OGH vom 10.10.1994, 10Ob526/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Klaus K*****, Facharzt, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger und Dr.Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Univ.Prof. Dr.Lutz S*****, ***** vertreten durch Dr.Peter Semlitsch und Dr.Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen S 62.964 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 5 R 460/93-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom , GZ 3 C 1103/92a-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß :
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrt für durchgeführte Zahnbehandlungen des am geborenen ehelichen Sohnes der beklagten Partei einen Betrag von S 62.964. Ihren Anspruch begründet die klagende Partei auf den von der Ehefrau der beklagten Partei im Namen und auf Rechnung des Beklagten abgeschlossenen Behandlungsvertrag. Hilfsweise stützt sie ihr Begehren auf einen Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB, weil die beklagte Partei für ihren ehelichen Sohn Unterhaltspflichten treffen, die Zahnbehandlung ein notwendiger und nützlicher Aufwand gewesen sei.
Die beklagte Partei bestritt das Vorbringen und beantragte die Klageabweisung. Ein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen sei nicht zustande gekommen. Der von der Ehefrau erteilte Auftrag sei nicht im Rahmen der Schlüsselgewalt erteilt worden. Ein Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB bestehe nicht.
Das Erstgericht traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Kläger habe für den Sohn des Beklagten in der Zeit vom bis Behandlungsleistungen im Gegenwert von S 27.480 und in der Zeit vom bis solche mit einer Behandlungssumme von S 35.484 erbracht. Die Leistungen seien angemessen in Rechnung gestellt worden. Der Sohn des Beklagten sei mit seiner Mutter zum Kläger gekommen. Die Mutter habe mit ihm ein Gespräch geführt, daß aufgrund einer Vereinbarung mit dem Beklagten ein Behandlungsauftrag erteilt werde, wobei sich der Beklagte verpflichtet habe, die Kosten dieser Behandlung zu zahlen. Der Kläger sei ersucht worden, die Rechnungen direkt an den Beklagten zu übermitteln. Der Beklagte lebe mit seiner Gattin im gemeinsamen Haushalt. Diese beziehe ein eigenes Einkommen als Pharmareferentin in der Höhe von S 30.000 netto monatlich. Der Beklagte sei Universitätsprofessor. Der Beklagte habe telefonisch erklärt, nicht bereit zu sein, die Rechnungen zu bezahlen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Rechtlich habe der Kläger aufgrund der gesellschaftlich und wirtschaftlich gehobenen Stellung der Kindeseltern annehmen können, daß die Beauftragung im Rahmen der Schlüsselgewalt erfolge und habe auf den äußeren Tatbestand der zwischen des Kindeseltern bestehenden Vereinbarung über die Tragung der Behandlungskosten durch den Beklagten vertrauen dürfen. Als Unterhaltspflichtiger habe der Beklagte die unbestrittenerweise erbrachten zahnärztlichen Leistungen zu ersetzen.
Der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei gab das Gericht zweiter Instanz unter Übernahme sämtlicher Feststellungen des Estgerichtes Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Krankheitskosten seien nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften für den gemeinsamen Haushalt, sondern seien Leistungen von Unterhalt durch Dritte, die einen Anspruch nach § 1042 ABGB begründen können. Der Behandlungsauftrag bilde daher nicht ein Rechtsgeschäft im Rahmen der Schlüsselgewalt der Ehegattin. Ein Anspruch nach § 1042 ABGB bestehe nicht, weil diese Gesetzesbestimmung nicht anzuwenden sei, wenn der Aufwand durch ein Vertragsverhältnis zwischen dem Aufwendenden und dem Empfänger gerechtfertigt gewesen sei. Die unstrittige Beauftragung des Klägers durch die Ehegattin des Beklagten sei ein derartiges Vertragsverhältnis.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die richtig zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über den Anwendungsausschluß des § 1042 ABGB bei Vorliegen eines Vertragsverhältnisses auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet wurde (8 Ob 621/91) und berechtigt.
Der Revisionswerber bestreitet gar nicht, daß der Beklagte selbst keinen für die Annahme einer Anscheinsvollmacht des Beklagten erforderlichen äußeren Tatbestand setzte, der beim Kläger die Überzeugung vom Vorhandensein der Bevollmächtigung der Gattin des Beklagten zur Erteilung des Behandlungsauftrages begründet hätte (Koziol-Welser, Grundriß9 I 171; HS 14.780, 16.741; WBl 1990, 247; JBl 1991, 517, NZ 1992, 107; WoBl 1992/88; ecolex 1994, 15 ua). Hätte der Kläger dennoch auf die Richtigkeit der Erklärung der Gattin des Beklagten, die sich auf eine Vereinbarung mit dem Beklagten und dessen Verpflichtung zur Kostentragung berief, vertraut, hätte er auf eigene Gefahr gehandelt, ohne daß eine Bindung des scheinbar Vertretenen herbeigeführt hätte werden können (Strasser in Rummel ABGB2 §§ 1016, 1017 Rz 7; SZ 54/46, 1 Ob 563/93). Vom Vorliegen einer Anscheinsvollmacht ist daher nicht auszugehen.
