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VfGH vom 11.10.2012, B1066/10

VfGH vom 11.10.2012, B1066/10

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Leitsatz

Keine Überprüfung der Richtigkeit einer Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenates unter dem Blickwinkel des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; letztinstanzliche Entscheidung über die richtige Anwendung des Patentrechts - im vorliegenden Fall betreffend die Zurückweisung einer Berufung durch die Nichtigkeitsabteilung wegen fehlender Berufungsbegründung - durch den Obersten Patent- und Markensenat als gerichtsförmige Instanz; keine Willkür

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die beschwerdeführende Partei, ein auf die Bereiche Pharma und Diagnostics spezialisiertes Gesundheitsunternehmen, ist Inhaberin eines näher bezeichneten Patents betreffend pharmazeutische Kombinationspräparate. Ein konkurrenzierendes Unternehmen - die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligte Partei - beantragte beim Österreichischen Patentamt (im Folgenden auch: Patentamt) die teilweise Nichtigerklärung des Patents wegen mangelnder Neuheit. Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes gab diesem Antrag mit Entscheidung vom - der beschwerdeführenden Partei zugestellt am - statt.

Gegen diese Entscheidung erhob die beschwerdeführende Partei am beim Patentamt Berufung. Der Berufungsschriftsatz enthielt dabei die Erklärung, gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Berufung einzulegen, sowie den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Nichtigkeitsantrag unter Zuspruch von Kostenersatz abzuweisen. Eine Berufungsbegründung fehlte jedoch; stattdessen wurde unter der Überschrift "Bemerkung" ausgeführt, dass § 139 Patentgesetz (im Folgenden: PatG) zuletzt durch BGBl. I 149/2004 geändert worden sei, wobei den diesbezüglichen Materialien zufolge einem Berufungswerber auch bei fehlender Berufungsbegründung eine Frist zur Verbesserung zu setzen sei. In diesem Sinne bat die beschwerdeführende Partei um Fristsetzung zur Nachreichung einer Begründung. Die Nichtigkeitsabteilung räumte ihr daraufhin eine einmonatige Frist zur Überreichung der Berufungsbegründung ein; diese Frist wurde sodann auf Antrag um weitere zwei Monate bis zum "letztmalig" verlängert. Am letzten Tag dieser Frist brachte die beschwerdeführende Partei einen Schriftsatz ein, der eine Berufungsbegründung enthielt.

2. Mit Beschluss vom wies die Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes die Berufung der beschwerdeführenden Partei vom zurück. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenates vom , Om 2/09, wurde dabei ausgeführt, dass eine Berufung eine Begründung enthalten müsse, die innerhalb der Berufungsfrist einzureichen sei. Mängel seien nur dann verbesserbar, wenn sie dem Rechtsmittelwerber versehentlich oder durch Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften unterlaufen seien. Fehle eine Begründung, sei dies kein verbesserbarer Mangel, wenn das Rechtsmittel - wie hier - unter absichtlicher Verletzung der Formvorschriften eingebracht worden sei.

3. Der gegen diesen Beschluss erhobenen Berufung

wurde seitens des Obersten Patent- und Markensenates mit der nunmehr bekämpften Entscheidung vom keine Folge gegeben. In Bezug auf seine o.a. Vorentscheidung pflichtete er der Argumentation des Patentamtes bei und führte aus, dass die beschwerdeführende Partei ihre Berufung vom bewusst nicht begründet, sondern schon bei deren Einbringung die Einräumung einer Frist zur Nachreichung einer Begründung beantragt habe. Damit leide die Berufung an keinem Mangel, der nur versehentlich oder durch Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften unterlaufen wäre, weshalb kein verbesserungsfähiger Mangel vorliege. Die Berufung wäre daher schon ohne Gewährung einer Verbesserungsfrist zurückzuweisen gewesen. Der entgegen dem Gesetz erteilte Verbesserungsauftrag habe zu keiner Verlängerung der Berufungsfrist geführt und hindere die Zurückweisung der Berufung nicht. Seine Ansicht untermauerte der Oberste Patent- und Markensenat durch die Zitierung von Urteilen des Obersten Gerichtshofes (im Folgenden: OGH).

4. Gegen diesen Beschluss wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde vom , in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird. In der Beschwerde wird Folgendes ausgeführt:

"1. Recht auf den gesetzlichen Richter

1.1 Allgemeines

a. Die beschwerdeführende Partei macht insbesondere die Verletzung im Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG geltend. Dieses Recht kommt allen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit zu. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (so in VfSlg 2536/1953, 7457/1974, 9696/1983, 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992, 13.882/1994, 15.482/1999, 15.708/1999, 15.720/2000, 15.738/2000, 17.157/2004). Da die Nichtigkeitsabteilung die Berufung zurückgewiesen und die belangte Behörde diese Entscheidung bestätigt hat, verletzt der angefochtene Bescheid das geltend gemachte Grundrecht, wenn die Zurückweisung rechtswidrig war.

b. Im Folgenden wird gezeigt, wieso die Zurückweisung der Berufung und daher auch ihre Bestätigung durch die belangte Behörde gesetzwidrig waren. Zunächst besteht aufgrund des klaren Wortsinns des § 139 Abs 2 PatG kein Anlass, der Auffassung der belangten Behörde zu folgen (Punkt III.1.2). Selbst wenn man mit der belangten Behörde annehmen wollte, dass der Verbesserungsauftrag wegen Missbrauchs dieses Instituts nicht hätte erteilt werden dürfen, trifft die Entscheidung des OPM nicht zu, weil eben kein Missbrauch, sondern ein entschuldbarer Rechtsirrtum vorlag

(Punkt III.1.3). In jedem Fall waren die Fristverlängerungen bindend, gleich ob sie Beschlüsse (Punkte III.1.4.1 und III.1.4.2) oder vorbereitende Verfügungen (Punkt III.1.4.3) darstellten. Die Verweise der belangten Behörde auf die Rechtsprechung des OGH zur Zivilprozessordnung beruhen auf einer rechtsirrigen Auslegung des § 139 Abs 2 PatG

(Punkt III.1.4.4.b), wären aber auch sonst nicht relevant, weil sie zu einer alten Rechtslage und nicht vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (Punkt III.1.4.4.c).

1.2 Zulässigkeit der Gewährung einer Nachfrist für die Einbringung einer Begründung

Aus dem klaren Wortlaut des § 139 Abs 2 PatG i.d.F. der Patentrechts- und Gebührennovelle 2004 ergibt sich, dass ein Verbesserungsauftrag immer möglich ist, wenn eine Berufungsbegründung fehlt. Auf den Grund oder die Art des Mangels stellt die Bestimmung gerade nicht ab. Die Nachfristgewährung war daher gesetzeskonform.

Dieser Umstand gewinnt dadurch an Gewicht, dass § 129 Abs 1 PatG im offenkundigen Gegensatz zu § 139 Abs 2 PatG Parteien, deren Verschulden an der Fristversäumung einen minderen Grad des Versehens übersteigt, von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.

