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VfGH vom 23.06.2010, B1048/09

VfGH vom 23.06.2010, B1048/09

19112

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Zurückweisung einer Beschwerde durch die Datenschutzkommission; Verneinung der Zuständigkeit zu Recht; Behandlung von parlamentarischen Anfragen iSd Geschäftsordnung des Nationalrates sowie Veröffentlichung der Anfragen auf der Parlaments-Homepage kein Verwaltungshandeln sondern Akte der Gesetzgebung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schriftsatz vom wandte sich der

Beschwerdeführer, (damaliger) stellvertretender Leiter des Abwehramtes, an die Datenschutzkommission (im Folgenden: DSK) iZm der im Jahr 2008 erfolgten Veröffentlichung mehrerer, verschiedene Vorgänge im Abwehramt betreffende parlamentarischer Anfragen eines bestimmten Abgeordneten zum Nationalrat auf der Internetseite des Parlaments (www.parlament.gv.at), in denen der Beschwerdeführer (zunächst) mit vollem Namen genannt worden sei. Diese schriftlichen Anfragen würden Tatsachen und Behauptungen enthalten, die eindeutig erkennbare Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers und seiner Familie sowie des Abwehramtes verletzten und weitgehend "objektiv unrichtig" seien. Auf Grund eines an die Präsidentin des Nationalrates herangetragenen Ersuchens des Beschwerdeführers seien die Veröffentlichungen schließlich anonymisiert worden. Im Jahr 2009 seien neuerlich Anfragen desselben Abgeordneten auf der Internetseite iZm dieser Anonymisierung veröffentlicht worden. Da die Publizierungen der parlamentarischen Anfragen als Akte der Gesetzgebung iSd § 1 Abs 5 Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000) von der Entscheidungsbefugnis der DSK ausgenommen seien, bestehe keine Möglichkeit, den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Anspruch auf Geheimhaltung solcher personenbezogener Daten durchzusetzen. Auf Grund dieses Rechtsschutzdefizits beantragte der Beschwerdeführer bei der DSK, "über die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Datenschutz gemäß § 1 Abs 1 DSG 2000 aufgrund der nicht anonymisierten Veröffentlichung der parlamentarischen Anfragen (...) auf der Internetseite www.parlament.gv.at bescheidmäßig abzusprechen".

2. Mit Bescheid vom wies die DSK diese - als Beschwerde gegen die Parlamentsdirektion in Wien (gemeint wohl: die Präsidentin des Nationalrates) behandelte - Eingabe wegen Unzuständigkeit zurück, da es sich bei den relevanten Veröffentlichungen um Akte der Gesetzgebung handle, die gemäß § 1 Abs 5 iVm § 31 Abs 2 DSG 2000 von der Entscheidungsbefugnis der DSK ausgenommen seien.

3. In der dagegen gemäß Art 144 B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Datenschutz und auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

