schließe einen Auszahlungsanspruch nach § 71 Abs 4 BSVG aus.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. § 71 Abs 4 BSVG sehe nicht vor, dass die Anspruchswerberin während der gesamten zumindest 120 Kalendermonate einer hauptberuflichen Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehegatten keine eigenen Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung hätte erwerben dürfen. Dass die Ehefrau des Klägers als hauptberuflich beschäftigte Ehefrau auch Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG erworben habe, sei kein Hindernis für eine Pensionsteilung. Keiner der Ausschlusstatbestände nach § 71 Abs 7 BSVG sei verwirklicht. Die Ehefrau des Klägers habe nur die Wartezeit für eine Alterspension sowie eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw der Erwerbsunfähigkeit erfüllt. Einen Anspruch auf Alterspension habe sie erst mit Erreichen des 60. Lebensjahres.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Den vom Kläger gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG beim Verfassungsgerichtshof gestellten Antrag, § 71 Abs 7 Z 1 BSVG als verfassungswidrig aufzuheben, wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , G 303/2015-6, zurück, weil mit der (gänzlichen oder teilweisen) Aufhebung der angefochtenen Norm die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt werden könnte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 71 Abs 7 Z 1 BSVG nicht vorliege. Aus dem klaren Wortlaut des § 71 Abs 4 und 7 BSVG sowie den Gesetzesmaterialien zur 13. BSVG Novelle ergebe sich, dass der Wille des historischen Gesetzgebers dahin interpretiert werden könne, dass ein Auszahlungsanspruch (nur) dann nicht bestehe, wenn eine ausreichende Eigenversorgung vorliege. Der Auszahlungsanspruch berücksichtige die über die familienrechtliche Beistandspflicht hinausgehende Mitwirkung im bäuerlichen Betrieb. Die Beitragsleistung und damit der spätere Pensionsanspruch gründe sich auf den gemeinsamen Arbeitseinsatz beider Ehegatten. Es stehe der Versorgungs und Abgeltungsgedanke für erbrachte Leistungen im Vordergrund. Dies ergebe sich auch aus § 71 Abs 8 BSVG, wonach der Auszahlungsanspruch mit dem Letzten des Kalendermonats ende, der dem Zutreffen der Voraussetzungen des § 71 Abs 7 BSVG folge.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten nicht beantwortete Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig.
I . Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe § 71 Abs 7 Z 1 BSVG nicht entsprechend dem historischen Zweck der Bestimmung ausgelegt. Der Gesetzgeber der 16. BSVG Novelle habe erreichen wollen, dass jedem der Ehepartner, die hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb zusammen gearbeitet hätten, ein selbständiger Pensionsanspruch zustehe, was auch durch die Teilung der Beitragszahlungen dokumentiert werde. Dass sich dieser Wille des Gesetzgebers nicht im § 71 Abs 7 Z 1 BSVG niedergeschlagen habe, begründe eine Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Gleichheitssatzes im Sinne einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung „im Sinn einer Altersdiskriminierung“.
II. Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
1. § 71 Abs 4, 5 und Abs 7 Z 1 BSVG lauten in der derzeit geltenden und im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung wie folgt:
„§ 71 (1) bis (3) [...]
(4) Von der dem Anspruchsberechtigten gebührenden Pension (Pensionssonderzahlung) ist die Hälfte dem Ehegatten/der Ehegattin oder dem/der eingetragenen PartnerIn des Pensionsberechtigten auszuzahlen, sofern dieser den land (forst )wirtschaftlichen Betrieb mit dem Pensionsberechtigten auf gemeinsame Rechnung und Gefahr in der Mindestdauer von 120 Kalendermonaten geführt bzw mindestens in diesem Ausmaß im Betrieb des Pensionsberechtigten hauptberuflich mitgearbeitet hat.
(5) Ist bei der Feststellung des Pensionsanspruchs die Wartezeit
1. überhaupt entfallen (§ 111 Abs 2) oder
2. für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit erfüllt worden, so tritt an die Stelle der Voraussetzung nach Abs 4 das Erfordernis einer gemeinsamen Betriebsführung bzw hauptberuflichen Mitarbeit in den Fällen der Z 1 in der Mindestdauer von 24 Kalendermonaten, in den Fällen der Z 2 in der Mindestdauer von 60 Kalendermonaten.