Die belangte Behörde vertritt demgegenüber die Ansicht, dass Mängelbehebungsaufträge nur zu erteilen sind, wenn der Mangel versehentlich oder durch Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften unterlaufen ist. Sie stützt sich dabei auf das erst während des Berufungsverfahrens ergangene, nicht vorhersehbare Erkenntnis der belangten Behörde vom , Om 2/09, welches allerdings - wie unten in Punkt III.1.4.4 gezeigt wird - einer Überprüfung nicht stand hält.

1.3 In eventu: Entschuldbarer Rechtsirrtum

aufseiten des Rechtsvertreters der beschwerdeführenden Partei

Selbst wenn diese Auslegung des § 139 Abs 2 PatG

entgegen seinem Wortlaut und dem Vergleich mit § 129 Abs 1 PatG nicht zutreffen sollte, mag zwar die Nachfristgewährung nicht gesetzeskonform gewesen sein, dies kann jedoch nicht auf das Recht der beschwerdeführenden Partei durchschlagen, die Berufung innerhalb der gesetzten Frist zu vervollständigen.

Die belangte Behörde begründet die Unwirksamkeit der Verbesserungsaufträge mit dem Vorwurf an den damaligen Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei, das Rechtsmittel unter 'missbräuchlicher Verletzung der Formvorschriften eingebracht' zu haben (Seite 5 des angefochtenen Bescheids).

Dies ist völlig unzutreffend, weil der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei im Zeitpunkt der Einbringung der ersten Berufung die gesetzlichen Vorschriften (allenfalls irrtümlich) redlich so verstand, dass die Nichtigkeitsabteilung einen rechtlich beachtlichen Verbesserungsauftrag erteilen darf. Da

* der Wortsinn des § 139 Abs 2 PatG und

* der Vergleich mit § 129 Abs 1 PatG seine Auffassung stützten,

* damals keine veröffentlichte gegenteilige Rechtsprechung existierte,

* die Erläuterungen zur Patentrechts- und Gebührennovelle 2004 seiner Interpretation nicht widersprachen und vor allem

* selbst die Behörde nach interner Beratung seiner Auffassung beigetreten war,

ist dieser (allfällige) Irrtum keineswegs vorwerfbar und der Unkenntnis der Rechtsvorschriften einer rechtsunkundigen Partei gleichzuhalten. Von einem missbräuchlichen Verhalten kann daher keineswegs gesprochen werden.

Die Verbesserungsaufträge wurden daher zwar

allenfalls unrechtmäßig erlassen, es lag ihnen aber kein missbräuchliches Verhalten des damaligen Vertreters der beschwerdeführenden Partei zugrunde, weil er - wie auch die zuständige Behörde - in gutem Glauben von einer (allenfalls) unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist. Es könnte auch argumentiert werden, dass die Fristverlängerungen gesetzeskonform erlassen wurden, weil durch die unrichtige Rechtsauskunft der Rechtsvertreter zu seinem Versehen veranlasst wurde - das Ergebnis, nämlich die Wirksamkeit der Nachfristgewährungen, muss dasselbe sein.

1.4 Rechtsfolgen einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Nachfristgewährung für die fristgerechte Einbringung einer Begründung

Selbst wenn die Erlassung der zwei Fristerstreckungsbeschlüsse gesetzwidrig gewesen sein sollte, so waren sie doch aufgrund ihrer Rechtsnatur für die Behörde beachtlich. Die Berufungswerberin durfte sich auf ihre Geltung verlassen, denn sie vermittelten ihr das subjektiv-öffentliche verfahrensrechtliche Recht, dass eine innerhalb der gesetzten Nachfrist eingebrachte Begründung zur Wahrung der Rechtzeitigkeit der Berufung hinreicht. Der Zurückweisungsbeschluss der Nichtigkeitsabteilung N 12/2005-10 vom missachtete daher rechtswidrig die Fristerstreckungsbeschlüsse. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Berufung als rechtzeitig eingebracht angesehen und einer Entscheidung in der Sache zugeführt werden müssen.

§139 Abs 2 Satz 2 PatG bestimmt, dass die Berufung als ordnungsgemäß eingebracht gilt, wenn die Mängel innerhalb der vom rechtskundigen Referenten der Nichtigkeitsabteilung gesetzten Frist behoben werden. Hingegen enthält das PatG keine Norm, nach der eine Nachfristsetzung gemäß § 139 Abs 2 Satz 1 PatG unbeachtlich wird, wenn sie gesetzwidrig ergangen ist.

1.4.1 Rechtsnatur der Nachfristgewährung

Der rechtskundige Referent der Nichtigkeitsabteilung verlängerte zweimal ausdrücklich und mit formellen Schreiben (Briefpapier der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts, Geschäftszahl, Datum, Name des Organwalters) die Frist zur Einbringung der Begründung. In der ersten Verlängerung bezeichnete er das Schreiben im Fließtext ausdrücklich als 'Beschluss'. Die erste Fristverlängerung stellt sich daher schon nach ihrer Form und ihrem Inhalt als Beschluss dar.

Bei der zweiten Fristverlängerung spricht der Zusammenhang mit dem Beschluss N 12/2005-8 vom für die Rechtsnatur eines Beschlusses. Nichts deutet darauf hin, dass sich der rechtskundige Referent bei der zweiten Nachfristgewährung einer anderen Rechtsform bedienen wollte als bei der ausdrücklich als 'Beschluss' bezeichneten ersten.

Irrelevant ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob der rechtskundige Referent berechtigt war, in der Rechtsform des Beschlusses zu entscheiden oder ob er mittels vorbereitender Verfügung zu entscheiden gehabt hätte.

Die Fristverlängerungen vom und vom stellen daher Beschlüsse des rechtskundigen Referenten der Nichtigkeitsabteilung dar.

1.4.2 Verbindlichkeit der Beschlüsse auf Gewährung einer Fristverlängerung

a. Für die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts sind die Beschlüsse ihres rechtskundigen Referenten beachtlich (= verbindlich), weil eine Norm, die anderes anordnet, fehlt.

Wollte man mit der belangten Behörde annehmen, dass die Beschlüsse für die Nichtigkeitsabteilung unbeachtlich sind und folglich den Betroffenen keine subjektiven Rechte vermitteln, würden die Beschlüsse überhaupt keine Rechtswirkungen entfalten. Dies kann dem PatG angesichts der Rechtsschutzmechanismen, die gegen Beschlüsse bestehen (§70 Abs 3 und 5 PatG,§ 138 Abs 2 PatG), nicht unterstellt werden. Im Gesetz genannte, zugleich aber unbeachtliche Beschlüsse (und andere Bescheide im verfassungsrechtlichen Sinn) einer Behörde sind der Rechtsordnung unbekannt. In Abwesenheit einer eindeutigen Gesetzesbestimmung darf eine Unbeachtlichkeit eines Beschlusses nicht angenommen werden, da eine derartige Gesetzeslage die Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (Art126b Abs 5 B-VG) verletzte; überdies spricht der allen Verfahrensordnungen innewohnende Grundsatz der Verfahrensökonomie gegen die Annahme unbeachtlicher Beschlüsse, weil sie nicht dem Voranschreiten des Verfahrens zu einer meritorischen Entscheidung dienen würden.

