OGH vom 24.11.2010, 9Ob14/10i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Immobilien GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kurz und Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwälte in Innsbruck, und des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei B***** A*****, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C***** K*****, vertreten durch Corazza Laimer Rechtsanwaltspartnerschaft, Innsbruck, wegen 15.840 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 242/09m 15, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 18 Cg 53/08f 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) und dem Nebenintervenienten die mit 976,68 EUR (darin 162,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagte kaufte mit Kaufvertrag vom vom Nebenintervenienten die Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** S*****, bestehend aus dem Grundstück *****. Auf dieser Liegenschaft ist ein Mehrfamilienhaus in Form eines „finnischen Blockhauses“ errichtet. Die Klägerin war als Doppelmaklerin für beide Vertragsparteien tätig und vermittelte den Kauf. Der Nebenintervenient verfasste zunächst für die Klägerin eine Objektbeschreibung, in welcher er die Grundflächen als „Zirka“ Angaben auswies. Aufgrund dieser Unterlage erstellte ein Mitarbeiter der Klägerin, Mag. O*****, welcher in der Folge mit der Vermittlung des gegenständlichen Objekts betraut war, ein Exposé über das Objekt, wo er die „Zirka“ Angaben als Fixwerte übernahm. Insbesondere heißt es in diesem später der Beklagten zur Verfügung gestellten Exposé: „Art des Hauses: Mehrfamilienhaus … Größe: 180 m² Wohnfläche, 22 m² Balkone, ca 200 m² Gartenfläche; … Grundstücksgröße: 504 m² … Heizsystem: Gaszentralheizung, Betriebskosten: Gas jährlich: 1.200 EUR, Gemeindeabgaben jährlich: 290 EUR, zusammen 125 EUR pro Monat. ...“
Im Exposé waren auch sieben Lichtbilder des Objekts enthalten, auf denen unter anderem der Kachelofen des im Obergeschoß gelegenen Wohnraums abgebildet war. Der Nebenintervenient hatte den Betriebskosten für Gas die zuletzt angefallenen Durchschnittskosten zugrundegelegt, zusätzlich hatte er aber die Wohnung im Obergeschoß immer auch mit dem Kachelofen beheizt. Am kam es zur ersten Besichtigung des Objekts durch die Beklagte, an der auch Mag. O***** teilnahm. Nach Unterfertigung eines Kaufanbots über 440.000 EUR erfolgte am eine zweite Begehung des Objekts, an welcher Mag. O***** für die Klägerin, der Nebenintervenient, die Beklagte und deren Sohn teilnahmen. Im Zuge dieser Besichtigung wurde die Beklagte vom Vertreter der Klägerin darüber informiert, dass ein Kunststoffschwimmbad im Garten vergraben sei. Es kann nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt der Vertreter der Klägerin davon erfahren hatte, insbesondere, ob dies schon bei Übernahme der Vermittlung der Fall gewesen war. Bei den Besichtigungen wies der Vertreter der Klägerin die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass das Untergeschoß mit Gas beheizt worden sei und hiefür jährliche Kosten von ca 1.200 EUR angefallen seien, sowie, dass das Obergeschoß großteils mit dem Kachelofen beheizt worden sei. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Vertreter der Klägerin im Zuge einer der Besichtigungen das Objekt als „Niedrigenergiehaus“ beschrieben hätte. Aufgrund der Bitte der Beklagten, genauere Pläne zu erhalten, beschaffte Mag. O***** etwa eine Woche nach dem zweiten Besichtigungstermin Kopien der Baupläne von der Gemeinde und überbrachte diese der Beklagten, die sich jedoch die selben Pläne bereits selbst geholt hatte. Am vermaß der Nebenintervenient mit Hilfe eines Bekannten die Wohnflächen des Objekts. Die Ergebnisse wurden dann auf den Plänen eingezeichnet, und sowohl Mag. O***** als auch der Beklagten übermittelt. Die Vermessung ergab im Obergeschoß eine Verminderung der Wohnfläche von 10 m². Noch im Dezember 2007 veranlasste der Nebenintervenient die Entfernung der Schwimmbadreste und die Verfüllung der dadurch entstandenen Grube mit Humus. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ausgrabung und die Verfestigung nicht sach und fachgerecht erfolgt wären, insbesondere, dass daraus eine Senkung der Terrasse resultiert habe. Seit war Mag. O***** nicht mehr in die Verkaufsgespräche eingebunden. Am unterfertigten der Nebenintervenient und die Beklagte den Kaufvertrag. Der Beklagten war vor Unterfertigung des Kaufvertrags aufgrund der Besichtigungen, der Baupläne und der Vermessung durch den Nebenintervenienten bekannt, dass die Angaben bezüglich der Wohnflächen im ausgehändigten Exposé im Ausmaß von ca 10 m² nicht stimmten. Trotz der anderslautenden Angaben im Exposé hatte Mag. O***** die Beklagte bei einer der Besichtigungen darauf verwiesen, dass die Betriebskosten „Zirka“ Angaben waren.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung der (der Höhe nach unstrittigen) Vermittlungsprovision in Höhe von 15.840 EUR samt 8 % Zinsen seit . Die Klägerin sei für die Beklagte verdienstlich geworden, sie sei auch ihren Aufklärungspflichten nach § 3 MaklerG ausreichend nachgekommen. Sie habe somit Anspruch auf die volle Provision, ein Minderungsgrund nach § 30b KSchG sei nicht eingetreten.