Im Kern bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei bei der Zuordnung der Veröffentlichungen zum Bereich "Gesetzgebung" iSd § 1 Abs 5 DSG 2000 zu Unrecht ausschließlich von formell-organisatorischen Aspekten ausgegangen, weil diese Zurechnung - dem Willen des Gesetzgebers zufolge - nach funktionalen Gesichtspunkten zu erfolgen habe. Der Präsident des Nationalrates sei gemäß Art 30 Abs 6 B-VG bei Vollziehung der ihm nach Art 30 B-VG zustehenden Verwaltungsangelegenheiten oberstes Verwaltungsorgan, dem gemäß Art 30 Abs 3 B-VG die Parlamentsdirektion unterstehe, die zur Unterstützung der parlamentarischen Aufgaben und zur Besorgung der Verwaltungsangelegenheiten (u.a.) im Bereich der Organe der Gesetzgebung des Bundes berufen sei. Parlamentarische Hilfsgeschäfte seien im funktionellen Sinn der Verwaltung zuzuordnen, der Präsident des Nationalrates werde in Bezug auf Verwaltungsangelegenheiten funktionell als Verwaltungsorgan tätig. Die Veröffentlichung parlamentarischer Anfragen sei eine administrative Aufgabe. Auch unterscheide die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-RL) nicht nach Staatsfunktionen. Bei einer funktionalen Auslegung des Begriffs "Organ der Gesetzgebung" sei zu berücksichtigen, dass in der Bundesverfassung selbst vorgesehen sei, wie weit die Staatsfunktion Verwaltung inhaltlich reichen solle, zumal die Bundesverfassung von an andere Staatsfunktionen "angelagerte" Verwaltungsangelegenheiten ausgehe, so hinsichtlich der Parlamentsverwaltung in Art 30 Abs 3, 4 und 6 B-VG (ferner etwa in Bezug auf die Volksanwaltschaft in Art 148h Abs 1 und 2 B-VG). Überdies entstehe zufolge der "unrichtige[n] Interpretation von § 31 Abs 2 DSG 2000" seitens der belangten Behörde ein schwerwiegendes Rechtsschutzdefizit; folge man der Auffassung der DSK, habe der Beschwerdeführer keine Möglichkeit, gegen Verletzungen des Rechts auf Geheimhaltung personenbezogener Daten durch Veröffentlichungen der vorliegenden Art vorzugehen.

4. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Ablehnung der Beschwerdebehandlung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

5. Die Parlamentsdirektion gab über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme ab, in der insbesondere auf die internen Abläufe bei Veröffentlichung parlamentarischer Anfragen auf der Internetseite und den Umgang mit damit im Zusammenhang stehenden Anträgen bzw. Beschwerden eingegangen wurde.

II. Zur Rechtslage:

1. Die maßgeblichen Vorschriften des DSG 2000 (BGBl. I 165/1999 idF vor der DSG-Novelle 2010, BGBl. I 133/2009) lauten auszugsweise:

"Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

Grundrecht auf Datenschutz

§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen

1. ...

2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs 3 sind nur unter den in Abs 2 genannten Voraussetzungen zulässig.

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.

...

Beschwerde an die Datenschutzkommission

§31. (1) Die Datenschutzkommission erkennt auf Antrag des Betroffenen über behauptete Verletzungen des Rechtes auf Auskunft gemäß § 26 durch den Auftraggeber einer Datenanwendung, soweit sich das Auskunftsbegehren nicht auf die Verwendung von Daten für Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit bezieht.

(2) Zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der Rechte eines Betroffenen auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung nach diesem Bundesgesetz ist die Datenschutzkommission dann zuständig, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, der nicht als Organ der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit tätig ist.

(3) - (4) ...

...

Verwaltungsangelegenheiten gemäß Art 30 B-VG

§ 56. Der Präsident des Nationalrats ist Auftraggeber jener Datenanwendungen, die für Zwecke der ihm gemäß Art 30 B-VG übertragenen Angelegenheiten durchgeführt werden. Übermittlungen von Daten aus solchen Datenanwendungen dürfen nur über Auftrag des Präsidenten des Nationalrats vorgenommen werden. Der Präsident trifft Vorsorge dafür, daß im Falle eines Übermittlungsauftrags die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 vorliegen und insbesondere die Zustimmung des Betroffenen in jenen Fällen eingeholt wird, in welchen dies gemäß § 7 Abs 2 mangels einer anderen Rechtsgrundlage für die Übermittlung notwendig ist."

Nach den Erläut. zur RV 1613 BlgNR 20. GP zu § 31 DSG 2000 (Stammfassung, BGBl. I 165/1999) ist die Zurechnung eines Aktes zur Gerichtsbarkeit bzw. Gesetzgebung "nach funktionalen Gesichtspunkten vorzunehmen".

2. Das mit "Gesetzgebung des Bundes" überschriebene zweite Hauptstück des B-VG behandelt im Abschnitt A. (Art24 bis 33) den Nationalrat sowie im Abschnitt E. (Art50 bis 55) die Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes.