Auf die Widerruflichkeit oder Abänderbarkeit von Beschlüssen kommt es hier nicht an, weil die Behörde die Fristerstreckungen seines rechtskundigen Referenten nicht widerrufen oder abgeändert hat.

b. Wenn die Beschlüsse des rechtskundigen Referenten zur Fristerstreckung wie vorstehend ausgeführt für die Nichtigkeitsabteilung beachtlich waren, darf sie keine ihnen widersprechenden Rechtsfolgen verfügen. Darin liegt die wesensmäßige Bedeutung der Beachtlichkeit. Stattdessen hätte sie von der Rechtzeitigkeit der Einbringung der Berufung samt Begründung gemäß § 139 Abs 2 Satz 2 PatG ausgehen müssen. Die Zurückweisung der Berufung wegen Versäumung der Frist gemäß § 138 Abs 3 PatG erweist sich daher als § 139 Abs 2 Satz 2 PatG widersprechend, weil die Berufungswerberin die in den Beschlüssen des rechtskundigen Referenten der Nichtigkeitsabteilung gesetzte Frist einhielt.

1.4.3 Hilfsweise: Verbindlichkeit der vorbereitenden Verfügungen, mit denen Fristverlängerungen gewährt wurden

a. Selbst wenn die Fristverlängerungen entgegen

der ausdrücklichen Bezeichnung und den Ausführungen in Punkt III.1.4.1 dieser Beschwerde als vorbereitende Verfügungen aufzufassen wären, wären sie für die Behörde verbindlich:

Gemäß § 70 Abs 5 PatG kann die Abänderung einer vorbereitenden Verfügung des Referenten bei der Nichtigkeitsabteilung jederzeit beantragt werden. Daraus folgt zwingend, dass die Abänderung bei Vorliegen der inhaltlichen Voraussetzungen auch jederzeit (jedenfalls auf Antrag) genehmigt werden kann. Aus dieser gesetzlich ausdrücklich normierten Abänderbarkeit einer vorbereitenden Verfügung lässt sich gewinnen, dass sie verbindlich ist, andernfalls wäre eine Abänderung sinnlos. Die Verbindlichkeit ist von der Unwiderrufbarkeit zu unterscheiden (vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 458 ff und Rz 465 ff).

Eine vorbereitende Verfügung muss aber nicht nur für die Partei, sondern auch für die Behörde selbst beachtlich sein, weil sie sonst ihren Zweck nicht erreichen könnte. Gälte z. B. die Verfügung einer Verbindung von Verfahren nicht auch für die Behörde, könnten Verfahren nicht verbunden werden. Würde ein Verbesserungsauftrag unter Nachfristsetzung nicht auch die Behörde binden, wäre es in das Belieben der Behörde gestellt, die Einhaltung der Nachfrist durch die Verbesserung festzustellen oder eine Verfristung anzunehmen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass ein derartiges Auslegungsergebnis nicht verfassungskonform wäre und daher zu vermeiden ist.

b. Die Qualifikation der Nachfristgewährungen als Beschluss oder vorbereitende Verfügung macht daher im Hinblick auf ihre Verbindlichkeit keinen Unterschied. Die Nichtigkeitsabteilung durfte daher auch wenn die Nachfristgewährungen in Form von vorbereitenden Verfügungen ergangen sind, keine Versäumung der Berufungsfrist annehmen, weil die Nachfrist gemäß § 139 Abs 2 Satz 2 PatG gewahrt wurde.

1.4.4 Keine Maßgeblichkeit der von der belangten

Behörde zitierten OGH-Rechtsprechung

a. Die belangte Behörde ließ schon in der Entscheidung Om 2/09 die Frage, welche Wirkungen gesetzwidrige Verbesserungsaufträge haben, völlig unbehandelt. Die Nichtigkeitsabteilung in der erstinstanzlichen Entscheidung vom und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid folgten diesem Beispiel. Die Begründung der Unbeachtlichkeit beschränkt sich auf den lapidaren Verweis auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0036197 [T2], der ausschließlich aus Entscheidungen des OGH gebildet wurde, die zur ZPO, nicht aber zum PatG ergangen sind. Diesen Entscheidungen kommt kein Erkenntniswert für die Auslegung des § 139 Abs 2 PatG im gegenständlichen Verfahren zu, weil diese Bestimmung autonom auszulegen ist (dazu gleich in Punkt III.1.4.4.b) und die OGH-Entscheidungen zu einer nicht mehr geltenden Rechtslage in der ZPO ergangen sind sowie andere Sachverhalte betraf (dazu in Punkt III.1.4.4.c).

b. § 139 Abs 2 PatG ist autonom auszulegen

Die Heranziehung von Entscheidungen des OGH zur ZPO ist unzutreffend, weil die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des PatG autonom auszulegen sind, sofern es nicht Verweisungen auf andere Verfahrensordnungen gibt. Die Nichtigkeitsabteilung hat in Nichtigkeitsverfahren die §§112 bis 139 PatG anzuwenden. Diese Paragrafen enthalten besondere Verfahrensbestimmungen und verweisen nur an einzelnen Stellen (§114a PatG hinsichtlich der Nebenintervention; § 116 Abs 6 PatG hinsichtlich der Befugnisse des rechtskundigen Referenten im Vorverfahren; § 119 PatG hinsichtlich der Verhandlung; § 120 PatG hinsichtlich des Beweisverfahrens; § 122 PatG hinsichtlich des Prozesskostenersatzes) auf die ZPO. Ein allgemeiner Verweis auf die ZPO gilt nicht.

So wie die ZPO nicht subsidiär auf das Verfahren vor dem Patentamt und nicht einmal auf das Nichtigkeitsverfahren anzuwenden ist, gilt auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz nicht für das Verfahren vor dem Patentamt und nicht für das Nichtigkeitsverfahren, obwohl der Gesetzgeber diese Verfahrensordnung - wie auch die ZPO - gelegentlich als Vorbild für Bestimmungen des PatG heranzieht (siehe z.B. die Erläuterungen zu § 71 Abs 4 und 5 PatG i.d.F. Patent- und Gebührennovelle 2004).

Soweit das PatG nicht auf andere Gesetze verweist, sind die §§112 bis 139 PatG daher als abgeschlossene Verfahrensordnung zu verstehen.

Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber klar festlegt, wann er die ZPO im patentrechtlichen Nichtigkeitsverfahren angewendet wissen wollte, ergibt sich, dass bei Fehlen eines Verweises auf die ZPO diese unangewendet bleiben muss. § 139 PatG enthält keinen Verweis auf die ZPO und ist daher ohne Bezugnahme auf die ZPO auszulegen. Auch Judikatur und Lehre zur ZPO sind in diesen Fällen unbeachtlich.

Dabei kommt man, wie in dieser Beschwerde

dargestellt, zu dem Ergebnis, dass der Verbesserungsauftrag dem § 139 Abs 2 PatG entsprach, aber selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, die Nichtigkeitsabteilung an die Fristerstreckungsbeschlüsse gebunden war und die Berufung vom samt der Ergänzung vom der belangten Behörde hätte vorlegen müssen.

