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OGH vom 12.09.1996, 10ObS2336/96v

OGH vom 12.09.1996, 10ObS2336/96v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Hofrat Mag. Kurt Resch (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton H*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Dr. Gerhard Heinzle und Dr. Julia Winkler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 23/95h-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 34 Cgs 96/95t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei laut deren Bescheid vom eine (vorzeitige) Alterspension bei langer Versicherungsdauer sowie gemäß § 140 BSVG eine Ausgleichszulage. Damals lebte er noch mit seiner Gattin im gemeinsamen Haushalt unter der aus dem Kopf ersichtlichen Anschrift, weshalb bei der Errechnung der Ausgleichszulage der Familienrichtsatz gemäß § 141 Abs 1 lit a sublit aa BSVG herangezogen wurde. Bereits im seinerzeitigen Antrag auf Pensionsgewährung vom hat der Kläger eine Erklärung unterfertigt, sich zu verpflichten, jede Änderung in den Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen, insbesondere die Aufgabe des gemeinsamen Haushaltes mit der Ehegattin, sofort, längstens binnen zwei Wochen, mitzuteilen.

Seit ist die Gattin des Klägers in einem Heim in L***** untergebracht. Sie leidet an der Alzheimerschen Krankheit und muß rund um die Uhr betreut und beaufsichtigt werden. Dieser Umstand wurde vom Kläger der beklagten Partei nicht mitgeteilt. Diese erlangte hievon erst auf Grund von Erhebungen am Kenntnis.

Aufgrund der schweren Erkrankung wäre eine weitere Pflege der Gattin im Haus des Klägers, das auch im Miteigentum seiner Gattin steht, nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger besucht seine Gattin täglich im nur wenige Gehminuten entfernten Heim und gibt ihr jeden Mittag das Essen und fallweise auch das Abendessen ein. Weiters nimmt er ihre Leibwäsche mit nach Hause, wo sie von ihm gewaschen und gebügelt wird. Oft geht er mit ihr auch spazieren. Mindestens einmal wöchentlich nimmt er sie auch nach Hause in die gemeinsame Ehewohnung. Anläßlich solcher Zusammenkünfte sowohl zu Hause als auch im Pflegeheim kommt es auch nach wie vor zum Austausch von Zärtlichkeiten. Auf Grund der beschriebenen Mithilfe des Klägers in der Pflege und Betreuung seiner Gattin wird ihm vom Pflegeheim lediglich der Pflegesatz 4 anstatt des Höchstpflegesatzes 5 verrechnet. Die Heimkosten von monatlich ca S 20.000 werden zum Teil mit dem von der Gattin des Klägers bezogenen (der Höhe nach von den Vorinstanzen nicht näher festgestellten) Pflegegeld, teilweise vom Kläger bezahlt.

Mit Bescheid vom setzte die beklagte Partei die Ausgleichszulage des Klägers rückwirkend ab (also dem der Heimunterbringung folgenden Monatsersten) unter Heranziehung des einfachen Richtsatzes neu fest und forderte den Überbezug von S 47.117,10 (für die Zeit vom bis ) infolge Verletzung der Meldevorschriften durch den Kläger zurück.

In seiner Klage stellte er das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, von dieser Rückforderung Abstand zu nehmen und ihm weiterhin ab die Ausgleichszulage unter Zugrundelegung des Familienrichtsatzes zu gewähren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und verpflichtete (nach Berichtigungsbeschluß) den Kläger, der beklagten Partei den Überbezug an Ausgleichszulage im Betrag von S 47.117,10 durch Aufrechnung auf die laufende Pension in monatlichen Raten zu je S 750 ab zurückzuzahlen. Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß seit der nicht bloß vorübergehenden Aufnahme der Gattin des Klägers im erwähnten Pflegeheim das Erfordernis des gemeinsamen Haushaltes weggefallen sei und auch nicht durch die täglichen Besuche und Unterstützung der Pflege aufrecht erhalten werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es führte aus, daß die Aufrechterhaltung einer "wirtschaftlichen und finanziellen Interessengemeinschaft" durch die beiden Eheleute dem gesetzlichen Erfordernis des "gemeinsamen Haushaltes" nicht entspreche und auch mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht in Einklang zu bringen sei.