Die Art 30, 32, 33 und 52 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. 1/1930 (WV) idF BGBl. I 27/2007, lauten auszugsweise:

"Artikel 30. (1) Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und dritten Präsidenten.

(2) ...

(3) Zur Unterstützung der parlamentarischen Aufgaben und zur Besorgung der Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Organe der Gesetzgebung des Bundes sowie gleichartiger Aufgaben und Verwaltungsangelegenheiten, die die in Österreich gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments betreffen, ist die Parlamentsdirektion berufen, die dem Präsidenten des Nationalrates untersteht. ...

(4) - (5) ...

(6) Bei der Vollziehung der nach diesem Artikel dem Präsidenten des Nationalrates zustehenden Verwaltungsangelegenheiten ist dieser oberstes Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus. ..."

"Artikel 32. (1) Die Sitzungen des Nationalrates sind öffentlich.

(2) Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, wenn es vom Vorsitzenden oder von der im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates festgesetzten Anzahl der Mitglieder verlangt und vom Nationalrat nach Entfernung der Zuhörer beschlossen wird."

"Artikel 33. Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrates und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortung frei."

"Artikel 52. (1) Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

(1a) Die zuständigen Ausschüsse des Nationalrates und des Bundesrates sind befugt, die Anwesenheit des Leiters eines gemäß Art 20 Abs 2 weisungsfreien Organs in den Sitzungen der Ausschüsse zu verlangen und diesen zu allen Gegenständen der Geschäftsführung zu befragen.

(2) ...

(3) Jedes Mitglied des Nationalrates und des Bundesrates ist befugt, in den Sitzungen des Nationalrates oder des Bundesrates kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu richten.

(4) Die nähere Regelung hinsichtlich des Fragerechtes wird durch das Bundesgesetz, betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates, sowie durch die Geschäftsordnung des Bundesrates getroffen."

3. Die relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes vom über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975; im Folgenden: GOG-NR), BGBl. 410/1975 idF BGBl. I 31/2009, haben folgenden (auszugsweise wiedergegebenen) Wortlaut:

"III. Aufgaben der Präsidenten, Schriftführer und Ordner

§13. (1) Der Präsident wacht darüber, daß die Würde und die Rechte des Nationalrates gewahrt, die dem Nationalrat obliegenden Aufgaben erfüllt und die Verhandlungen mit Vermeidung jedes unnötigen Aufschubes durchgeführt werden.

(2) - (5) ...

(6) Der Präsident hat das Recht der Entgegennahme wie auch der Zuteilung aller an den Nationalrat gelangenden Schriftstücke. Ihm obliegt die Vertretung des Nationalrates und seiner Ausschüsse nach außen einschließlich der Wahrnehmung internationaler parlamentarischer Beziehungen.

(7) ...

§14. (1) Der Präsident übt das Hausrecht in den Parlamentsgebäuden aus und erläßt nach Beratung in der Präsidialkonferenz die Hausordnung.

(2) ...

(3) Dem Präsidenten des Nationalrates stehen insbesondere auch die Ernennung der Bediensteten der Parlamentsdirektion und alle übrigen Befugnisse in Personalangelegenheiten dieser Bediensteten zu.

(4) ...

(5) Bei der Vollziehung der dem Präsidenten des Nationalrates nach Art 30 B-VG zustehenden Verwaltungsangelegenheiten ist dieser oberstes Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus. ...

(6) Dem Präsidenten obliegt die Vorsorge für den Stenographendienst und allfällige andere Aufnahmen von den Verhandlungen (Ton- und Bildaufnahmen).

(7) Am Beginn jeder Gesetzgebungsperiode und nach größeren Veränderungen auch während einer solchen veranlaßt der Präsident die Herausgabe einer Liste der Abgeordneten durch die Parlamentsdirektion. Diese Liste hat neben dem Namen des jeweiligen Abgeordneten folgende Angaben zu enthalten: in welchem Wahlkreis (Wahlkreisverband) er gewählt wurde, welchem Klub er angehört und schließlich seine Wohn- beziehungsweise Postanschrift. ...

