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OGH vom 07.12.1955, 7Ob530/55

OGH vom 07.12.1955, 7Ob530/55

Norm

ABGB § 246;

ABGB § 865;

ABGB § 1002;

Außerstreitgesetz § 2 Z 2;

Außerstreitgesetz § 2 Z 3;

Außerstreitgesetz § 9;

ZPO § 2;

Kopf

SZ 28/259

Spruch

In allen Fällen, in denen ein mundiger Minderjähriger oder sonst, ein beschränkt Handlungsfähiger befugt ist, im streitigen und außerstreitigen Verfahren ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters einzuschreiten, kann der von ihm Bevollmächtigte in diesem Verfahren wirksam auftreten. Die Gültigkeit des Bevollmächtigungsvertrages hingegen hängt, was das versprochene Vertretungshonorar betrifft, von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ab, falls das Ausmaß des Honorars die Grenzen des § 246 ABGB. überschreitet.

Entscheidung vom , 7 Ob 530/55.

I. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Antrag des Minderjährigen Josef F., die Besorgung der vormundschaftsbehördlichen Geschäfte vom Bezirksgericht Feldbach an das Bezirksgericht Bruck a. d. Mur zu übertragen, vom Oberlandesgericht als unzulässig zurückgewiesen, weil der durch einen vom Minderjährigen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachte Delegierungsantrag nach § 31 JN. die eigene Postulationsfähigkeit des Minderjährigen voraussetze und die rechtliche Fähigkeit des Genannten zum Abschluß eines Bevollmächtigungsvertrages zwecks Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfordere.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Minderjährigen Folge und trug dem Oberlandesgericht die Entscheidung über den Delegierungsantrag auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt entschieden hat (SZ. XXIII 181, JBl. 1954 S. 258), lassen sich die Grundsätze über die Prozeßfähigkeit aus dem Gebiete des Prozeßrechtes nicht ohne weiteres auf das Gebiet des Verfahrens außer Streitsachen übertragen. Die Berechtigung des Minderjährigen zur selbständigen Stellung von Anträgen und Erhebung von Rechtsmitteln folgt aus der Erwägung, daß dem Minderjährigen das Recht eingeräumt werden muß, sich gegen Maßnahmen seines gesetzlichen Vertreters oder des Vormundschaftsgerichtes zur Wehr zu setzen, und ergibt sich insbesondere aus den Bestimmungen der §§ 148, 178 und 214 ABGB.

Bei Beurteilung der Frage nach der Gültigkeit einer zum Zwecke einer solchen Antragstellung vom Minderjährigen erteilten Vollmacht darf nicht außer Acht gelassen werden, daß zu unterscheiden ist zwischen den Begriffen der Bevollmächtigung und des Bevollmächtigungsvertrages. Die Bevollmächtigung ist eine einseitige Willenserklärung, durch welche Stellvertretungsbefugnis geschaffen, also bewirkt wird, daß der Bevollmächtigte im Namen des Vollmachtgebers und mit Rechtswirksamkeit für diesen handeln kann (JB. 212, in der Ausgabe des Obersten Gerichtshofes 1950 auf S. 226, und die dort angeführte Literatur). Der Bevollmächtigungsvertrag hingegen ist ein Vertrag, durch den der Bevollmächtigte nicht nur ermächtigt, sondern auch verpflichtet wird, im Namen eines anderen Rechtshandlungen vorzunehmen. Die Bevollmächtigung beruht in der Regel auf einem Bevollmächtigungsvertrag, sie muß aber nicht darauf beruhen. Es ist durchaus möglich, daß bloß die Ermächtigung zur Vertretung erteilt und auch angenommen wird, ohne die Verpflichtung hiezu aufzuerlegen (Swoboda in Klang 1. Aufl. II/2 S. 769). Wird in einem Verfahren eine Vollmacht vorgelegt, ist von verfahrensrechtlicher Bedeutung nur die Frage, ob nach dem Inhalt dieser Vollmacht der in dieser als Bevollmächtigter Bezeichnete durch den Vollmachtgeber berechtigt wurde, in dessen Namen und mit Rechtswirksamkeit für diesen einzuschreiten. Ob dieser Vollmacht ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne der §§ 1002 ff. ABGB. oder ein sonstiges Geschäfts- oder Rechtsverhältnis zugrunde liegt und welcher Art dieses Rechtsverhältnis ist, ist verfahrensrechtlich ohne Bedeutung (JB. 212).

Aus diesen Grundsätzen folgt, daß in allen Fällen, in denen ein mundiger Minderjähriger oder sonst ein beschränkt Handlungsfähiger befugt ist, im streitigen (§ 2 ZPO.) oder außerstreitigen Verfahren ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters einzuschreiten, der von ihm mit ordnungsmäßiger Vollmacht Bevollmächtigte in diesem Verfahren wirksam auftreten kann, ohne daß der Nachweis der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder des Gerichtes zur Bevollmächtigung erforderlich ist. Die Gültigkeit des Bevollmächtigungsvertrages allerdings hängt, wenn der beschränkt Handlungsfähige dem Bevollmächtigten ein Honorar versprochen hat und dieses Honorar den für die Verpflichtungsfähigkeit des Minderjährigen im § 246 ABGB. gesteckten Rahmen übersteigt, gemäß § 865 ABGB. von dieser Einwilligung ab. Wird sie nicht erteilt, hat dies aber nur zur Folge, daß der beschränkt Handlungsfähige nicht zur Zahlung des vereinbarten Honorares und der Bevollmächtigte nicht zur Durchführung der Vertretung verpflichtet ist. An der verfahrensrechtlichen Gültigkeit der dem Bevollmächtigten erteilten Stellvertretungsbefugnis wird dadurch nichts geändert.