Daran ändern auch die Erläuterungen zur Patent- und Gebührennovelle 2004 nichts. Es geht nicht an, vom Rechtsanwender zu verlangen, alle erdenklichen Erkenntnisquellen zur Auslegung des Gesetzes zu erforschen. Es ist rechtlich verfehlt, der Entscheidung Judikatur zu einem zweiten Gesetz (hier: der ZPO), auf das im Text des ersten Gesetzes (hier das PatG) nicht einmal verwiesen wird, zu Grunde zu legen, wenn das anzuwendende Gesetz weder einen Gesamtverweis auf dieses zweite Gesetz enthält noch im Text der anzuwendenden Norm (hier: § 139 Abs 2 PatG) ein Verweis zu finden ist.

c. Keine Einschlägigkeit der verwiesenen OGH-Entscheidungen

Weder die seinem Teil 2 zugrunde liegende

Entscheidung = EvBI 379/1969 noch der spätere , der sich insofern nur auf die Vorentscheidung beruft, setzen sich mit der Frage auseinander, wieso ein zu Unrecht erteilter Verbesserungsauftrag rechtsunwirksam sein soll, sodass trotz Erfüllung des Auftrags eine Zurückweisung gesetzmäßig wäre. Somit geht der Verweis auf die älteren Entscheidungen des OGH ins Leere, weil diese keine Begründung dafür enthalten, dass eine gesetzwidrige Nachfristsetzung für das Gericht unbeachtlich sein und daher nicht fristverlängernd wirken soll.

Den zitierten Entscheidungen des OGH lag außerdem

noch eine andere Sach- und Rechtslage zugrunde:

* Der OGH hatte in 4 Ob 29/69 einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem der Berufungsantrag zunächst fehlte. Der Mangel eines Berufungsantrags war damals jedenfalls nicht verbesserbar, weil er zum materiellen Inhalt der Berufung zählt. Anders als im vorliegenden Fall war der Mangel daher schon seiner Natur wegen nach der damaligen Rechtslage, die streng zwischen Inhalts- und Formmangel unterschied, nicht sanierbar. (Die damals geltenden arbeitsgerichtlichen Besonderheiten können außer Betracht bleiben: Der in EvBI 379/1969 zitierte § 25 Abs 1 Z 4 Arbeitsgerichtsgesetz existierte nicht. Es dürfte § 25 Abs 1 Z 1 Arbeitsgerichtsgesetz in der Stammfassung BGBl 1946/170 gemeint gewesen sein, der wir folgt lautete: 'Der Anführung von Berufungsgründen in der Berufung bedarf es nicht.' Das Fehlen des Berufungsantrags konnte aber selbst im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verbessert werden.) Somit unterscheidet sich die Sach- und Rechtslage, die der Entscheidung OGH 4 Ob 29/69 zugrunde lag, schon darin, dass die Eingabe damals unter keine[n] Umständen zur Verbesserung zurückzustellen war, weil sie an einem Inhaltsmangel litt, während im vorliegenden Fall das Fehlen der Begründung den rechtskundigen Referenten der Nichtigkeitsabteilung jedenfalls grundsätzlich verpflichtet, einen Verbesserungsauftrag zu erlassen.

* In OGH 7 Ob 623/92 hatte der Oberste Gerichtshof die bis geltende ZPO anzuwenden, nach der nur Formgebrechen, nicht aber Inhaltsmängel einem Verbesserungsverfahren zugänglich waren. Wie in 4 Ob 29/69 fehlte schon der Berufungsantrag, sodass die Eingabe einen naturgemäß nicht verbesserbaren Mangel enthielt.

Da keinesfalls anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber der Patentrechts- und Gebührennovelle 2004 (BGBl I 2004/149) eine alte Rechtslage der ZPO in das PatG übernehmen wollte, sind diese Entscheidungen des OGH daher jedenfalls nicht maßgeblich.

Beide Entscheidungen des OGH unterscheiden sich vom vorliegenden Fall auch dadurch, dass das Vertrauen auf die Erteilung einer Fristverlängerung nicht schon vor Ablauf der Berufungsfrist berechtigt war, während im vorliegenden Fall der damalige Rechtsvertreter seine Handlungen auf die Auskunft des rechtskundigen Referenten abstimmte. Hierzu näher unter Punkt III.2.2 dieser Beschwerde.

1.4.5 § 61 Abs 3 AVG als Vorbild für eine Lösung des Auslegungsproblems

Gemäß § 61 Abs 3 AVG gilt ein innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen Frist eingebrachtes Rechtsmittel auch dann als rechtzeitig, wenn in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist. Dieser Fall ist dem vorliegenden - wiederum unter der Voraussetzung, dass die Nachfristsetzungen nicht ohnedies gesetzmäßig waren - sehr ähnlich: Die Behörde lässt eine Partei durch eine schriftliche Mitteilung in dem Glauben, die Rechtsmittelfrist habe eine bestimmte Länge. Dadurch begibt sich die Behörde der Möglichkeit, sich auf die kürzere gesetzliche Frist zu berufen, folglich gilt die beauskunftete bzw. festgesetzte längere Frist. Der VwGH sieht in dieser Regel eine Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben ( = VwSlg 15.690/2001).

§61 Abs 3 AVG stellt nicht einmal darauf ab, dass die unrichtige Rechtsmittelbelehrung selbst normative Wirkung hat, also Teil des Spruchs ist. Es genügt, wenn die Wissenserklärung der Behörde über die Frist unrichtig ist, um die Rechtsmittelfrist entsprechend zu verlängern. Im vorliegenden Fall wurde aber die Nachfrist sogar in Beschlüssen, allenfalls in vorbereitenden Verfügungen, gewährt. Dies verstärkt die Berechtigung in das Vertrauen der Geltung der Nachfrist sogar noch im Vergleich zu dem Vertrauen in eine Rechtsmittelbelehrung.

§139 Abs 2 PatG muss daher unter Berücksichtigung der Wertungen des § 61 Abs 3 AVG so verstanden werden, dass auch ein unrichtiger Verbesserungsauftrag zu einer Verlängerung der Berufungsfrist führt. Er musste so vom Vertreter der beschwerdeführenden Partei verstanden werden.

Sollte der Verfassungsgerichtshof § 139 Abs 2 PatG

dennoch so lesen wollen, dass sogar in der Form von Beschlüssen erteilte Verbesserungsaufträge gemäß § 139 Abs 2 PatG nicht die Berufungsfrist verlängern, regt die beschwerdeführende Partei die Prüfung des § 139 Abs 2 PatG auf seine Gleichheitskonformität an. Parteien in Verfahren, in denen § 61 Abs 3 AVG anzuwenden ist, genießen den Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung, während die beschwerdeführende Partei aufgrund der Anwendung des § 139 Abs 2 PatG nicht einmal auf die in der Form von Beschlüssen gewährte Nachfristgewährung vertrauen durfte. Ein Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich.

2. Recht auf Gleichheit (unter Fremden)

[...]