(8) Andere Veröffentlichungen sind dem Präsidenten anheimgestellt, wobei er einen Beschluß des Nationalrates einholen kann.

...

V. Gegenstände der Verhandlung

§21. (1) - (2) ...

(3) Ferner sind Gegenstände der Verhandlung des Nationalrates:

...

Anfragen und Anfragebeantwortungen;

...

(4) ...

§ 22. Die im § 21 angeführten Gegenstände der Verhandlung mit Ausnahme der Petitionen und Bürgerinitiativen gelten als Bestandteile der Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrates (Art33 B-VG). ...

§23. (1) Nach Einlangen von Vorlagen der Bundesregierung, Gesetzesanträgen des Bundesrates, Volksbegehren, Einsprüchen des Bundesrates, Stenographischen Protokollen über parlamentarische Enqueten, Berichten von Enquete-Kommissionen, Berichten der Bundesregierung und ihrer Mitglieder, Berichten des Rechnungshofes beziehungsweise Bundesrechnungsabschlüssen, Berichten der Volksanwaltschaft sowie schriftlichen Anfragen und schriftlichen Anfragebeantwortungen verfügt der Präsident deren Vervielfältigung sowie Verteilung an die Abgeordneten. ...

(2) - (4) ...

...

VIII. Tagungen und Sitzungen des Nationalrates

...

§52. (1) Über die öffentlichen Sitzungen des Nationalrates werden Stenographische Protokolle verfaßt und gedruckt herausgegeben; diese haben die Verhandlungen vollständig wiederzugeben.

(2) Jeder Redner erhält vor der Drucklegung seiner Ausführungen für einen Zeitraum von längstens 24 Stunden eine Niederschrift der stenographischen Aufzeichnungen zwecks Vornahme stilistischer Korrekturen. Im Zweifelsfall entscheidet der Präsident über deren Zulässigkeit. Werden keine Einwendungen erhoben oder erfolgt keine Rückgabe innerhalb der erwähnten Korrekturfrist, wird die Niederschrift in Druck gelegt.

(3) Jedes Stenographische Protokoll hat die in der Sitzung beziehungsweise seit der letzten Sitzung eingelangten Verhandlungsgegenstände zu verzeichnen.

(4) Die im § 21 Abs 1 und 2 angeführten Verhandlungsgegenstände

... werden als Beilagen zu den Stenographischen Protokollen

herausgegeben. Dasselbe gilt für die schriftlichen Anfragen und Anfragebeantwortungen sowie die Berichte der Ausschüsse beziehungsweise Minderheitsberichte.

(5) Wurde von der Vervielfältigung und Verteilung von Verhandlungsgegenständen oder Teilen von solchen Abstand genommen (§23 Abs 2), so ist auch von deren Herausgabe als Beilagen zu den Stenographischen Protokollen abzusehen.

...

XIII. Anfragen

§89. (1) Jedem Abgeordneten steht das Recht zu, an den Präsidenten des Nationalrates und an die Obmänner der Ausschüsse schriftliche Anfragen zu richten.

(2) Der Befragte hat schriftlich zu antworten. Ist dem Befragten eine Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich, so hat er dies in der Beantwortung zu begründen.

§ 90. Der Nationalrat ist befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Diesem Fragerecht unterliegen insbesondere Regierungsakte sowie Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten.

§91. (1) Anfragen, die ein Abgeordneter innerhalb einer Tagung an die Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder richten will, sind dem Präsidenten schriftlich mit mindestens vier Abschriften zu übergeben. Sie müssen mit den eigenhändig beigesetzten Unterschriften von wenigstens fünf Abgeordneten, den Fragesteller eingeschlossen, versehen sein und sind dem Befragten durch die Parlamentsdirektion mitzuteilen.