(6) [...]
(7) Ein Auszahlungsanspruch nach Abs 4 besteht nicht, wenn und solange der Ehegatte/die Ehegattin oder der/die eingetragene PartnerIn des Pensionsberechtigten
1. aufgrund dieses oder eines anderen Bundesgesetzes in einer Pensionsversicherung pflichtversichert ist oder aufgrund einer solchen Pflichtversicherung eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit bezieht.“
2.1. Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Aspekt des aus dem Gleichheitssatz (Art 7 B-VG; Art 2 StGG) abgeleiteten Sachlichkeitsgebots, das es dem Gesetzgeber verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (zB VfSlg 11.369/1987; 17.931/2006), und unter dem Blickwinkel des Grundrechts der Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 des 1. ZPEMRK) Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 71 Abs 4 BSVG in der geltenden Fassung.
2.2. Die Bestimmungen über den Auszahlungsanspruch zunächst nur des Ehegatten („Pensionsteilung“) sind vor dem Hintergrund einer speziellen Rechtsentwicklung im Pensionsversicherungsrecht nach dem BSVG zu sehen:
2.2.1. Die 13. BSVG Novelle (BGBl 1988/751) fügte § 71 Abs 4 bis 9 BSVG in das Gesetz ein. § 71 Abs 4 BSVG wurde lediglich durch BGBl I 2009/135 dahin geändert, dass der Ausdruck „dem Ehegatten“ durch den Ausdruck „dem Ehegatten/der Ehegattin oder dem/der eingetragenen PartnerIn“ ersetzt wurde.
2.2.2. § 71 Abs 7 BSVG idF der 13. BSVG Novelle lautet:
„(7) Ein Auszahlungsanspruch nach Abs 4 besteht nicht, wenn und solange
1. auf den Ehegatten des Pensionsberechtigten eine der im § 2a Abs 1 Z 1, 2, 3, 5 oder 6 angeführten Voraussetzungen zutrifft, oder
2. der Ehegatte des Pensionsberechtigten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegt oder Anspruch auf eine Pensionsleistung nach diesem Bundesgesetz erworben hat, oder
3. es sich beim Ehegatten des Pensionsberechtigten um eine Person handelt, die im § 2 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, BGBl Nr 624/1978, angeführt ist.“
2.3. § 2a BSVG lautete im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 71 Abs 4 bis 9 BSVG am wie folgt:
„Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bei gemeinsamer Betriebsführung
§ 2a (1) Führen Ehegatten ein und denselben land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr, so ist in der Pflichtversicherung nur ein Ehegatte im Sinne des § 2 pflichtversichert, wenn der andere Ehegatte,
1. aufgrund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in einer Pensionsversicherung pflichtversichert ist oder aufgrund einer solchen Pflichtversicherung eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit bezieht, oder
2. aufgrund einer Beschäftigung in einem öffentlich rechtlichen oder unkündbaren privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich rechtlichen Körperschaft oder zu von solchen Körperschaften verwalteten Betrieben, Anstalten, Stiftungen oder Fonds steht, wenn ihm aus diesem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe und Versorgungsgenuss zusteht, oder wenn er aufgrund eines solchen Dienstverhältnisses einen Ruhegenuss bezieht, oder
3. als Bezieher einer Geldleistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 oder nach dem Sonderunterstützungsgesetz BGBl Nr 642/1973 bzw als Bezieher einer Überbrückungshilfe nach dem Überbrückungshilfegesetz, BGBl Nr 174/1963, in der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz versichert ist oder Anspruch auf Kranken oder Wochengeld aus der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz hat, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder
4. [...], oder
5. im Anschluss an eine Pflichtversicherung nach Z 1 bzw nach Z 3 bzw an den Anspruch auf Kranken oder Wochengeld nach Z 3 bzw an die Anstaltspflege nach Z 4 ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienst bzw Zivildienst leistet, oder
6. gemäß § 221 dieses Bundesgesetzes von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung befreit ist.