2.2 Die Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben

a. Das Prinzip von Treu und Glauben gilt im Verwaltungsrecht allgemein und bindet die Behörden bei der Vollziehung (B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht1 [1999] Rz 1329 ff). Der VfGH sprach in Slg 13.496/1993 aus, dass dieser Grundsatz einen Ausfluss des Gleichheitsgrundsatzes darstellt. Das Recht auf Gleichheit unter Fremden verpflichtet ebenfalls die Behörden zur Achtung dieses Grundsatzes.

b. Im genannten Erkenntnis meinte der VfGH, dass der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt wird, wenn die Behörde eine Eingabe als mangelhaft erachtet, obgleich sich der Einschreiter eines von der Behörde selbst aufgelegten und von ihm ordnungsgemäß ausgefüllten Formulars bedient.

Der gegenständliche Fall ist sehr ähnlich gelagert:

Die beschwerdeführende Partei vertraute auf die Gültigkeit der beiden durch den rechtskundigen Referenten mit Beschluss gewährten Fristverlängerungen und die telefonische Auskunft, die Frist zur Einbringung der Begründung zu verlängern, und brachte dementsprechend die Berufung zunächst ohne Begründung und später die Begründung entsprechend der gesetzten Frist ein. Die Entscheidung, die die Nachfristgewährungen nachträglich ignoriert, verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben. Hätte der damalige Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei die Auskunft bekommen, dass eine Fristverlängerung nicht gewährt würde, hätte er in der noch verfügbaren Zeit unter besonderer Anstrengung eine Begründung verfasst, die, aufgrund der Umstände wohl nicht perfekt sein hätte können, aber dem gesetzlichen Erfordernis noch entsprochen hätte.

[...]

c. Die Höchstgerichte entschieden auch in den

folgenden, dem vorliegenden ähnlichen Fällen auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben:

* Die Studienbeihilfebehörde hatte eine unrichtige Auskunft über die Antragsfrist gegeben, wies dann aber den Antrag, der die gesetzliche Frist versäumt, aber die angegebene Frist gewahrt hatte, zurück. Der VwGH erkannte darin eine Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben (ZfV 1018/1978).

* Der Wehrpflichtige richtete seine Zivildiensterklärung einem offiziellen Informationsblatt entsprechend an das unzuständige Militärkommando Burgenland. Dieses leitete die Erklärung an das zuständige Militärkommando Steiermark weiter. Während des Postwegs lief die Frist für die Abgabe der Zivildiensterklärung ab. Der Bundesminister für Inneres stellte mit Bescheid fest, dass die Zivildiensterklärung wegen Fristversäumnis die Zivildienstpflicht nicht eintreten lassen könne. Der VfGH erwähnte [in] seinem Erkenntnis Slg 14.334/1995 zwar nicht den Grundsatz von Treu und Glauben, wandte ihn aber inhaltlich an, indem er zunächst ausführte, dass die Fristversäumnis unter diesen Umständen nicht nur dem Beschwerdeführer angelastet werden könne. Über eine analoge Anwendung des § 61 Abs 4 AVG gelangte er zur Rechtzeitigkeit der Zivildiensterklärung.

* Die Verwaltung darf sich nicht zu ihren Gunsten auf die Rechtswidrigkeit (Unwirksamkeit) ihres eigenen Handelns berufen (VwSlg 2406/1952, zitiert nach B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht1 Rz 1334).

d. Vor dem Hintergrund des Prinzips von Treu und Glauben kann dahingestellt bleiben, ob die Nachfristgewährungen in der Rechtsform von Beschlüssen oder vorbereitenden Verfügungen getroffen wurden, weil die Rechtsform keinen Einfluss auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der beschwerdeführenden Partei auf die Gültigkeit der Nachfrist hatte. Der vertrauensbegründende Sachverhalt muss nicht in einer förmlichen Entscheidung bestehen; tut er dies aber wie im vorliegenden Sachverhalt, ist ihm jedenfalls eine besonders hohe vertrauensbildende Kraft zuzumessen. Daran würde auch ein allfälliger gemeinsamer Rechtsirrtum von Parteienvertreter und Behörde nichts ändern.

e. Die Nichtigkeitsabteilung hätte daher dem Grundsatz von Treu und Glauben zufolge das berechtigte Vertrauen der beschwerdeführenden Partei in die telefonische Auskunft und die Nachfristgewährungen schützen müssen. Folgerichtig wären die Nachfristsetzungen als verbindlich anzusehen gewesen, und die Berufung vom mit der Ergänzung vom hätte als rechtzeitig eingebracht behandelt werden müssen.

Da dies nicht geschehen ist, hätte die belangte

Behörde den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung vom zu N 12/2005-10 aufheben müssen. Die erfolgte Bestätigung des Beschlusses verletzte das Prinzip von Treu und Glauben und damit das Recht auf Gleichheit unter Fremden. Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2.3 Objektive Willkür

a. [...]

b. Die belangte Behörde wies die Berufung unter Nichtbeachtung wichtiger Berufungsgründe ab. So begründete sie nicht,

* wieso die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht widersprochen haben soll, obwohl dieser Mangel von der beschwerdeführenden Partei in Punkt II.3.4 ihrer Berufung geltend gemacht wurde,

* wieso das Verhalten des damaligen Vertreters der beschwerdeführenden Partei rechtsmissbräuchlich gewesen sein soll, wenn es in redlicher Absicht und in Abstimmung mit der Behörde gesetzt wurde (Punkt II.1 der Berufung),

* wieso zwei förmliche Nachfristgewährungen völlig unbeachtlich sein sollten, obwohl in den Punkten II.3.1 und II.3.2 der Berufung ausführlich auf dieses Thema hingewiesen wurde. Der bloße Hinweis auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0036197 geht am Thema der Auslegung des § 139 Abs 2 PatG vorbei.

c. Außerdem brachte die beschwerdeführende Partei in Punkt 1. der Berufung unter Anbietung eines Beweises vor, dass der damalige Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei vom rechtskundigen Referenten vor Ablauf der Berufungsfrist die Auskunft erhielt, dass auch für das Fehlen der Begründung ein Verbesserungsauftrag mit Nachfrist erteilt werde. Eine derartige Feststellung wäre für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben erforderlich gewesen.

d. Damit verfehlte die belangte Behörde aber in mehrfacher Hinsicht das gesetzlich gebotene Verhalten und belastet den angefochtenen Bescheid mit qualifizierter Rechtswidrigkeit, die zur Aufhebung wegen objektiver Willkür führen muss."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

5. Der Oberste Patent- und Markensenat legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt. Begründend wird nochmals ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei absichtlich eine Berufungsbegründung unterlassen habe, ein verbesserungsfähiger Mangel im Sinne der Bestimmung des § 139 Abs 2 PatG jedoch nur vorliege, wenn die Berufung aus Versehen oder wegen Gesetzesunkenntnis den gesetzlichen Vorschriften nicht entspreche. Die beschwerdeführende Partei habe ihr Rechtsmittel durch einen sachkundigen Patentanwalt eingebracht, dem die Kenntnis der Formvorschrift für Berufungen zu unterstellen sei. Wie der Berufungsschriftsatz zeige, habe dieser Anwalt die Vorschrift auch tatsächlich gekannt, weshalb ein Rechtsirrtum ausgeschlossen sei. Es sei ein allgemeines, bereits im römischen Recht wurzelndes Prinzip, dass die missbräuchliche Geltendmachung eines Rechts nicht schutzwürdig sei. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zu den Verbesserungsvorschriften der ZPO seien zum Zweck der Verschleppung mit verbesserungsbedürftigen Mängeln eingebrachte Schriftsätze nicht zum Gegenstand eines Verbesserungsverfahrens zu machen.

