OGH vom 04.11.2016, 12Os108/16y (12Os109/16w)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Simon F***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 14 Hv 11/14t des Landesgerichts Klagenfurt, über den Antrag des Genannten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 14 Hv 11/14t 53, wurde Mag. Simon F***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB (II./) sowie der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I./) und der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und 4 Z 1, Abs 5 Z 3, 4 und 5 iVm § 161 Abs 1 StGB (III./), je idF vor BGBl I 2015/112, schuldig erkannt.
Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wies der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom (zu AZ 14 Os 86/15a) zurück. Aus deren Anlass hob er das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in der Subsumtion der dem Schuldspruch II./ zugrundeliegenden Taten auch nach § 156 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 sowie in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, demgemäß auch im Strafausspruch auf und verwies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt.
Mit am beim Obersten Gerichtshof eingelangtem Antrag begehrt Mag. Simon F***** die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO ausdrücklich nur in Ansehung der rechtskräftigen Schuldsprüche wegen der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I./) und der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und 4 Z 1, Abs 5 Z 3, 4 und 5 iVm § 161 Abs 1 StGB (III./) je idF vor BGBl I 2015/112. Darin behauptet der Erneuerungswerber eine Verletzung von Art 6 Abs 1 EMRK, weil das zur Urteilsbegründung herangezogene Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen DDr. Johann N***** auch auf Unterlagen beruhe, die dieser im Rahmen der Befundaufnahme unter dem Eindruck seiner Amtsstellung vom Steuerberater des Angeklagten, der nicht von seiner beruflichen Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden worden sei, erhalten habe. Das Gericht habe solcherart ein „nichtiges Beweismittel“ verwendet.
Darüber hinaus stützt Mag. Simon F***** seinen Antrag darauf, dass der genannte Sachverständige aufgrund des Gebrauchs eines rechtswidrig erlangten Beweismittels befangen sei.
Rechtliche Beurteilung
Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 EMRK sinngemäß (RIS Justiz RS0122737).
Dem Erfordernis der Ausschöpfung des Rechtswegs wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; RIS Justiz RS0122737 [T13]).
Im Umfang der geltend gemachten Verwendung eines „nichtigen Beweismittels“ erweist sich der Antrag schon deshalb als unzulässig, weil er sich überwiegend darin erschöpft, die bereits in der Nichtigkeitsbeschwerde erfolglos vorgetragenen Argumente gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu wiederholen. Dies hat zur Folge, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall EMRK nicht erfüllt ist, weil der Antrag insoweit „im Wesentlichen“ mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde“, nämlich der Nichtigkeitsbeschwerde übereinstimmt (RIS Justiz RS0122737).
Soweit der Antragsteller inhaltlich auch die in dieser Strafsache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kritisiert, verkennt er, dass diese ohne vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht Gegenstand des Erneuerungsantrags ist (erneut RIS Justiz RS0122737 [T23 und T 39]).
In Ansehung der geltend gemachten Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen übergeht der Erneuerungswerber, dass er im Verfahren in erster Instanz weder prozessordnungskonform die Enthebung des Sachverständigen wegen Befangenheit beantragt oder aus diesem Grund gegen die Bestellung des Sachverständigen einen substantiierten Widerspruch erhoben hätte, noch in der Folge im Rechtsmittelverfahren eine daraus resultierende Verletzung seiner Verteidigungsrechte (aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO) gerügt hat. Solcherart mangelt es an der horizontalen Erschöpfung des Rechtswegs.
Vielmehr erhob Mag. Simon F***** in der Hauptverhandlung vom ausdrücklich keinen Einwand mehr gegen die Bestellung des Sachverständigen DDr. Johann N***** und zog darüber hinaus den Antrag auf Beiziehung eines neuen Sachverständigen zurück (PS 5). Der Einwand, der Sachverständige sei als verlängerter Arm der Ermittlungsbehörden tätig gewesen und es sei so die berufliche Verschwiegenheitsverpflichtung des Steuerberaters umgangen worden, bezog sich ausschließlich auf das wie erwähnt bereits in der Nichtigkeitsbeschwerde erfolglos geltend gemachte Vorliegen eines nichtigen Vorerhebungsakts (PS 23 f).
Der solcherart unzulässige Erneuerungsantrag war daher gemäß § 363b Abs 1 und 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (RIS Justiz RS0128394).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00108.16Y.1104.000
Fundstelle(n):
KAAAD-77809