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VfGH vom 12.03.2008, B1044/06

VfGH vom 12.03.2008, B1044/06

Sammlungsnummer

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Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.160,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zuhanden seines Rechtsvertreters zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer war vom bis Bürgermeister der Gemeinde T in Salzburg. Er hat seit einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach den einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt wurde ihm zudem ein monatlicher Ruhegenuss ab zugesprochen.

1.2. Mit Schreiben der Gemeinde T vom wurde der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) bekannt gegeben, dass vom Beschwerdeführer und der Gemeinde T seit monatlich ein Pensionsversicherungsbeitrag von insgesamt 22,8 vH der jeweiligen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage einbehalten wurde. Weiter heißt es in diesem, auch dem Beschwerdeführer zugegangenen Schreiben:

"Da mit Austritt des Bürgermeisters der angefallene Gesamtbetrag an jenen Pensionsversicherungsträger zu leisten ist, der aufgrund des Zivilberufes zuständig ist, ersuchen wir um Bekanntgabe einer Bankverbindung, damit dieser Beitrag an Sie überwiesen werden kann.

Da von den Beiträgen Bgm. [W] einen Teil zurückerhalten wird, ersuchen wir um Bekanntgabe der diesbezüglichen weiteren Vorgangsweise bzw. ob [W] hier einen eigenen Antrag stellen muss."

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer bei der PVA einen Antrag auf Rückerstattung von Pensionsbeiträgen. Darin führt er unter anderem aus, dass er

"[e]rst mit Schreiben der Marktgemeinde [T] vom ... darauf aufmerksam [wurde], dass von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten von der Marktgemeinde T die bisher geleisteten Beiträge noch nicht angefordert wurden. Ich bin daher erst heute in der Lage[,] gemäß § 70 (4) ASVG einen Antrag auf Rückerstattung bzw. Teilrückerstattung der Beiträge zu stellen."

1.3. Mit Bescheid der PVA vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung von Pensionsbeiträgen abgelehnt, da dieser Antrag nicht gemäß § 70 Abs 4 ASVG iVm § 13 BundesbezügeG binnen sechs Monaten nach dem Ende des Anspruches auf Bezüge oder auf Bezugsfortzahlung eingelangt sei.

1.4. Dem dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die Beschwerde behauptet im Wesentlichen, § 70 Abs 4 ASVG sei unsachlich und verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist für die Rückerstattung von Versicherungsbeiträgen bloß sechs Monate betrage, während in allen anderen Fällen des § 70 ASVG die für die Rückerstattung vorgesehene Antragsfrist drei Jahre betrage.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete weitere Äußerungen.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "binnen sechs Monaten nach dem Ende des Anspruches auf Bezüge oder auf Bezugsfortzahlung nach dem Bundesbezügegesetz" in § 70 Abs 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. 189/1955 idF BGBl. I 64/1997, ein.

Mit Erkenntnis vom , G254/07, hob er die Wortfolge "binnen sechs Monaten" in § 70 Abs 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. 189/1955 idF BGBl. I 64/1997, als verfassungswidrig auf.

2. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die soeben genannte Bestimmung in der als verfassungswidrig aufgehobenen Fassung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

3. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von EUR 360,--.

2. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Fundstelle(n):
ZAAAD-77535