(2) Fragesteller können ihre Anfragen schriftlich bis zum Einlangen der Beantwortung beim Präsidenten zurückziehen. Der Präsident teilt dies in der nächstfolgenden Sitzung dem Nationalrat mit und veranlaßt die Verständigung des befragten Regierungsmitgliedes.

(3) - (4) ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass der vorliegenden Beschwerde (insbesondere unter Berücksichtigung des Prinzips der Gewaltentrennung) auch nicht entstanden.

2. Die Beschwerde an die DSK richtete sich gegen die Veröffentlichung parlamentarischer Anfragen im Internet.

Hiebei handelte es sich nach dem Beschwerdevorbringen zum einen um schriftliche Anfragen eines bestimmten Abgeordneten zum Nationalrat an (jeweils) ein Mitglied der Bundesregierung gemäß §§90, 91 GOG-NR (iVm Art 52 B-VG), zum anderen um schriftliche Anfragen desselben Abgeordneten an die Präsidentin des Nationalrates gemäß § 89 GOG-NR, die jeweils auf der Website des Parlaments von der Parlamentsdirektion veröffentlicht wurden.

3. Die belangte Behörde sah die verfahrensrelevanten Veröffentlichungen als Akte der Gesetzgebung an und erachtete sich daher gemäß § 1 Abs 5 iVm § 31 Abs 2 DSG 2000 für unzuständig: Zur Staatsfunktion "Gesetzgebung" seien nach Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Band 2, 1998, Rz 26.014, alle Verhaltensweisen von gesetzgebenden Organen zu verstehen. Zur "Gesetzgebung" würden insbesondere auch jene Tätigkeiten gesetzgebender Organe gehören, die das B-VG unter dem Titel "Mitwirkung an der Vollziehung" regle (Art50 bis 55 B-VG). Dem Bereich der Staatsfunktion Gesetzgebung seien auch die parlamentarischen Hilfsdienste zuzuordnen. Schriftlich eingebrachte Anfragen von Mitgliedern des Nationalrates an einen Bundesminister oder an die Präsidentin des Nationalrates seien zu jenen Angelegenheiten zu zählen, die der Mitwirkung des Nationalrates an der Vollziehung zugehören. Es stehe außer Zweifel, dass die Verteilung schriftlicher Anfragen an die Abgeordneten, das Verfassen, Drucken lassen und Herausgeben der Stenographischen Protokolle sowie der Anfragen selbst, ebenso wie das Veröffentlichen dieser Anfragen, parlamentarische Hilfsdienste darstellen.

4. In ihrer Gegenschrift teilte die belangte Behörde den Beschwerdestandpunkt insoweit, als für die Zurechnung eines Handelns zur Verwaltung oder zur Gesetzgebung funktionale Gesichtspunkte ausschlaggebend seien; sie widersprach allerdings der Behauptung des Beschwerdeführers, dass die Zuordnung im konkreten Fall nach formell-organisatorischen Aspekten erfolgt sei. In diesem Zusammenhang wurde auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Einstufung des Rechnungshofes als (Hilfs)Organ der Gesetzgebung (VfSlg. 15.130/1998) sowie auf die Bestimmung des Art 3 Abs 2 erster Gedankenstrich der Datenschutz-RL verwiesen, wonach diese auf die Verarbeitung personenbezogener Daten keine Anwendung finde, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolge, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, wozu auch Akte eines Organs des nationalen Gesetzgebers zu zählen seien.

5. Die belangte Behörde hat ihre Zuständigkeit zu Recht verneint; dies aus folgenden Überlegungen:

5.1. Die DSK ist zur Entscheidung über behauptete Verletzungen der im DSG 2000 gewährleisteten Rechte dann berufen, wenn der Betroffene seine Beschwerde gegen einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs richtet, es sei denn, dass Akte (eines Organs) der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind (§1 Abs 5 iVm § 31 Abs 2 DSG 2000).