6. Die beteiligte Partei erstattete mit Schriftsatz vom eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen der Ansicht der Patentbehörden anschloss. Einer näher zitierten OGH-Judikatur zufolge könne eine gesetzwidrig aufgetragene Verbesserung das Fehlen einer Berufungsbegründung bei Ablauf der Berufungsfrist nicht sanieren. Die Wertungen des § 61 Abs 3 AVG würden schon deshalb keine Rolle spielen, weil dieses Verfahrensgesetz auf das Nichtigkeitsverfahren vor dem Patentamt keine Anwendung finde. Da die beschwerdeführende Partei von dem Erfordernis einer Berufungsbegründung gewusst habe, könne sie für sich auch nicht das Prinzip von Treu und Glauben in Anspruch nehmen.

II. Rechtslage

1. § 74 PatG lautet:

"Oberster Patent- und Markensenat

§74. (1) Der Oberste Patent- und Markensenat ist Berufungsinstanz gegen die Endentscheidungen der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes und Beschwerdeinstanz gegen die Endentscheidungen der Beschwerdeabteilung des Patentamtes. Er besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, aus mindestens acht weiteren rechtskundigen und der erforderlichen Zahl von fachtechnischen Mitgliedern als Räten. Diese führen für die Dauer ihres Amtes den Titel 'Rat des Obersten Patent- und Markensenates.'

(2) Der Präsident und der Vizepräsident müssen dem Obersten Gerichtshof als Präsident, als Vizepräsident oder als Senatsvorsitzender angehören oder angehört haben.

(3) Die rechtskundigen Mitglieder müssen das Universitätsstudium der Rechtswissenschaften vollendet und durch mindestens zehn Jahre einen Beruf ausgeübt haben, für den die Vollendung dieses Studiums erforderlich ist. Überdies müssen sie eine wissenschaftliche oder praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes aufweisen. Mindestens drei Mitglieder müssen Richter, mindestens drei Mitglieder rechtskundige Bundesbedienstete des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie oder rechtskundige Mitglieder des Patentamtes sein.

(4) Die fachtechnischen Mitglieder müssen ein Universitätsstudium vollendet haben, das ein Gebiet der Technik oder der Naturwissenschaften zum Gegenstand hat, sowie über besondere Kenntnisse auf einem bestimmten Gebiet der Technik verfügen und das 30. Lebensjahr vollendet haben.

(5) Zu Mitgliedern dürfen nur österreichische Staatsbürger von ehrenhaftem Vorleben ernannt werden, die nicht in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt sind.

(6) Die Mitglieder des Obersten Patent- und Markensenates werden vom Bundespräsidenten auf die Dauer von fünf Jahren ernannt; ihre Wiederberufung ist zulässig. Die Ernennung hindert in keinem Fall das freiwillige Ausscheiden aus dieser Behörde infolge des Übertrittes in den dauernden Ruhestand.

(7) Das Amt erlischt mit dem 31. Dezember des Jahres, in dem das Mitglied das 70. Lebensjahr vollendet hat. Das Amt erlischt ferner, wenn das Mitglied die österreichische Staatsbürgerschaft verliert, wenn seine Handlungsfähigkeit beschränkt wird oder wenn es wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe oder wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wird.

(8) Mitglieder, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, haben vor Ausübung ihres Amtes in die Hand des Präsidenten folgendes Gelöbnis zu leisten: 'Ich gelobe die gewissenhafte und unparteiische Führung meines Amtes und die Geheimhaltung all dessen, was mir aus meiner Amtsführung bekannt wird.' Die Gelöbnisformel ist zu unterschreiben. Im Fall der Wiederberufung genügt die Erinnerung an das abgelegte Gelöbnis.

(9) Die Mitglieder sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Die Entscheidungen des Obersten Patent- und Markensenates unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung des Obersten Patent- und Markensenates zu unterrichten.

(10)-(13) [...]"

2. Gegen Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes kann nach Maßgabe der §§138 ff. PatG Berufung an den Obersten Patent- und Markensenat erhoben werden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"Berufung

§138. (1) Der Partei, die sich durch eine Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes beschwert erachtet, steht die Berufung an den Obersten Patent- und Markensenat offen. Die Berufung hat aufschiebende Wirkung.

(2) Gegen die im Lauf des Vorverfahrens oder der Verhandlung getroffenen Entscheidungen und gefassten Beschlüsse der Nichtigkeitsabteilung, findet - Unterbrechungsbeschlüsse ausgenommen - ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statt. Sie können nur mit der Berufung an den Obersten Patent- und Markensenat angefochten werden, sofern sie auf die Endentscheidung einen Einfluss geübt haben (§70).

(3) Die Berufung ist binnen zwei Monaten nach

Zustellung der Entscheidung beim Patentamt schriftlich einzubringen. Sie hat einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

(4) Die Berufungsschrift und deren Beilagen sind in zweifacher Ausfertigung zu überreichen. Ist die Berufung gegen mehrere Gegner gerichtet, so ist neben der für den Obersten Patent- und Markensenat bestimmten Ausfertigung für jeden Gegner eine Ausfertigung samt einer Abschrift jeder Beilage zu überreichen.

§139. (1) In allen in den Wirkungsbereich des Patentamtes fallenden, die Berufungen an den Obersten Patent- und Markensenat betreffenden Angelegenheiten ist die Nichtigkeitsabteilung zuständig. Sie faßt ihre Beschlüsse in nichtöffentlicher Sitzung. Diese Beschlüsse sind als Endentscheidungen anzusehen.

(2) Weist eine rechtzeitig überreichte Berufung

Mängel auf, so hat der rechtskundige Referent der Nichtigkeitsabteilung dem Berufungswerber eine Frist zur Verbesserung zu setzen. Werden die Mängel innerhalb der Frist behoben, so gilt die Berufung als ordnungsgemäß eingebracht.

(3) Verspätet überreichte Berufungen oder Berufungen, die innerhalb der gemäß Abs 2 festgesetzten Frist nicht verbessert werden, sind von der Nichtigkeitsabteilung zurückzuweisen.

(4) In allen anderen Fällen hat der rechtskundige Referent eine Ausfertigung der Berufungsschrift dem Berufungsgegner mit der Mitteilung zuzustellen, daß es ihm freisteht, innerhalb von zwei Monaten die Berufungsbeantwortung zu überreichen.

(5) Nach rechtzeitigem Einlangen der Berufungsbeantwortung oder nach fruchtlosem Ablauf der zweimonatigen Frist sind die Akten vom rechtskundigen Referenten dem Obersten Patent- und Markensenat vorzulegen.

§140. [...]

§141. Ist die Berufung mit Mängeln behaftet, die

nicht gemäß § 139 Abs 2 beanstandet worden sind, so ist dem Berufungswerber vom Referenten eine Frist zur Verbesserung zu setzen."