Die Auftragserteilung durch die Gattin des Beklagten begründete aber auch keine Verpflichtung im Rahmen der "Schlüsselgewalt" des § 96 erster Satz ABGB. Die Schlüsselgewalt steht nur dem Gatten zu, der den gemeinsamen Haushalt führt, der keine Einkünfte bezieht und soweit es sich objektiv um ein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens für den gemeinsamen Haushalt handelt und darüber hinaus dem Dritten ein Handeln in diesem Rahmen erkennbar ist (Steiner, Zahlungsansprüche aus ärztlicher Behandlung JBl 1975, 406 [409 f], Pichler in Rummel ABGB2 Rz 2, 3 zu § 96; Rummel, Die Schlüsselgewalt nach neuem österreichischen Recht JBl 1976, 136 [137 f]; Koziol, Entschuldbare Fehlleistungen des Gesetzgebers JBl 1976, 170; 3 Ob 542/84).
Unabhängig davon, ob der Zahnbehandlungsauftrag für den minderjährigen Sohn bei den anzunehmenden gehobenen Verhältnissen der Eltern zu den Rechtsgeschäften des gemeinsamen Haushalts zu zählen ist (Steiner aaO 409, JBl 1970,426; aM Pichler in Rummel aaO Rz 3 mwN) scheidet ein Rechtsgeschäft im Rahmen der Schlüsselgewalt schon deshalb aus, weil beide Ehegatten eigene Einkünfte haben und der Verdienst der Gattin des Beklagten bei S 30.000 netto monatlich nicht geringfügig ist (Pichler in Rummel aaO Rz 2; Koziol aaO 170; Rummel aaO 137). Diese Verhältnisse waren dem Kläger insofern bekannt, als er bisher die Zahnarztkosten der Gattin des Beklagten selbst in Rechnung gestellt hat.
Die Unanwendbarkeit des § 96 ABGB ergibt sich aber auch daraus, daß die Gattin des Beklagten sich bei der Auftragserteilung ausdrücklich auf eine Vereinbarung mit dem Beklagten und seine Verpflichtung zur Kostentragung berief. Mit dieser Erklärung legte sie nach allgemeinen Stellvertreterregeln offen, nur für den Beklagten, damit aber nicht für den Minderjährigen im Rahmen einer erteilten Vollmacht kontrahieren und keine eigenen auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärungen abgeben zu wollen. Ein sonst im Zweifel anzunehmendes Eigengeschäft der Gattin des Beklagten liegt daher auch nicht vor (WBl 1987, 309).
Es ist somit das allgemeine durch die Regeln des § 96 ABGB nicht außer Kraft gesetzte Stellvertreterrecht heranzuziehen (Rummel aaO 139 f; Koziol aaO 170;1 Ob 652/82, 3 Ob 542/84), weshalb noch die Frage zu klären ist, ob die Gattin des Beklagten im Rahmen einer ausdrücklichen Vollmachtserteilung durch den Beklagten gehandelt hat. Dazu liegen bisher keine Feststellungen vor.
Fehlt die noch ungeklärte ausdrückliche Bevollmächtigung zu diesem Rechtsgeschäft, dann ist ein vertragliches Rechtsverhältnis als Rechtsgrund für die Forderung des Klägers auszuschließen. Die nicht im Rahmen eines gültigen Vertragsverhältnisses stattgefundene Vermögensverschiebung rechtfertigt es dann aber, auf den Anspruch des Klägers § 1042 ABGB anzuwenden (Stanzl in Klang2 IV/1, 932;
Koziol-Welser aaO 416; Steiner aaO 406; EvBl 1959/347; EvBl 1964/222;
WBl 1989, 345; JBl 1991, 127).
Der Verwendungsanspruch besteht aber nur für den den Unterhaltsanspruch des Kindes betreffenden Zahnsanierungsaufwand im Rahmen der den Unterschuldner nach dem Gesetz, sohin nach § 140 ABGB treffenden Unterhaltspflicht zum Zeitpunkt des Aufwandes (Stanzl in Klang aaO 932; Koziol-Welser aaO 416; Steiner in JBl 1975, 406; EFSlg 43.477, 56.929). Die Feststellung des Ausmaßes der Unterhaltspflicht des Beklagten ist eine im Rahmen eines Ersatzanspruches nach § 1042 ABGB selbständig zu prüfende Vorfrage (EFSlg 33.715; SZ 59/19). Die Unterhaltspflicht des Beklagten beschränkt den Anspruch des Klägers sowohl zeitlich als auch inhaltlich, so daß es darauf ankommt, in welchem Ausmaß der Beklagte während der Zeit der Behandlungsleistungen des Klägers im Rahmen des § 140 ABGB selbst unterhaltspflichtig war (EFSlg 43.477, EFSlg 56.929). Der Unterhaltsanspruch des Kindes umfaßt dessen gesamten Lebensaufwand (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 4 mwN). Auch ärztlicher Behandlungsaufwand gehört hiezu (Steiner aaO 409 mwN) und könnte als ein die Gesundheit des Kindes betreffender Bedarf deckungspflichtig sein (EFSlg 61.849). Ob und inwieweit dieser Unterhaltsbedarf des Kindes bestand und im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Beklagten zu ersetzen ist (EFSlg 61.850 = SZ 63/121), wird daher im fortzusetzenden Verfahren ebenfalls zu prüfen sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.