5.2. Aus der Systematik des B-VG, das - wie dargelegt - in den Abschnitten A. bis F. des zweiten Hauptstückes die Gesetzgebung des Bundes regelt, wobei der Abschnitt E. die "Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes" behandelt, ergibt sich, dass schriftliche Anfragen eines Abgeordneten zum Nationalrat an einzelne Bundesminister (Art52 B-VG iVm §§90, 91 GOG-NR) - ebenso wie jene an die Präsidentin des Nationalrates (§89 GOG-NR) - eine dem Bereich der Gesetzgebung zuzuzählende Tätigkeit eines gesetzgebenden Organs darstellen (zur Zurechnung einer zwangsweisen Vorführung vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur gesetzgebenden Gewalt vgl. VfSlg. 18.406/2008; ferner VfSlg. 13.450/1993).

Derartige Anfragen sind gemäß § 21 Abs 3 iVm § 22 GOG-NR Gegenstände bzw. Bestandteile der Verhandlungen des Nationalrates und genießen als solche sachliche Immunität (Art33 B-VG). Der Präsident des Nationalrates hat die Vervielfältigung sowie Verteilung der schriftlichen Anfragen an die Abgeordneten nach deren Einlangen zu verfügen (§23 Abs 1 GOG-NR). Die Vervielfältigung und Verteilung der Vorlagen (darunter auch schriftliche Anfragen) erfolgt gemäß § 52 Abs 4 GOG-NR idR gleichzeitig mit der Herausgabe als Beilage zu den Stenographischen Protokollen, die der Information der Öffentlichkeit iSv Transparenz und Nachvollziehbarkeit parlamentarischer Vorgänge dient. Gemäß § 52 Abs 1 GOG-NR sind über die öffentlichen Sitzungen des Nationalrates (Art32 Abs 1 B-VG) Stenographische Protokolle zu verfassen und gedruckt herauszugeben; diese haben die Verhandlungen vollständig wiederzugeben.

5.3. Strittig ist, ob auch die - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte - Veröffentlichung einer parlamentarischen Anfrage durch die Parlamentsdirektion auf der Parlaments-Homepage als Akt der Gesetzgebung (wie die parlamentarische Anfrage selbst) oder aber als Verwaltungshandeln zu qualifizieren ist.

5.3.1. Die Website des Parlaments wird von der Parlamentsdirektion betrieben. Auf der Homepage werden seit Beginn der 20. Gesetzgebungsperiode u.a. Verhandlungsgegenstände des Nationalrates und des Bundesrates (darunter eben auch schriftliche Anfragen), Stenographische Protokolle, Ministerialentwürfe, Presseaussendungen und allgemeine Informationen publiziert. Gemäß Art 30 Abs 3 B-VG untersteht die Parlamentsdirektion dem Präsidenten des Nationalrates und sind ihre Handlungen dem Präsidenten zuzurechnen.

5.3.2. § 14 Abs 8 GOG-NR legt fest, dass dem Präsidenten des Nationalrates - über Abs 7 leg.cit. hinaus - Veröffentlichungen "anheimgestellt" sind. Nach dieser Vorschrift obliegen dem Präsidenten mithin alle Veröffentlichungen, die die Tätigkeit des Nationalrates und seiner Ausschüsse betreffen. Dies gilt nach den Vorschriften des GOG-NR u.a. ausdrücklich für die Herausgabe der Stenographischen Protokolle (§52 GOG-NR), für Ton- und Bildaufnahmen von den Verhandlungen (§14 Abs 6 GOG-NR) und für die Veröffentlichung von Verhandlungsschriften der Ausschüsse iSd § 39 Abs 3 GOG-NR.

Die Entscheidung über die Publizierung parlamentarischer Anfragen auf der Parlamentswebsite fällt daher in den Kompetenzbereich der Präsidentin des Nationalrates, der die Parlamentsdirektion untersteht.

