OGH vom 15.04.1997, 10ObS2334/96z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Bernhard Rupp (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann D*****, Techniker, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer, Dr.Alfred Hawel und Dr.Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 112/96v-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 6 Cgs 4/95x-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei dem am geborenen Kläger, der österreichischer
Staatsbürger ist, liegen folgende Versicherungsmonate vor:
7/1967 1 österr.Beitragszeit
11/1968 - 6/1969 8 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
11/1969 - 6/1970 8 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
10/1970 1 österr. Ersatzzeit/Präsenzd.
11/1970 - 6/1971 8 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
7/1971 - 6/1972 12 deutsche Beitragszeit
10/1972 - 3/1976 42 österr.Beitragszeit
4/1976 - 6/1976 3 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
10/1976 - 1/1977 4 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
3/1977 - 6/1978 4 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
10/1977 - 1/1978 4 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
3/1978 - 6/1978 4 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
10/1978 - 6/1979 9 deutsche Beitragszeit
7/1979 - 12/1979 6 österr.Beitragszeit
1/1980 1 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
3/1980 - 6/1980 4 österr.Ersatzzeit/Schulzeit
119 Versicherungsmonate
Vom bis und vom bis war der Kläger arbeitssuchend gemeldet. Vom bis bezog er Krankengeld, vom bis bezog und seit bezieht er laufend Pensionsvorschußleistungen.
Am erlitt der Kläger bei seiner Tätigkeit als Ferialpraktikant bei der Firma M***** in R*****, BRD, einen Arbeitsunfall. Aufgrund dieses Arbeitsunfalles bezieht er von der deutschen Rentenversicherung eine Versehrtenrente im Ausmaß einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. Weiters bezieht er fallweise Kinderzuschuß, prothetische Versorgung bei Bedarf und einen Kleidermehrverschleißzuschuß seit Beginn der Rente.
Mit Bescheid vom wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG mit der Begründung ab, daß die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension zuletzt ab im wesentlichen mit dem Vorbringen, unter Zusammenrechnung der österreichischen und deutschen Versicherungszeiten erfülle er die Wartezeit. Gemäß Art 9a der EWG-Verordnung 1408/71 iVm § 234 Abs 1 Z 2 lit b ASVG sei aufgrund der vom Kläger bezogenen Rente der Zeitraum von Juni 1980 bis zur Antragstellung als neutrale Zeit zu werten, sodaß die Wartezeit erfüllt sei. Der Arbeitsunfall des Klägers in Deutschland sei gemäß § 235 Abs 3 lit a ASVG iVm Art 38 Abs 1 der EWG-Verordnung 1408/71 einem Arbeitsunfall in Österreich gleichzustellen. Schließlich brachte der Kläger noch vor, daß durch die von der beklagten Partei vorgenommene Auslegung der §§ 234 Abs 1 Z 2 lit b und 235 Abs 3 lit a ASVG, wonach einerseits eine österreichische Versehrtenrente und im zweiten Fall unbedingt eine österreichische Pflichtversicherung vorliegen müßte, eine unmittelbare Diskriminierung im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit erfolgt sei und daher gegen die zwingenden anzuwendenden Bestimmungen der EWG-Verordnung 1408/71 und des EWG-Vertrages verstoßen worden sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Wartezeit nach § 235 ASVG nicht erfüllt sei. Ein Entfall der Wartezeit nach § 235 Abs 3 lit a ASVG komme nicht in Betracht, weil sich der Arbeitsunfall nicht in Österreich ereignet habe. Im maßgebenden Rahmenzeitraum für die Erfüllung der Wartezeit zwischen und lägen nicht die erforderlichen 60 Versicherungsmonate vor. Eine Verlängerung des Rahmenzeitraumes für die Erfüllung der Wartezeit ergebe sich auch nicht aus Art 9a der EWG-Verordnung 1408/71, weil der Bezug von Renten ausdrücklich von dieser Bestimmung ausgenommen sei. Im übrigen wären im fiktiv verlängerten Rahmenzeitraum von September 1973 bis August 1993 auch lediglich 46 Beitragsmonate statt der erforderlichen 60 Versicherungsmonate vorhanden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhaltes ab.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, gemäß § 235 Abs 1 ASVG sei der Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension u.a. auch an die allgemeine Voraussetzung geknüpft, daß die Wartezeit durch Versicherungsmonate erfüllt sei. Unter Umständen könne allerdings das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit entfallen. Gemäß § 235 Abs 3 lit a ASVG entfalle die Wartezeit für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder aus dem Versicherungsfall des Todes, wenn der Versicherungsfall die Folge eines Arbeitsunfalles (§§ 175 und 176) oder einer Berufskrankheit (§ 177) sei, der (die) bei einem in der Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz Pflichtversicherten oder bei einem nach § 19a Selbstvrsicherten eingetreten sei.
Der Kläger habe am bei seiner Tätigkeit als Ferialpraktikant in der Bundesrepublik Deutschland einen Arbeitsunfall erlitten. Der Versicherungsfall sei somit nicht bei einem in der Pensionsversicherung nach dem ASVG (oder einem Sondergesetz) Pflichtversicherten eingetreten. Ein während einer Versicherung in einem Vertragsstaat eingetretener Arbeitsunfall bewirke auch nach den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit keinen Entfall der Wartezeit nach § 235 Abs 3 lit a ASVG.