(2) Treffen die Voraussetzungen des Abs 1 für keinen der beiden Ehegatten oder treffen sie für beide Ehegatten zu, so ist nur ein Ehegatte in der Pensionsversicherung nach § 2 pflichtversichert, und zwar derjenige, der innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der gemeinsamen Betriebsführung bzw nach Wegfall der Voraussetzungen des Abs 1 dem Versicherungsträger bekannt- gegeben wird. Wird eine solche Erklärung nicht fristgerecht abgegeben oder wird sie innerhalb dieser Frist für beide Ehegatten abgegeben, so gilt als Pflichtversicherter,
1. wenn nur ein Ehegatte vor Eintritt eines Tatbestandes nach Abs 1 in der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz verpflichtet war, dieser Ehegatte,
2. in allen übrigen Fällen der ältere Ehegatte.“
2.4.1. § 2a BSVG wurde durch die 16. BSVG Novelle, BGBl 1991/678, geändert. Er erhielt die Überschrift „Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung von Ehegatten bei gemeinsamer Betriebsführung oder hauptberuflicher Beschäftigung“. § 2a Abs 1 BSVG idF dieser Novelle lautet:
„(1) Wird ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb auf die gemeinsame Rechnung und Gefahr von Ehegatten geführt, oder ist ein Ehegatte im land(forst)wirtschaftlichen Betrieb des anderen hauptberuflich beschäftigt, so sind mit der Ausnahme des Abs 2 beide Ehegatten in der Pensionsversicherung iSd § 2 pflichtversichert.“
2.4.2. § 2a Abs 2 BSVG idF der 16. BSVG Novelle bestimmte, dass dann, wenn nur einer der in Abs 1 angeführten Ehegatten eine der in den bisherigen Z 1 bis 6 des § 2a Abs 1 BSVG angeführten Voraussetzungen oder die Voraussetzung einer Befreiung von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach der neugeschaffenen Z 7 erfüllt, nur der andere Ehegatte in der Pensionsversicherung pflichtversichert ist.
2.4.3. § 71 Abs 7 Z 1 BSVG blieb unverändert, sodass der Verweis auf § 2a Abs 1 BSVG ins Leere ging. Dieses „Redaktionsversehen“ (ErläutRV 934 BlgNR 18. GP 23) wurde mit der 18. BSVG-Novelle, BGBl 1993/337, berichtigt.
2.5. Durch die 16. BSVG-Novelle kam es ab erstmals zu einer Versicherungspflicht für den Ehegatten eines Landwirts (einer Landwirtin), der (die) im Betrieb des anderen hauptberuflich beschäftigt ist, und zwar unabhängig von der Höhe des Einheitswerts des Betriebs (§ 2 Abs 1 Z 3 BSVG). Die Beitragsgrundlage beträgt jeweils die Hälfte des Versicherungswerts (§ 23 Abs 6 [aktuell: Z 3] BSVG).
2.6. Mit dem ASRÄG 1997 (21. BSVG Novelle), BGBl I 1997/139, wurde § 2a BSVG mit Wirkung ab (§ 263 Abs 1 BSVG) erneut geändert: In § 2a Abs 1 BSVG entfiel der Ausdruck „mit der Ausnahme des Abs 2“. Der Ausnahmekatalog des § 2a Abs 2 wurde ersatzlos aufgehoben. Mit dem Wegfall des Ausnahmekatalogs wurde das Prinzip der Mehrfachversicherung zur Gänze umgesetzt. Durch die 21. BSVG-Novelle erhielt die Z 1 des § 71 Abs 7 ihre seit geltende Fassung (§ 263 Abs 1 BSVG).
2.7. Seit sind sowohl bei gemeinsamer Betriebsführung der Ehegatten als auch bei Betriebsführung auf alleinige Rechnung und Gefahr eines Ehegatten und hauptberuflicher Beschäftigung des anderen in diesem Betrieb von einer Ausnahme abgesehen - sowohl der Mann als auch die Frau in der Pensionsversicherung nach dem BSVG pflichtversichert. Die Ausnahme besteht nur für Personen, die der Pflichtversicherung nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG) unterliegen (§ 5 Abs 3 BSVG; Radner et al, Bauernsozialversicherung 18 f).
3.1. In der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach dem BSVG sind Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land (forst )wirtschaftlichen Betrieb führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird, pflichtversichert (§ 2 Abs 1 Z 1 BSVG).