In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten und von der beklagten Partei nicht beantworteten Revision des Klägers wird die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung, in eventu deren Aufhebung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt.

In seiner Rechtsrüge vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, daß er - trotz Heimunterbringung seiner Frau - mit dieser weiterhin "durchaus eine Wohngemeinschaft" aufrecht erhalte, die sich jedoch im Rahmen der durch die Krankheit der Gattin bestimmten Lebensbedingungen bewege. In "sozial gerechter Auslegung" sei dies für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes ausreichend.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend. Sie entspricht der - einen ähnlichen Fall einer Heimunterbringung betreffenden - Entscheidung SSV-NF 6/18 = SZ 65/25. Ergänzend sei den Ausführungen in der Revision noch folgendes entgegengehalten:

1. Das Erfordernis des Lebens im gemeinsamen Haushalt bei der Richtsatzbemessung für einen Ausgleichszulagenanspruch in § 141 Abs 1 lit a sublit aa BSVG korrespondiert wörtlich mit den gleichlautenden Richtsatzbestimmungen im § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG einerseits sowie § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG andererseits. Zu beiden Bestimmungen, welche auf Grund ihres identen Regelungsinhaltes somit auch für die Auslegung der hier maßgeblichen Gesetzesstelle heranzuziehen sind, hat der Oberste Gerichtshof in den bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen SSV-NF 6/18 (= SZ 65/25) sowie SSV-NF 7/84 Stellung genommen und hierin insbesondere auch deren verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit betont. In der erstgenannten dieser beiden Entscheidungen ging es - wie bereits ausgeführt - ebenfalls um einen in einem Heim krankheitsbedingt untergebrachten Ehegatten, dessen Entlassung in häusliche Pflege in absehbarer Zeit nicht möglich war. Der Senat hat hiezu - auch unter Darstellung des Schrifttums und in Eingehung auf die verba legalia der "ständigen Hausgemeinschaft" in § 123 Abs 2,§ 252 Abs 1 ASVG (ident wiederum mit § 78 Abs 2,§ 119 Abs 1 BSVG) - ausgeführt, daß der Gesetzgeber als Voraussetzung für den Anspruch auf den höheren Richtsatz einen gemeinsamen Haushalt der Ehegatten fordert und damit auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellt. Leben die Ehegatten nicht zusammen, so kommt es auf die Gründe nicht an. Das Gesetz bietet keine Möglichkeit, Fälle, in denen der gemeinsame Haushalt ohne Verschulden und ohne freiwilligen Entschluß der Ehegatten aufgegeben wurde, anders zu behandeln, als solche, in denen das Zusammenleben auf Grund des Entschlusses eines Partners oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wurde. Die Voraussetzungen für die Gewährung des höheren Richtsatzes liegen nur dann vor, wenn zwischen den Ehegatten tatsächlich ein gemeinsamer Haushalt besteht. Nur kurzfristige Unterbrechungen des Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamen Wohnsitz und gemeinsamer Wirtschaftsführung können auf den Anspruch ohne Einfluß sein. Wird die Wohngemeinschaft der Ehegatten jedoch für einen längeren, nicht absehbaren Zeitraum aus welchen Gründen immer aufgehoben, so kann nicht vom Bestehen einer Hausgemeinschaft ausgegangen werden.

