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OGH vom 12.08.2010, 12Os109/10m

OGH vom 12.08.2010, 12Os109/10m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Reich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kalman P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom , GZ 21 Hv 10/09z 30a, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kalman P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am in Ried im Innkreis Anneliese K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie am Oberarm packte, sie in das Herren WC des Messegebäudes zerrte, trotz ihrer Gegenwehr ihre Latzhose öffnete, mit seinen Beinen ihre Beine auseinander drückte und seinen erigierten Penis in ihre Scheide einführte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Nichtdurchführung der in der Hauptverhandlung vom beantragten ergänzenden Vernehmung des Tatopfers Anneliese K*****, „zum Beweis dafür, dass sich der Vorfall nicht so ereignet hat, wie die Frau K***** schildert und dass keine Vergewaltigung vorliegt und sie auch keine Verletzungen erlitten hat“ (ON 30 S 13). Diese (bei Antragstellung im Gerichtssaal anwesende) Zeugin war im Ermittlungsverfahren in Anwesenheit des Angeklagten nach § 165 StPO kontradiktorisch vernommen worden, hatte bereits dort angegeben, in einer Hauptverhandlung nicht mehr aussagen zu wollen sowie mit der Vorführung „der DVD“ einverstanden zu sein (ON 3 S 15), und auch in der Hauptverhandlung vom nach aus Anlass der Antragstellung erfolgter neuerlicher Belehrung nach § 156 Abs 1 Z 2 StPO von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht (ON 30 S 14).

Abgesehen davon, dass das Begehren auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte, weil es dem Beweisantrag an einem - angesichts zuvor erfolgter Vorführung und Verlesung der bei der kontradiktorischen Vernehmung umfänglich getätigten Angaben dieser Zeugin (ON 27 S 24, ON 30 S 11) erforderlichen Vorbringen fehlte, aus welchem Grund zu erwarten sei, dass Anneliese K***** von ihrer bisherigen Aussage abweichen sollte (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO; RIS Justiz RS0117928; Ratz , WK StPO § 281 Rz 331), übersieht die Beschwerde mit ihrem insoweit zudem unverständlichen Einwand, „die Verweigerung der Einvernahme“ sei „jedenfalls mit Nichtigkeit behaftet“, weil „die Zeugin … in der Hauptverhandlung anwesend war und sich im Zuge der Hauptverhandlung als Privatbeteiligte dem Verfahren … anschloss“ (vgl demgegenüber § 156 Abs 2 StPO, der sich ausdrücklich bloß auf § 156 Abs 1 Z 1 StPO bezieht), dass die Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO in Fällen irriger Gewährung eines Aussageverweigerungsrechts nur dann zusteht, wenn der Beschwerdeführer sich dagegen durch einen begründeten Antrag, dem Zeugen kein solches Recht einzuräumen, erfolglos zur Wehr gesetzt hat (RIS Justiz RS0113906; Kirchbacher , WK StPO § 159 Rz 28; Ratz , WK StPO § 281 Rz 362, 364). Ein derartiger Antrag aber wurde nicht gestellt, Nichtvorliegen des Aussagebefreiungsgrundes nicht einmal behauptet.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass es dem Obersten Gerichtshof, der sich - von materiellen und erfolgreich zugunsten eines Mitangeklagten geltend gemachten Nichtigkeitsgründen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) und (hier nicht vorliegenden) erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrundegelegten Tatsachen (§ 362 Abs 1 StPO) abgesehen - bei Erledigung von Nichtigkeitsbeschwerden auf die vom Beschwerdeführer „ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweisung geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu beschränken“ hat (§ 290 Abs 1 erster Satz StPO), verwehrt ist, den Umstand in Anschlag zu bringen, dass der allein durch die Angaben des Tatopfers Anneliese K***** belastete Angeklagte bei deren kontradiktorischer Vernehmung nicht durch einen Verteidiger vertreten war, wiewohl der Senat die Rechtsansicht der für das seit geltende Recht richtungsweisenden Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 14 Os 75/09z, 96/09p, 97/09k, 98/09g, 99/09d, 100/09a, 101/09y (EvBl 2009/162, 1073) teilt. Hiefür erforderliche Anträge hat der Beschwerdeführer nämlich ebenso wenig gestellt, wie er geltend gemacht hat, dass er nicht ausdrücklich und in einer für ihn verständlichen Weise auf den Wert, den ein zur kontradiktorischen Vernehmung beigezogener Rechtsbeistand darstellt, und das Recht hingewiesen wurde, die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu verlangen (vgl zum Ganzen die eben angesprochene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom sowie 13 Os 150/09x; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 362).

Weshalb die Aussage der Zeugin Anita F***** über ein mit dem verfahrensgegenständlichen Vorfall nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehendes Gespräch mit Anneliese K*****, in welchem die Genannte behauptete, dass „Kalman P***** Alkohol in seiner Tasche hat“, was dieser in der Folge bestritt (ON 30 S 6 f), die Entscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers beeinflussen hätte können und solcherart unter dem Gesichtspunkt mängelfreier Begründung der entscheidenden Urteilskonstatierungen erörterungsbedürftig im Sinn der Z 5 zweiter Fall sein soll, lässt die Mängelrüge offen (vgl dazu Ratz , WK StPO § 282 Rz 24 f). Unter dem Aspekt solcherart unternommener Infragestellung der von den Tatrichtern aufgrund des durch Vorführung der Ton und Bildaufnahmen über deren kontradiktorische Vernehmung gewonnenen persönlichen Eindrucks im Verein mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Ernst G***** bejahten (US 5 ff) Glaubwürdigkeit des Tatopfers wird keine entscheidende Tatsache angesprochen. Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit stellen nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung hinausläuft (RIS Justiz RS0119422, RS0117593; Ratz , WK StPO § 281 Rz 431 f).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) die sich erneut gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin Anneliese K***** wendet, erweckt mit der Wiederholung der schon in der Mängelrüge angesprochenen Teile der Aussage der Zeugin Anita F***** keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Fundstelle(n):
JAAAD-77912