OGH vom 01.02.2007, 9Ob141/06k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Peter L*****, vertreten durch Dr. Andreas Manak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Robert Brande, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung eines Bestandverhältnisses, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 207/06x-12, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom , GZ 54 C 1415/05x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 300,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 50,02 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Mieter eines Bestandobjektes der Beklagten. Im Mietvertrag vom hat er bis (also für fünf Jahre) auf das Recht, den Vertrag zu kündigen, verzichtet. Im Dezember 2005 kündigte der Kläger dennoch das Bestandverhältnis nach Ablauf einer Vertragsdauer von einem Jahr unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist auf. Der von ihm im Mietvertrag erklärte Kündigungsverzicht sei gemäß § 29 Abs 2 MRG unwirksam. Die Beklagte bestritt die Anwendbarkeit des § 29 Abs 2 MRG, mit der Begründung, dass das Mietverhältnis nicht befristet abgeschlossen worden sei.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Der Kündigungsverzicht des Mieters werde vom Gesetz für Fälle wie den dargestellten nicht ausgeschlossen. Der hier vom Kläger abgegebene Verzicht sei somit wirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Ungeachtet der zahlreichen Änderungen der in § 29 MRG getroffenen Regelungen über die Befristung von Bestandverhältnissen sei von der Rechtsprechung ein Kündigungsverzicht, gleichgültig ob vom Mieter oder vom Vermieter abgegeben, generell als zulässig angesehen worden. Lediglich grob unbillige Knebelungen seien als sittenwidrig gewertet worden. Davon könne aber hier nicht die Rede sein.
Zwischen der Befristung des Mietverhältnisses, die den Mieter mit dem Einritt des Termins der Wohnmöglichkeit oder seiner Erwerbsausübungsmöglichkeit beraube, und dem vertraglich erst geschaffenen Kündigungsverzicht, der nichts am Recht des Mieters ändere, im Mietobjekt weiter zu verbleiben, bestehe ein gewaltiger Unterschied. Es mache auch einen Unterschied, ob ein wegen des absehbaren Zeitablaufs zum Wohnungswechsel gezwungener Mieter vorzeitig ein Ersatzquartier anmietet und sich daher des befristeten Mietverhältnisses vorzeitig entledigen wolle, oder ob dies ein Mieter wolle, dessen Vertragsbeendigung allein von seinem Willen abhängig sei.
Der Mieter eines befristeten Mietverhältnisses, der sonst keine frühere Kündigungsmöglichkeit hätte, weil Lehre und Rechtsprechung ihm die Kündigungsmöglichkeit mangels entsprechender positiver Vereinbarung absprechen, bedürfe unter Umständen des korrigierenden Eingreifens des Gesetzgebers. Dieses Eingreifen sei im Wandel der Zeit unterschiedlich, aber immer nur eingeschränkt erfolgt. Auch jetzt werde nicht bei Geschäftsräumen oder bei AGBG-Mietverhältnissen eingegriffen. Bei der angesprochenen Regelung handle es sich daher keineswegs um ein allgemeines Prinzip. Der Mieter, der sich erst durch Vereinbarung seiner existierenden Kündigungsmöglichkeit auf Zeit begebe, sei in einer anderen, für ihn kalkulierbareren Position vertraglicher Bindung und Vertragsverstärkung. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehe somit keine Gesetzeslücke, die im Weg der analogen Anwendung des § 29 Abs 2 MRG zu schließen wäre. Der gegenteiligen Auffassung von Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 29 Rz 45) sei nicht zu folgen. Die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zwar der vom Obersten Gerichtshof 1998 gefällten Entscheidung MietSlg 50.391 entspreche, weil aber auf der Grundlage der nunmehrigen Fassung des § 29 Abs 2 MRG höchstgerichtliche Rechtsprechung zur hier zu entscheidenden Frage fehle. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Berufungsurteil aufzuheben und der Kündigung stattzugeben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der ausführlichen und überzeugenden Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:
Dass § 29 Abs 2 MRG nach seinem Wortlaut hier nicht anzuwenden ist, bestreitet der Revisionswerber nicht. Vielmehr strebt er die analoge Anwendung dieser Bestimmung auch auf unbefristete Mietverträge, in denen der Mieter einen Kündigungsverzicht erklärt hat, an. In Wahrheit würde dies bedeuten, in den hier interessierenden Fällen die Zulässigkeit bzw Wirksamkeit eines Kündigungsverzichts des Mieters überhaupt zu verneinen. Dies wäre aber - wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat - eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, die einen derartigen Kündigungsverzicht - von wem immer er auch abgegeben wurde - als wirksam erachtet. Dem Schutzbedürfnis des auf sein Kündigungsrecht Verzichtenden trägt die Rechtsprechung ohnedies Rechnung, indem sie trotz eines solchen Verzichts eine vorzeitige Kündigung als möglich erachtet, wenn dem Verzichtenden die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses aus beim anderen Teil liegenden Gründen unzumutbar geworden ist (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, § 33 MRG Rz 7 mwN ua). Derartige eine Aufkündigung rechtfertigende Gründe hat der Kläger hier nicht geltend gemacht.
Der Vorwurf des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe die Vergleichbarkeit der Befristung eines Bestandverhältnisses einerseits und der Vereinbarung eines Kündigungsverzichtes andererseits nicht erkannt, lässt die umfangreichen Ausführungen des Berufungsgerichtes völlig unbeachtet, mit denen überzeugend dargelegt wird, dass zwischen der Befristung des Mietverhältnisses, die dem Mieter mit dem Einritt des Termins die Wohn- oder Erwerbsmöglichkeit nimmt, und dem vertraglich erst geschaffenen Kündigungsverzicht, der nichts am Recht des Mieters ändert, im Mietobjekt weiter zu verbleiben, wertungsmäßig ein Unterschied besteht. Auf die dazu angestellten Überlegungen geht der Revisionswerber mit keinem Wort ein.
Seinem Rechtsmittel war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die dem Kostenbegehren des Revisionsgegners zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage war gemäß § 10 Z 2 lit b RATG auf EUR 1.500,-- zu reduzieren.