2. Diese Ausführungen sind auch auf den hier zur Beurteilung anstehenden Fall übertragbar. Die Gattin des Klägers ist auf Grund ihrer schweren und im eigenen Haus nicht mehr beherrschbaren Erkrankung auf Dauer, jedenfalls aber auf unbestimmte, nicht absehbare Zeit in einem Heim untergebracht; trotz zumindest einmal wöchentlicher Mitnahme durch den Kläger zurück ins nur wenige Gehminuten entfernt gelegene Haus hält sie sich dort nur stundenweise auf und nächtigt dort auch nie. Die gesamte Lebensführung der Frau einschließlich ihrer Verpflegung (Festlegung des Speiseplans, Zubereitung der Mahlzeiten, ausgenommen bloß das "Eingeben" des Mittagessens und fallweise auch des Abendessens, was zur Heimkostenreduzierung vom Gatten ausgeführt wird) spielt sich ausschließlich in diesem Heim ab. Das Mitnehmen der persönlichen Leibwäsche (nicht also der vom Heim zur Verfügung gestellten Bett- und sonstigen Wäsche) nach Hause entspringt ebenfalls ausschließlich dem Zweck der Pflegesatzminimierung. Von einer - wie in der Revision behauptet - "Wohngemeinschaft mit seiner Gattin" kann bei dieser Sachlage nicht ausgegangen werden. Die Gattin befindet sich auch nicht auf bloß bestimmte und absehbare Zeit in stationärer Krankenhaus- oder Kurbehandlung und muß deshalb auswärts verbleiben (wie dies offensichtlich aus der Entscheidung des - damaligen - Schiedsgerichts Wien in SV-Slg 24.742 hervorgeht, ohne daß den nur kursorisch veröffentlichten Entscheidungsgründen Näheres entnommen werden könnte), sondern handelt es sich vielmehr um einen irreparablen Dauerzustand. Weder durch das bloß partielle Element der teilweisen Wäscheversorgung im Haus noch durch die festgestellten gemeinsamen Kurzaufenthalte hierin wird eine Wohngemeinschaft auch nur teilweise oder in eingeschränktem Maße aufrecht erhalten. Sowohl aus den festgestellten zeitlichen Abläufen als auch den festgestellten eingeschränkten gemeinsamen Aktivitäten im Haus haben die Vorinstanzen daher zu Recht den Schluß gezogen, daß das Kriterium des gemeinsamen Haushaltes auch im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten nicht (mehr) erfüllt ist. In der Revision betont der Rechtsmittelwerber selbst die in der Praxis nicht umsetzbare Möglichkeit einer weitergehenden - sei es persönlich, sei es im "Schichtbetrieb von drei Pflegepersonen" - "Aufrechterhaltung der Wohngemeinschaft". In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof bereits in der zitierten Vorentscheidung den vom Gesetzgeber in sämtlichen vergleichbaren Sozialversicherungsgesetzen wortgleich verwendeten Begriff "im gemeinsamen Haushalt leben" durchaus restriktiv mit "Hausgemeinschaft" gleichgesetzt, welche aber - insoweit auch vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellt - seit Aufnahme ins Heim am nicht mehr aufrecht besteht.

3. Der Senat hat sich in beiden zitierten und veröffentlichten Entscheidungen (SSV-NF 6/18 und 7/84) auch ausführlich zur ratio legis im Zusammenhang mit dem sog. erhöhten Familienrichtsatz bei Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage geäußert, sodaß zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf verwiesen werden kann. Der Revisionswerber vermag diesen Ausführungen nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Daß die Gattin des Klägers (außer das derzeit zur Heimkostendeckung zweckgewidmete Pflegegeld) einkommenslos ist, kann nur die Rechtsfolge auslösen, daß - während der Zeit, in der beide Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebten - keine Anrechnung im Sinne des § 140 Abs 2 BSVG zu erfolgen hatte; daß sie - wie in der Revision abschließend betont wird - seinerzeit nicht pensionsrechtlich versichert werden konnte, ist ein ausschließlich rechtspolitisches Argument, auf das nur der Gesetzgeber, nicht aber die Gerichte reagieren können.

4. Daß der Kläger seiner Verpflichtung zur Anzeige der Änderungsmitteilung der Heimaufnahme seiner Gattin entgegen § 146 Abs 1 iVm § 18 BSVG nicht fristgerecht nachgekommen ist, bestreitet er nicht. Es erübrigt sich daher, darauf näher einzugehen.

5. Aus allen diesen Erwägungen war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.