5.3.3. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, sind zur Gesetzgebung alle Verhaltensweisen von gesetzgebenden Organen zu rechnen (vgl. erneut VfSlg. 18.406/2008). Dazu gehören Akte der parlamentarischen Versammlung selbst und von Ausschüssen, aber auch von Organen (zB dem Präsidenten des Nationalrates - vgl. zB VfSlg. 11.882/1988) oder von Abgeordneten bei Ausübung ihres Berufes (vgl. Adamovich/Funk/Holzinger, aaO, Rz 26.014). Dem Bereich der Staatsfunktion Gesetzgebung sind darüber hinaus Handlungen parlamentarischer Hilfsorgane zuzurechnen (vgl. in Bezug auf den Rechnungshof als parlamentarisches Hilfsorgan - VfSlg. 15.130/1998, 17.065/2003).

5.3.4. Soweit eine Datenanwendung im Rahmen der Parlamentsverwaltung gemäß Art 30 B-VG erfolgt, ist sie gemäß Art 30 Abs 3 und 6 B-VG dem Präsidenten des Nationalrates zuzurechnen und wird unter seiner Verantwortung als Auftraggeber (vgl. § 56 DSG 2000) gesetzt; solche Datenanwendungen unterliegen der Kontrolle der DSK (vgl. AB zur Stammfassung des DSG 2000, 2028 BlgNR 20. GP, in dem u. a. als Tätigkeiten im Bereich der Parlamentsverwaltung die Literaturdokumentation und das Kanzleiwesen angeführt sind). Hinsichtlich der dem Präsidenten des Nationalrates zukommenden Administrativaufgaben besteht somit eine Zuständigkeit der DSK (vgl. auch Duschanek, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 7. Lfg., 2005, § 1 DSG Rz 87; Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht, 2010, Rz 2/77).

Zu Verwaltungsangelegenheiten, die der Präsident des Nationalrates als oberstes Verwaltungsorgan besorgt, zählen also - wie § 56 DSG 2000 zeigt - auch datenschutzrechtliche Agenden (vgl. Atzwanger/Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung3, 1999, § 14 Rz 15), soweit ein Zusammenhang mit den in Art 30 B-VG angeführten Administrativangelegenheiten besteht.

5.3.5. Die Veröffentlichung parlamentarischer Anfragen auf der Homepage des Parlaments ist allerdings nicht als derartiges Verwaltungshandeln zu beurteilen, sondern - wie die Parlamentsdirektion zutreffend ausführt - dem Bereich der Gesetzgebung zuzurechnen. Dies ergibt sich insbesondere mit Blick auf die Art 30 Abs 3 (hinsichtlich der Unterstützung der parlamentarischen Aufgaben), 32, 33 und 52 B-VG iVm den Bestimmungen des GOG-NR (§§14 Abs 8, 21 Abs 3, 22, 52, 89, 90, 91) sowie unter Berücksichtigung des hinter der Datenanwendung stehenden "Auftraggebers" (vgl. auch , und , je in Bezug auf die Zuständigkeit des OGH zur Veröffentlichung von Entscheidungen im RIS; , betreffend den TV-Auftritt eines Volksanwaltes). Der Umstand, dass Veröffentlichungen im Internet eine weitaus größere Breitenwirkung haben als andere Publikationsformen, ist für die Beurteilung der Frage der Zuordnung eines Aktes zur Kategorie "Gesetzgebung" oder zu jener der "Vollziehung" ohne Bedeutung.

Die Präsidentin des Nationalrates hat somit hinsichtlich der Veröffentlichung der in Rede stehenden Anfragen auf der Website des Parlaments als Organ der Gesetzgebung im funktionellen Sinn gehandelt (vgl. auch B204,205/58, VfSlg. 11.882/1988 und ).

Ausgehend davon hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß §§1 Abs 5 und 31 Abs 2 DSG 2000 zu Recht verneint. Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

6. Im Hinblick darauf, dass die Behörde sohin rechtsrichtig entschieden hat, ist es angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften auch ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde (vgl. zB VfSlg. 10.374/1985, 14.810/1997, 15.312/1998).

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.