Die §§138 Abs 2, 139 Abs 2 und 3 sowie 141 wurden

zuletzt durch BGBl. I 149/2004 novelliert. Den Materialien ist dabei in Bezug auf §§139 und 141 zu entnehmen, dass "[i]n Orientierung an § 474 Abs 2 ZPO" die bislang vorgesehene Einschränkung der verbesserbaren Mängel einer Berufung auf formelle Mängel fallengelassen werde, weshalb nunmehr "auch bei inhaltlichen Mängeln, wie bei fehlendem Berufungsantrag oder fehlender Begründung, [...] künftig dem Berufungswerber eine Frist zur Verbesserung zu setzen" sei (RV 621 BlgNR 22. GP, 20).

3. § 474 Abs 2 ZPO verweist auf die §§84, 85 und 471 ZPO. Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§84. (1) Soweit in diesem Gesetze nichts anderes angeordnet ist, hat das Gericht die Beseitigung von Formgebrechen, welche die ordnungsmäßige geschäftliche Behandlung eines überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von Amts wegen anzuordnen. Ein solcher Beschluß kann durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden.

(2) Als derartiges Formgebrechen ist es insbesondere anzusehen, wenn die Vorschriften der §§75 und 77 nicht beachtet wurden, oder wenn es an der erforderlichen Anzahl von Schriftsatzexemplaren oder von Rubriken fehlt. Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels, eines Rechtsbehelfs oder von Gründen ist unerheblich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist.

(3) War bei der Überreichung des Schriftsatzes eine Frist einzuhalten, so ist nach Abs 1 auch vorzugehen, wenn in dem Schriftsatz Erklärungen oder sonstiges Vorbringen fehlen, die für die mit dem Schriftsatz vorgenommene Prozeßhandlung vorgeschrieben sind. Durch solche Verbesserungen und sonstige Ergänzungen des zu verbessernden Schriftsatzes darf jedoch das darin enthaltene Vorbringen nicht so geändert werden, daß dadurch in die bereits eingetretene Rechtskraft einer Entscheidung eingegriffen würde; war dem zurückgestellten Schriftsatz nicht eindeutig zu entnehmen, daß die Entscheidung nur zum Teil oder inwieweit sie angefochten wird, so gilt sie als zur Gänze angefochten.

(4) Im Verfahren vor Gerichtshöfen steht die Erlassung dieser Anordnungen dem Vorsitzenden des Senates zu, dem die Rechtssache zugewiesen ist.

§85. (1) Zum Zwecke der Beseitigung von Formgebrechen kann die Partei vorgeladen oder ihr der Schriftsatz mit der Anweisung zur Behebung der gleichzeitig zu bezeichnenden Formgebrechen zurückgestellt werden.

(2) War bei Überreichung des Schriftsatzes eine Frist einzuhalten, so ist letzterenfalls für die Wiederanbringung eine neuerliche Frist festzusetzen, bei deren Einhaltung der Schriftsatz als am Tage seines ersten Einlangens überreicht anzusehen ist. Eine Verlängerung dieser Frist ist nicht zulässig. Hat eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei innerhalb der gesetzten Frist die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, so beginnt diese Frist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts beziehungsweise mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, womit die Beigebung eines Rechtsanwalts versagt wird, zu laufen; der Bescheid ist durch das Gericht zuzustellen. Der § 73 Abs 3 gilt sinngemäß.

(3) Gegen die auf Grund vorstehender Bestimmungen ergehenden Beschlüsse ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statthaft; inwiefern deshalb das Aufsichtsrecht der übergeordneten Gerichtsbehörden angerufen werden kann, ist nach den über die innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassenen Vorschriften zu beurteilen.

§471. Auf Grund dieser Prüfung ist die Berufung, ohne dass zunächst eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anberaumt würde, vor den Berufungssenat zu bringen:

1. wenn das Berufungsgericht zur Entscheidung über die erhobene Berufung nicht zuständig erscheint;

2. wenn die Berufung als gesetzlich unzulässig oder nicht in der gesetzlichen Frist erhoben erscheint;

3. wenn in der Berufungsschrift das Urteil nicht angegeben ist, wider welches Berufung erhoben wird, wenn die Berufungsschrift keinen oder keinen bestimmten Berufungsantrag enthält, oder wenn die Berufungsgründe weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung einzeln angeführt sind;

4. wenn sich die Berufung gegen ein wegen Säumnis

einer Partei gefälltes Urteil darauf gründet, dass eine Versäumung nicht vorliege;

5. wenn das Urteil oder das der Urteilsfällung vorangegangene Verfahren als nichtig angefochten wird;

6. wenn der in das Urteil aufgenommene Ausspruch über die Einrede des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit oder der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit, über die Unzulässigkeit des Rechtsweges, die Streitanhängigkeit oder die Rechtskraft angefochten wird;

7. wenn der mit der Prüfung der Berufungsakten

betraute Richter der Ansicht ist, dass das Urteil oder das demselben vorangegangene Verfahren an einer vom Berufungswerber nicht geltend gemachten Nichtigkeit leide.

§474. (1) Beim Vorhandensein des im § 471 Z. 1 bezeichneten Mangels hat das Gericht seine Unzuständigkeit auszusprechen und die Berufung an das für dieselbe zuständige Gericht zu verweisen.

(2) In den Fällen des § 471 Z. 2 und 3 ist die Berufung zu verwerfen. In den Fällen des § 471 Z 3 gilt dies jedoch nur, wenn ein Auftrag zur Verbesserung (§§84, 85) fruchtlos geblieben ist.

(3) Wenn die Berufung im Falle des § 471 Z. 4 als begründet befunden wird, ist das Urteil aufzuheben und die Rechtssache je nach Vollendung der erstrichterlichen Verhandlung bloß zur neuerlichen Urteilsfällung oder zur Fortsetzung der Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde geht von der Rechtswidrigkeit der Zurückweisung der Berufung vom aus und rügt insoweit eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG.

1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

Diese Rechtsprechung ist in Verfahren gemäß Art 144 B-VG ergangen, in denen der Verfassungsgerichtshof zu prüfen hatte, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen letztinstanzlichen Bescheid einer Verwaltungsbehörde in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde. Insofern hat das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes allgemein gesprochen den Inhalt, dass die Verwaltung an die gesetzlich vorgegebene Zuständigkeitsverteilung gebunden ist und insofern die auch verfassungsrechtlich geprägte gesetzliche Behördenzuständigkeit nicht verletzt, wobei eine solche Verletzung nach der Judikatur in unterschiedlichen Konstellationen auftreten kann.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings in VfSlg. 19.272/2010 ausgesprochen, dass diese Rechtsprechung auf die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Asylgerichtshof nicht übertragbar ist. Ausgehend davon, dass der Asylgerichtshof gemäß Art 129c B-VG nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen erkennt (und dieser insofern gemäß Art 129d B-VG nach dem Muster des Verwaltungsgerichtshofes eingerichtet ist) und ein Rechtszug vom Asylgerichtshof zum Verwaltungsgerichtshof nicht besteht, führte der Verfassungsgerichtshof aus:

"Dem Asylgerichtshof kommt folglich in Beschwerdeverfahren nach Art 129c B-VG die Stellung eines Höchstgerichtes zu (zur Eigenschaft des Asylgerichtshofes als erst- (und letzt)instanzlichen Gerichtes vgl. VfSlg. 18.614/2008, 18.632/2008), ebenso wie dem VwGH im Bereich des Art 131 B-VG. Der VfGH ist gemäß Art 144a B-VG berufen, zu überprüfen, ob eine Entscheidung des Asylgerichtshofes den Bf. in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt. In diesem Verfahren hat der VfGH also nicht zu prüfen, ob der beim Asylgerichtshof bekämpfte Akt der Verwaltung den Bf. in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, sondern ob dies die Entscheidung des Asylgerichtshofes als solche tut. Der VfGH ist kein dem Asylgerichtshof im Instanzenzug übergeordnetes Gericht.