3.2. Nach der zum Zeitpunkt der 13. BSVG Novelle und bis zum geltenden, zuvor dargestellten Rechtslage ordnete aber § 2a BSVG bei gemeinsamer Betriebsführung nur einen der Ehegatten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG zu, wenn beide Ehegatten nur Landwirte oder beide auch nach dem ASVG, GSVG, FSVG pensionsversichert, Beamte, Ruhegenussbezieher oder Pensionisten waren. War nur der Mann Landwirt oder nur die Frau Landwirtin, der andere Ehegatte aber als Arbeiter(in), Angestellte(r), Gewerbetreibende(r), freiberuflich Tätige(r), Notar(in), Notariatskanditat(in) in einer Pensionsversicherung pflichtversichert, Beamte(r), Ruhegenussbezieher(in) oder Pensionist(in), so war nur der als Landwirt(in) tätige Ehegatte in der Bauernpensionsversicherung pflichtversichert (vgl Radner et al, Bauernsozialversicherung 18; „Subsidiarität der Bauernpensionsversicherung“).
3.3. Wurde der Betrieb auf alleinige Rechnung und Gefahr nur eines Ehegatten geführt, der entweder nur als Landwirt(in) oder auch als Arbeiter(in), Angestellte(r), Gewerbetreibende(r), freiberuflich Tätige(r), Notar(in), Notariatskanditat(in) in einer Pensionsversicherung pflichtversichert, Beamte(r), Ruhegenussbezieher(in) oder Pensionist(in) war und war der andere nur hauptberuflich im Betrieb beschäftigt, so war vor dem der hauptberuflich im Betrieb beschäftigte Ehegatte nicht bauernpensionsversichert. Für diesen Personenkreis bestand vor dem allenfalls die Möglichkeit einer Pflichtversicherung nach dem ASVG (vgl Radner et al, Bauernsozialversicherung 19 und § 2 Anm 12). War sowohl der (die) Betriebsführer(in) als auch der hauptberuflich im Betrieb beschäftigte Ehegatte jeweils nach dem ASVG, GSVG, FSVG pensionsversichert oder Beamte(r), Ruhegenussbezieher(in) oder Pensionist(in), so war der (die) Betriebsführer(in) zusätzlich bauernpensionsversichert (vgl Radner et al, Bauernsozialversicherung 19).
4.1. Der Gesetzgeber der 13. BSVG-Novelle sah sich zur Schaffung des Auszahlungsanspruchs nach § 71 Abs 4 BSVG veranlasst, weil nach der damals geltenden Rechtslage bei Führung eines land (forst )wirtschaftlichen Betriebs auf gemeinsame Rechnung und Gefahr durch Ehegatten stets nur ein Ehegatte von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung der Bauern erfasst war und daher nur ein Ehegatte Versicherungszeiten und später einen Pensionsanspruch erwerben konnte. Eine Beteiligung des anderen, von der Pflichtversicherung und vom späteren Pensionsanspruch ausgeschlossenen Ehegatten erschien ihm deshalb gerechtfertigt, weil beide Ehegatten als Betriebsführer anzusehen seien. Beide erfüllten daher an sich die Voraussetzungen für den Eintritt der Pflichtversicherung und es seien letztlich die Erträgnisse des Betriebs, die auch auf dem Umweg über den Versicherungswert die Grundlage für die Beitragsbemessung bildeten, auf den gemeinsamen Arbeitseinsatz beider Eheleute zurückzuführen (ErläutRV 784 BlgNR 17. GP 7).
4.2. Die Einbeziehung des Ehegatten, der im vom anderen allein geführten land (forst )wirtschaftlichen Betrieb hauptberuflich mitarbeitete, in den Kreis der nach § 71 Abs 4 BSVG Anspruchsberechtigten erschien dem Gesetzgeber begründet und vertretbar, weil auch dieser Ehegatte im gleichen Ausmaß einen Anteil am Betriebserfolg wie bei gemeinsamer Betriebsführung habe (ErläutRV 784 BlgNR 17. GP 7).
