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OGH vom 21.01.1988, 13Os121/87

OGH vom 21.01.1988, 13Os121/87

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerd H*** wegen des Vergehens der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole nach § 248 Abs 2 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom , GZ. 20 e Vr 10.410/81-53, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Blume zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Zahl der Tagessätzte unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB. auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ. 9 b E Vr 1122/87-14, auf 260 (zweihundertsechzig), für den Fall der Uneinbringlichkeit 130 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, erhöht wird. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gerd H*** wurde, folgend dem Wahrspruch der Geschwornen, des Vergehens der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole nach § 248 Abs 2 StGB. schuldig erkannt, weil er im Jahr 1981 durch die in seinem Buch "Lüge, wo ist dein Sieg - Dichtung eines österreichischen Dissidenten" abgedruckten Textstellen: "Selbst die Hymne des Staates ist bestellt und erlogen" und "Besser als eure Bundeshymne ist jeder Fluch" auf eine Art, daß die Tat einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, die Bundeshymne in gehässiger Weise verächtlich gemacht hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z. 6, 8 und 11 lit a StPO. geltend.

In der Rechtsrüge verweist der Angeklagte auf die Tatsache, daß die Bundeshymne nicht durch (Verfassungs-) Gesetz, sondern nur durch in der Wiener Zeitung (, und ) verlautbarte Ministerratsbeschlüsse mit der Melodie und dem Text festgelegt worden sei. Es gebe daher kein Tatobjekt "Bundeshymne".

§ 248 Abs 2 StGB. zählt zu den geschützten Staatssymbolen ausdrücklich die Bundeshymne. Auf welche Art und Weise ein bestimmter Text samt Melodie zur Hymne geworden ist, ist strafrechtlich ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist anläßlich der Schaffung der Vorgängerbestimmung, nämlich des § 299 a StG. mit dem StrafrechtsänderungsG. 1965 BGBl. Nr. 79, und wiederum bei der Formulierung des § 248 Abs 2 StGB. schlicht vom Vorhandensein und vom Gebrauch der Bundeshymne (seit 1947) als von einer Tatsache (wie bei zahllosen anderen strafrechtlich geschützten Gütern) ausgegangen (vgl. etwa den strafrechtlichen Schutz des wie auch immer begründeten Besitzes). Damit kann es sein Bewenden haben. Die Tatsache, daß sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs die Fahne der Republik und deren Wappen, nicht aber die Bundeshymne verfassungsgesetzlich umschrieben worden sind (Art. 8 a B.-VG. i.d.F. des BVG. BGBl. Nr. 350/1981), ändert an dem verfassungsmäßig zustandegekommenen Willensakt des Strafgesetzgebers nichts.

Als Mangel der Fragestellung (Z. 6) rügt der Beschwerdeführer, daß keine Zusatzfrage nach dem Rechtfertigungsgrund der Ausübung der Kunst (Art. 17 a Staatsgrundgesetz i.d.F.d. BGBl. Nr. 262/1982) gestellt worden ist. Auch dieser Einwand versagt. Der Umstand allein, daß der Angeklagte sich als "Dichter" bezeichnet (S. 311), indiziert noch kein künstlerisches Schaffen in bezug auf die inkriminierten Textstellen. Vielmehr beschränken sich diese inhaltlich des Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung und nach dem Wahrspruch auf eine Verächtlichmachung der Bundeshymne in gehässiger Weise, somit auf ein ausdrücklich als strafbar erklärtes Verhalten im Rahmen einer politischen Streitschrift. Damit ist aber das ganze Buch infolge seiner vorwiegenden Tendenz nicht als Kunstwerk, sondern als ein Instrument der politischen Agitation zu beurteilen. Darnach fehlt das gemäß § 313 StPO. für eine Zusatzfrage erforderliche - künstlerische - Tatsachensubstrat.

Eine unrichtige Rechtsbelehrung (Z. 8) ist nicht gegeben, weil die (seit dem Jahr 1947 als solche allgemein anerkannte - siehe oben) Bundeshymne zutreffend als ein Objekt des Vergehens nach § 248 Abs 2 StGB. bezeichnet wurde. Zum weiteren Beschwerdeeinwand einer fehlenden Rechtsbelehrung betreffend nicht gestellte Fragen genügt ein Hinweis auf § 321 Abs 2 StPO.: War eine Zusatzfrage nicht gestellt, so bestand auch für deren Erläuterung keine gesetzliche Handhabe.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte nach § 248 Abs 2 StGB. eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen (75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), der einzelne Tagessatz wurde mit 130 S bemessen. Als erschwerend fiel kein Umstand ins Gewicht, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte seit der Tat (1981) nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft begehrt die Verhängung einer Freiheitsstrafe. Dieses Verlangen schließt den Antrag auf Verschärfung des geringeren Strafübels, nämlich der Geldstrafe der Sache nach ein. Insoweit ist die Anklagebehörde im Recht. Beruhen doch die zum Teil empfindlichen Vorstrafen des Angeklagten durchaus auf derselben schädlichen Neigung, wurzeln im gleichen verwerflichen Beweggrund (§ 71 StGB.), nämlich einer verfestigten nationalsozialistischen Einstellung des Rechtsbrechers und erweisen so die nun abermals manifest gewordene gehässige Ablehnung des österreichischen Staatswesens.

Wenngleich das lange Zurückliegen der Tat im vorliegenden Fall die Verhängung einer Freiheitsstrafe noch nicht zwingend macht, so ist doch die Geldstrafendrohung des § 248 Abs 2 StGB. bei diesem Tätertyp bis zum Höchstmaß auszuschöpfen. Daraus errechnet sich unter Bedachtnahme auf das im Spruch gemäß § 31 StGB. berücksichtigte Urteil (Vergehen nach § 115 StGB.: 100 Tagessätze), die hier zu verhängende Strafe zufolge der Vorschrift des § 40 StGB. mit 260 Tagessätzen, denen gemäß § 19 Abs 3 StGB. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 130 Tagen entspricht. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes blieb unverändert.