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OGH vom 22.10.1996, 10ObS2365/96h

OGH vom 22.10.1996, 10ObS2365/96h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Dr.Ernst Oder (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Land Wien als Sozialhilfeträger, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, 1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Paul Bachmann, Dr.Eva-Maria Bachmann und Dr.Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ersatzes von Pflegegebühren, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 81/96z-49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 2 Cgs 147/93h-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem klagenden Sozialhilfeträger die für Alfred Christian R***** und Dieter R***** (beides Kinder des versicherten Alfred R*****) aufgelaufenen Pflege- und Transportgebühren im gesetzlichen bzw vertragsmäßigen Ausmaß binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar hinsichtlich des Erstgenannten für die Zeit von bis und hinsichtlich des Zweitgenannten für die Zeit vom bis und vom 23.1. bis . Es gelangte zu dem Ergebnis, daß die Anstaltspflege der beiden Kinder durch die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung bedingt gewesen sei, weshalb keine Asylierung vorliege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Sowie das Erstgericht hegte es keinen Zweifel daran, daß es sich bei den Betroffenen um zwei schwerkranke Kinder handle, deren Zustand nur durch eine stationäre Krankenbehandlung habe gebessert werden können. Es liege daher kein Fall einer Asylierung vor, weshalb die Beklagte kostenersatzpflichtig sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handle, auch wenn die zu klärenden Beweisfragen überwogen hätten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 46 Abs 1 ASGG ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 45 Abs 1 ASGG nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO). Die vorliegende Sozialrechtssache betrifft eine Rechtsstreitigkeit über Ersatzansprüche eines Trägers der Sozialhilfe im Sinne des § 354 Z 3 ASVG und somit eine Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 3 ASGG. Dabei handelt es sich nicht um ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen im Sinne des § 46 Abs 3 Z 3 ASGG, in dem die Revision auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 zulässig wäre (vergleichbar dem Begehren auf Rückersatz zu Unrecht empfangener Versicherungsleistungen, SSV-NF 2/1, 3/12, 5/77; dem Abfindungsbetrag nach § 269 ASVG, SSV-NF 1/53, dem Anspruch auf kapitalisierte Verzugszinsen, SSV-NF 8/51 oder auf Ersatz der Kosten einer Anstaltspflege, SSV-NF 3/153) oder von Fahrtkosten nach § 135 ASVG, SSV-NF 5/21, sowie Integritätsabgeltung, SSV-NF 8/1).

Nach § 95 Abs 1 GSVG ist Anstaltspflege in Krankenanstalten als Pflichtleistung ohne zeitliche Begrenzung zu gewähren, wenn und solange es die Krankheit erfordert. Nach § 95 Abs 3 GSVG wird die Anstaltspflege nicht gewährt, wenn sie nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt ist (Asylierung). Ein Behandlungsfall liegt nach der Rechtsprechung des Senates dann vor, wenn prognostisch festgestellt werden kann, daß das beim Versicherten bestehende Leiden durch eine Behandlung besserungsfähig oder die Behandlung wenigstens geeignet ist, eine Verschlechterung des Zustandes hintanzuhalten. Hingegen liegt ein Asylierungs- oder Pflegefall dann vor, wenn ein Krankenhausaufenthalt nur die fehlende häusliche Pflege und Obsorge ersetzt und nicht mehr einer erfolgversprechenden Behandlung der Krankheit dient (ausführlich SZ 64/173 = SSV-NF 5/134; vgl auch SSV-NF 7/47, 9/65; 10 Ob S 311/91, 10 Ob S 49/92).

Die Beklagte führt in ihrer Revision aus, die Notwendigkeit der stationären Anstaltspflege erscheine nach wie vor als "zweifelhaft". Nach ihrer Ansicht würden die festgestellten Behandlungsmaßnahmen keineswegs die Notwendigkeit einer stationären Anstaltspflege bedingen. Es handle sich nicht um ein krankhaftes Geschehen, sondern um bloße Erscheinungen aus dem Bereich der Verhaltensstörungen, deren Auftreten nur situations- und emotionsbedingt, nicht aber krankheitsbedingt gewesen sei. Im Gegensatz dazu haben die Tatsacheninstanzen festgestellt, daß die Krankheit der beiden Kinder nur durch eine stationäre Krankenbehandlung gebessert werden konnte.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG ist bei diesem Sachverhalt nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht dargetan. Ob eine Anstaltspflege durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt ist, kann jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt im allgemeinen - wie auch im konkreten Fall - keine erhebliche Rechtsfrage dar. Die Auffassung der Vorinstanzen beruht auch nicht auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage oder einer unvertretbaren Auslegung, die im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit korrigiert werden müßte, sondern entspricht der oben zitierten ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Die Kasuistik des Einzelfalles schließt eine richtungsweisende (beispielgebende) Entscheidung aus.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage war daher die Revision zurückzuweisen. Nach § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision mangels erheblicher Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.