[...] Der VfGH ist daher nicht berechtigt, außer im Falle der Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch den Asylgerichtshof oder wenn dieser den von ihm angewendeten generellen Normen einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, seine Rechtsansicht an die Stelle jener des Asylgerichtshofs zu setzen. Ebenso wie der VwGH entscheidet der Asylgerichtshof über Fragen der Auslegung des einfachen Gesetzes endgültig und sind im Bereich seiner Zuständigkeit alle anderen Behörden an seine Rechtsanschauung gebunden."

1.3. Der Oberste Patent- und Markensenat ist nun nach der Systematik des B-VG zwar eine Verwaltungsbehörde, doch weist seine Einrichtung so viele Merkmale eines Gerichts auf, dass die unter dem Blickwinkel der Geltendmachung der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zum Asylgerichtshof ergangene Rechtsprechung auf ihn übertragbar ist:

Der Oberste Patent- und Markensenat ist eine

kollegiale Verwaltungsbehörde, der nach ihrer gesetzmäßigen Zusammensetzung Richter angehören müssen (§74 PatG): Sein Präsident und der Vizepräsident müssen dem Obersten Gerichtshof als Präsident, als Vizepräsident oder als Senatsvorsitzender angehören oder angehört haben (Abs2). Mindestens drei seiner Mitglieder müssen Richter sein (Abs3). Und auch jene Mitglieder, die nicht Richter sind, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden (Abs9). Gemäß § 74 Abs 9 PatG unterliegen seine Entscheidungen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg (vgl. VfSlg. 15.657/1999, 16.071/2001). Er ist aufgrund der Weisungsfreiheit seiner Mitglieder und der Garantie ihrer Unabhängigkeit nicht nur ein Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK (vgl. VfSlg. 6995/1973), sondern auch ein vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art 234 EGV (jetzt Art 267 AEUV) (vgl. VfSlg. 15.657/1999).

Der Oberste Patent- und Markensenat ist gemäß § 74

PatG (einzige) Berufungsinstanz gegen die Endentscheidungen der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes und (einzige) Beschwerdeinstanz gegen die Endentscheidungen der Beschwerdeabteilung des Patentamtes. Ebenso wie diese erstinstanzlichen Entscheidungsorgane hat er nicht die Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze, sondern die Verfahrensvorschriften des Patentgesetzes anzuwenden, die wiederum in zentralen Verfahrensfragen auf die Bestimmungen der ZPO verweisen. Dies gilt etwa für § 116 PatG, nach dem für das Vorverfahren die Bestimmungen der §§180 bis 185 ZPO anwendbar sind, für die Verhandlung (§119 PatG), für die die Vorschriften der §§171 bis 203 ZPO maßgeblich sind sowie für den Beweis und die Beweisaufnahme, § 120 PatG verweist insofern auf §§266 bis 383 ZPO. Auch jene Verfahrensvorschriften, die im PatG selbst geregelt und die gemäß § 140 PatG vom Obersten Patent- und Markensenat sinngemäß anzuwenden sind, sind den Vorschriften der Zivilprozessordnung nachgebildet.

Mit all diesen Bestimmungen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Patentrecht insoweit dem Zivilrecht nahesteht, als es das Entstehen bzw. die Anerkennung und den Bestand von Ansprüchen geistigen Eigentums, somit von zivilrechtlichen Ansprüchen regelt. In systemgerechter Weise schließt daher Art 133 Z 3 B-VG seit jeher in den Angelegenheiten des Obersten Patent- und Markensenats einen Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof aus. Der Oberste Patent- und Markensenat ist jene gerichtsförmige Instanz, die letztinstanzlich über die richtige Anwendung des Patentrechts zu entscheiden hat. Der Oberste Patent- und Markensenat ist unter dem Blickwinkel seiner Stellung im Rechtsschutzsystem dem Asylgerichtshof vergleichbar.

Daraus folgt aber, dass eine umfassende Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Obersten Patent- und Markensenats nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes im Verfahren gemäß Art 144 B-VG ist: Der Verfassungsgerichtshof hat lediglich zu überprüfen, ob eine Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenats den Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt. In diesem Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof also nicht zu prüfen, ob der beim Obersten Patent- und Markensenat bekämpfte Akt des erstinstanzlichen Organs des Patentamtes den Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, sondern ob dies die Entscheidung des Obersten Patent- und Markensenats als solche tut. Der Verfassungsgerichtshof ist kein dem Obersten Patent- und Markensenat im Instanzenzug übergeordnetes Gericht.

1.4. Der Verfassungsgerichtshof ist daher nicht berechtigt, außer im Falle der Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch den Obersten Patent- und Markensenat oder wenn dieser den von ihm angewendeten generellen Normen einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, seine Rechtsansicht an die Stelle jener des Obersten Patent- und Markensenats zu setzen. Der Oberste Patent- und Markensenat entscheidet bei der Auslegung des einfachen Gesetzes endgültig und es sind im Bereich seiner Zuständigkeit andere Behörden an seine Rechtsanschauung gebunden.

1.5. Ob im vorliegenden Beschwerdefall daher der Oberste Patent- und Markensenat die Frage, ob das Fehlen der Berufungsbegründung einen nicht verbesserbaren Mangel und damit einen Zurückweisungsgrund darstellt und wie die beiden der beschwerdeführenden Partei eingeräumten Verbesserungsfristen in diesem Zusammenhang zu bewerten sind, richtig beurteilt hat, ist vom Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht zu überprüfen, diese Beurteilung obliegt allein dem Obersten Patent- und Markensenat, der in dieser Frage endgültig entscheidet.

2. Der Beschwerde kann auch nicht darin gefolgt

werden, dass die bekämpfte Entscheidung gegen das Willkürverbot verstoße. Der Oberste Patent- und Markensenat legt unter Verweis auf seine einschlägige Vorentscheidung und die Judikatur des OGH noch denkmöglich dar, warum er in der begründungslosen Berufung einen nicht verbesserbaren Mangel erblickt. Auch auf die Maßgeblichkeit des erteilten - unzulässigen - Verbesserungsauftrags wird in ausreichender Weise eingegangen, weshalb die belangte Behörde in ihrer Entscheidung keine Willkür übte.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2. Der beteiligten Partei waren für den von ihr eingebrachten, vom Verfassungsgerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen

(zB VfSlg. 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.