Der auf Seiten der Klägerin beigetretene Nebenintervenient schloss sich dem Vorbringen der Klägerin an.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe sie über wichtige Umstände nicht aufgeklärt, so habe sie ihr verschwiegen, dass auf der Liegenschaft ein Schwimmbad vergraben sei. Darüber hinaus habe sich herausgestellt, dass das Flächenausmaß des Wohngebäudes unrichtig sei. Auch die Betriebskostenangaben haben nicht gestimmt, mit 1.200 EUR jährlich an Gaskosten sei nicht das Auslangen zu finden. Eine auf den Titel des Schadenersatzes gestützte Kompensandoforderung der Beklagten wurde im Rechtsmittelverfahren nicht mehr aufrecht erhalten.
Das Erstgericht stellte die Klageforderung in voller Höhe als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete demzufolge die Beklagte zur Zahlung von 15.840 EUR samt 4 % Zinsen seit . Das Zinsenmehrbegehren von 4 % wies es (rechtskräftig) ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass keine Minderung des Provisionsanspruchs der Klägerin zu erfolgen habe: Die Differenzen zum zunächst angegebenen Flächenausmaß seien noch vor Kaufabschluss aufgeklärt worden, desgleichen habe die Klägerin darauf verwiesen, dass die Energiekosten für Gas nur unter der Voraussetzung zuträfen, dass das Obergeschoß zusätzlich mit dem Kachelofen beheizt werde. Auch diese Aufklärung sei noch vor Kaufabschluss erfolgt. Auch das Schwimmbad sei, ohne dass der Beklagten Kosten entstanden seien, noch vor Kaufabschluss rückstands und folgenfrei beseitigt worden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Klägerin keine Aufklärungspflichtverletzung iSd § 3 Abs 3 MaklerG iVm § 30b Abs 2 KSchG vorgeworfen werden könne. Der Beklagten sei bei Kaufabschluss bekannt gewesen, dass die Flächenangaben im Exposé der Klägerin um ca 10 m² zu hoch angegeben waren, weiters, dass es sich auch bei den Betriebskosten nur um „Zirka“ Angaben gehandelt hatte, die nur unter zusätzlicher Verwendung eines Kachelofens annähernd gestimmt hätten. Im Übrigen habe sich die Klägerin betreffend die Betriebskosten auf die Angaben des Verkäufers (Nebenintervenienten) verlassen dürfen. Hinsichtlich des zu entfernenden Schwimmbades sei die Beklagte schon lange vor Kaufabschluss schadlos gestellt worden.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO die Revision nicht zulässig sei; über Abänderungsantrag der Beklagten ließ es jedoch die Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob eine Verletzung des in § 30b Abs 2 KSchG normierten Schriftlichkeitsgebots einen Anspruch auf Minderung der Vermittlungsprovision iSd § 3 Abs 4 MaklerG nach sich ziehen kann, keine Rechtsprechung bestehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Die Klägerin und der Nebenintervenient beantragten, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Gemäß § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Dies gilt auch, wenn er zugleich für den Dritten tätig ist. Gemäß § 3 Abs 3 MaklerG sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Bei Verletzung der Pflichten nach Abs 1 bis 3 kann gemäß § 3 Abs 4 MaklerG Schadenersatz verlangt werden. Soweit dem Makler ein Provisionsanspruch zusteht, kann der Auftraggeber wegen Verletzung wesentlicher Pflichten auch eine Mäßigung nach Maßgabe der durch den Pflichtverstoß bedingten geringeren Verdienstlichkeit des Maklers verlangen. Gemäß § 30b Abs 2 KSchG (die Unternehmereigenschaft der Klägerin und die Verbrauchereigenschaft der Beklagten sind unstrittig) hat der Immobilienmakler dem Auftraggeber die nach § 3 Abs 3 MaklerG erforderlichen Nachrichten schriftlich mitzuteilen. Zu diesen zählen jedenfalls auch sämtliche Umstände, die für die Beurteilung der zu vermittelnden Geschäfte wesentlich sind. Das Schriftlichkeitsgebot in § 30b Abs 2 KSchG wurde erst mit dem BGBl I Nr 91/2003 eingeführt und sollte nach den Materialien (RV 173 BlgNR 22. GP, 22) der Beweissicherung dienen.
Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Frage, ob schon ein Verstoß gegen dieses Schriftlichkeitsgebot darüber hinaus auch die Folgen des § 3 Abs 4 MaklerG nach sich ziehen könne, stellt sich im vorliegenden Verfahren gar nicht. Die Beklagte hat nämlich im Verfahren erster Instanz ausschließlich materielle Aufklärungsmängel eingewendet, nie jedoch einen Verstoß gegen das Schriftlichkeitsgebot der Aufklärungen. Diesen Einwand erhob sie erstmals in ihrer Berufung, somit im Rahmen einer unzulässigen Neuerung. Auf diese ist daher nicht weiter einzugehen, noch weniger kann damit die Revisionszulässigkeit begründet werden.
Auch die anderen von der Beklagten in ihrer Revision aufgezeigten Fragen weisen nicht die im § 502 Abs 1 ZPO genannte Erheblichkeit auf:
Eine Mäßigung des Provisionsanspruchs nach § 30b KSchG iVm § 3 Abs 4 MaklerG hat nur dann zu erfolgen, wenn die Verdienstlichkeit des Maklers durch diesen Pflichtverstoß geringer als ohne diesen einzustufen ist. Dies ist immer im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers zu beurteilen (SZ 71/177; RIS Justiz RS0111058). Nur im Falle eines groben Ermessensfehlers liegt eine erhebliche Rechtsfrage vor, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss. Davon kann aber hier keine Rede sein.
Hinsichtlich des vergrabenen Schwimmbades konnte nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bei Übernahme der Vermittlung davon überhaupt Bescheid wusste. Im Übrigen wurde das Schwimmbad vor Abschluss des Kaufvertrags folgenlos entfernt.
Die ebenfalls vor Kaufabschluss aufgeklärte geringe (ca 5,5 %) Flächenabweichung eines Raumes veranlasste die Beklagte trotz Kenntnis nicht, den Kaufpreis (mit Mängelrüge oder Irrtum) anpassen zu lassen (vgl 5 Ob 43/02p in RIS Justiz RS0116638).
Hinsichtlich der Gas Betriebskosten ignoriert die Beklagte die bindende Feststellung, dass auch diesbezüglich noch vor Kaufabschluss eine Aufklärung dahin erfolgt war, dass sich diese nur für das Untergeschoß verstünden, das Obergeschoß aber mit dem Kachelofen zusätzlich beheizt werden müsse. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage befunden hat, dass keine wesentliche Pflichtverletzung der Klägerin vorgelegen habe und somit deren Verdienstlichkeit nicht gemindert gewesen sei und somit auch eine Minderung des Provisionsanspruchs nicht gerechtfertigt sei, liegt darin eine jedenfalls vertretbare Rechtsauffassung.
Die Klägerin und der Nebenintervenient haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass diese Schriftsätze der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten und daher gemäß §§ 41, 50 ZPO zu honorieren sind. Die Klägerin und der Nebenintervenient sprechen einen 150 % Einheitssatz an, der gemäß § 23 Abs 9 RATG aber nur für das Berufungsverfahren zusteht; es kann daher nur der 50 % Einheitssatz zuerkannt werden. Auch steht weder der Klägerin noch dem Nebenintervenienten ein Streitgenossenzuschlag zu. Beide sind durch getrennte Anwälte vertreten, beiden steht jeweils nur eine Partei, nämlich die Beklagte gegenüber (RIS Justiz RS0045327; RS0036033). Die Differenz im Kostenzuspruch ergibt sich daraus, dass der Nebenintervenient keine Erhöhung nach § 23a RATG verrechnen konnte.