4.3. Dass eine Beteiligung am Pensionsanspruch des anderen Ehegatten in den Fällen des § 2a Abs 1 Z 1 bis 3, 5 und 6 BSVG nicht erfolgen sollte (§ 71 Abs 7 Z 1 BSVG), beruhte auf der Überlegung, dass diese Tatbestände ohnehin eine andere Vorsorge für die Fälle des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw dauernden Erwerbsunfähigkeit entweder in Form einer bereits bestehenden Leistung oder als Anwartschaft des Ehegatten des Pensionsberechtigten in sich schließen. Das gleiche galt nach Auffassung des Gesetzgebers auch für jene Fälle, in denen beide Ehegatten über einen Leistungsanspruch aus der Pensionsversicherung der Bauern verfügten, sodass eine wechselseitige Beteiligung von Ehegatten am bäuerlichen Pensionsanspruch des anderen verhindert werde. Hinzu kämen auch jene Fälle, in denen der Ehegatte des Pensionsberechtigten in der Pensionsversicherung der Bauern pflichtversichert ist und daher auch einen eigenen Pensionsanspruch zu erwarten hat (vgl § 71 Abs 7 Z 2 BSVG; ErläutRV 784 BlgNR 17. GP 8).
5.1. Anspruchsberechtigte nach § 71 Abs 4 BSVG idF 13. BSVG-Novelle waren wirtschaftlich inaktiv gewordene, ehemals in der Land- und Forstwirtschaft selbständig oder unselbständig, aber (aufgrund der Zuordnungsnorm des § 2a BSVG oder mangels Versicherungspflicht des hauptberuflich Beschäftigten) nicht bauernpensionsversichert erwerbstätige Ehegatten, solange sie keine Pension oder keinen Ruhegenuss bezogen.
5.2. Ohne § 71 Abs 4 BSVG zu ändern, erweiterte die 16. BSVG-Novelle den Kreis der Anspruchsberechtigten. Anspruchsberechtigt waren nun auch nicht mehr wirtschaftlich aktive Ehegatten, die noch keine Pension oder keinen Ruhegenuss bezogen, auch wenn ihre selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit im (gemeinsamen) Betrieb ihre Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG zur Folge gehabt hatte und sie daher einen eigenen Pensionsanspruch zu erwarten hatten.
5.3. Insbesondere gemessen an den vom Gesetzgeber der 13. BSVG-Novelle mit der Schaffung des § 71 Abs 4 BSVG verfolgten Intentionen scheint die Einbeziehung des pflichtversicherten Ehegatten, der im gemeinsamen Betrieb selbständig erwerbstätig oder im Betrieb des anderen hauptberuflich beschäftigt gewesen war, aber noch nicht pensions (ruhegenuss )berechtigt ist, sachlich nicht begründbar:
6.1. Diese Erweiterung beruht nicht auf einer bewussten und gewollten Entscheidung des Gesetzgebers. Das lässt sich aus dem Umstand der Nichtänderung des § 71 Abs 7 Z 1 aus Anlass der 16. BSVG-Novelle und aus den Gesetzesmaterialien dieser Novelle (AB 313 BlgNR 18. GP) ableiten, die die „Pensionsteilung“ nicht erwähnen. Auch den Gesetzesmaterialien zur 21. BSVG-Novelle (ErläutRV 886 BlgNR 20. GP insb 118 f) und zum Eingetragenen Partnerschaft-Gesetz, BGBl I 2009/135, sind Hinweise auf eine gewollte Einbeziehung des Ehegatten (der Ehegattin oder des/der eingetragenen PartnerIn) in einer wie in Punkt 5.2. beschriebenen Situation nicht zu entnehmen.
6.2. Die Erweiterung führt einseitig zu Lasten des früher pensionsberechtigten Ehegatten dazu, dass der andere an dessen Bauernpension teilhaben kann, obwohl die gemeinsame Betriebsführung oder die hauptberufliche Mitarbeit bereits zu einer Teilung der Beitragsgrundlage und damit zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage der Pension führte. Der früher bauernpensionsberechtigte Ehegatte hat hingegen keinen Anspruch auf Auszahlung der Hälfte der Bauernpension des anderen Ehegatten.
7. Da der Auszahlungsanspruch nach § 71 Abs 4 BSVG die Verfügung des Pensionisten über die ihm gebührende Pensionsleistung auf die Hälfte der Leistung beschränkt, bestehen in einer Konstellation wie der vorliegenden auch Bedenken betreffend einen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht.
8. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher zu einem Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof veranlasst. Der Eventualantrag wird für den Fall gestellt, dass ein untrennbarer Zusammenhang der Absätze 5, 6, 7, 8 und 9 des § 71 BSVG mit dessen Abs 4 anzunehmen ist.
9. Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf § 62 Abs 3 VfGG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00010.16T.0315.000