Gemäß § 236 Abs 1 Z 1 ASVG sei die Wartezeit erfüllt, wenn am Stichtag (§ 223 Abs 2) Versicherungsmonate im Sinne des § 235 Abs 2 für eine Leistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sowie aus dem Versicherungsfall des Todes im Ausmaß von 60 Monaten vorliegen, wenn der Stichtag vor Vollendung des 50. Lebensjahres liegt. Gemäß § 236 Abs 2 Z 1 ASVG müsse die gemäß Abs 1 für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Mindestzahl von Versicherungsmonaten im Falle des Abs 1 Z 1 innerhalb der letzten 120 Kalendermonate vor dem Stichtag liegen. Im vorliegenden Fall liege der Stichtag () vor Vollendung des 50. Lebensjahres des am geborenen Klägers. In den letzten 120 Kalendermonaten (Rahmenzeitraum) vor dem müßten somit 60 Versicherungsmonate vorliegen. Fallen in die Zeiträume gemäß Abs 2 jedoch neutrale Monate (§ 234), so verlägern sich die Zeiträume um diese Monate (§ 236 Abs 3). Gemäß § 234 Abs 1 Z 6 ASVG gelten Zeiten einer Arbeitslosenmeldung - unter bestimmten Auflagen - als neutrale Monate. Vom bis seien Arbeitslosen-Meldezeiten aktenkundig. Der Monat Oktober 1990 sei somit als neutraler Monat zu berücksichtigen. Es ergebe sich somit ein Rahmenzeitraum vom bis , in dem zumindest 60 Versicherungsmonate vorliegen müssen. Der Kläger habe im genannten Zeitraum jedoch keine Versicherungsmonat erworben. Gemäß § 236 Abs 4 ASVG sei die Wartezeit auch dann erfüllt, wenn bis zum Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate (Z 1) bzw. 300 Versicherungsmonate (Z 2) erworben wurden. Bis zum Stichtag habe der Kläger allerdings nur 119 Versicherungsmonate erworben und sei daher die Wartezeit nicht erfüllt.
Zur Frage, ob die Zeiten eines Anspruches des Klägers auf eine deutsche Versehrtenrente den Rahmenzeitraum erweitern, sei folgendes auszuführen: Gemäß § 234 Abs 1 Z 2 lit b ASVG gelten Zeiten, während derer der Versicherte eine bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Versehrtenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund einer Erwerbsfähigkeitseinbuße von mindestens 50 v.H. habe, als neutrale Zeiten. Nach § 236 Abs 3 ASVG seien neutrale Zeiten geeignet, den Rahmenzeitraum zu verlängern. Der Kläger beziehe eine Versehrtenrente aus einer deutschen Unfallversicherung. Es greife somit die Bestimmung des § 234 Abs 1 Z 2 lit b ASVG, die eine Versehrtenrente aus einer österreichischen gesetzlichen Unfallversicherung tatbestandsmäßig voraussetze, nicht.
Weiters könnte sich der Rahmenzeitraum durch Art 9a der EWG-Verordnung 1408/71 verlängern. Diese verdränge das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom idF des 3. Zusatzabkommens vom , BGBl 1982/299, soweit das bilaterale Abkommen nicht günstiger sei. Gemäß Art 9a verlängere sich der Rahmenzeitraum durch Zeiten, in denen Invaliditäts- oder Altersrente oder Leistungen wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfällen (mit Ausnahme von Renten) nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates gezahlt wurden. Da Renten aufgrund von Arbeitsunfällen ausdrücklich ausgenommen seien, sei der Bezug der deutschen Unfallrente nicht geeignet, eine Verlängerung der Rahmenfrist zu bewirken. Da der vom Kläger weiters bezogene Kleidermehrverschleißzuschuß, der Kinderzuschuß und auch die prothetische Versorgung nur als Annex bzw. als Zusatzleistung zur Versehrtenrente zu qualifizieren seien, sei eine Subsumption dieser Leistungen unter Art 9a der EWG-Verordnung 1408/71 nicht möglich. Der Bezug einer deutschen Versehrtenrente samt Zusatzleistungen führe daher zu keiner Verlängerung des Rahmenzeitraumes.
Schließlich sei noch zu prüfen, ob das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom idF des 3. Zusatzabkommens vom günstiger sei als die EWG-Verordnung 1408/71. Gemäß Art 28 Z 1 lit e des Abkommens gelten als neutrale Zeiten auch Zeiten, während derer Anspruch auf Rente aus eigener Versicherung aus der deutschen Rentenversicherung bestand. Der Bezug einer deutschen Versehrtenrente (arg. "aus der deutschen Rentenversicherung", d.h. Bezug einer Invaliditäts- oder Alterspension) bewirke daher keine Verlängerung des Rahmenzeitraumes. Es bleibe somit beim Beobachtungszeitraum bis . Da der Kläger demgemäß die allgemeinen Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit nicht erfülle, sei die Frage des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 273 ASVG nicht mehr zu prüfen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte im wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und ergänzte, daß sich auch in der Bestimmung des Art 38 Abs 1 der Verordnung (EWG) 1408/71 kein Hinweis auf Arbeitsunfälle finde und daß sich die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung auf den gegenständlichen Fall auch aus der Überschrift zu Abschnitt 1 des zweiten Kapitels der Verordnung ergebe. Dieser Abschnitt beziehe sich nämlich auf "Arbeitnehmer oder Selbständige, für die ausschließlich Rechtsvorschriften galten, nach denen die Höhe der Leistungen bei Invalidität von der Dauer der Versicherungszeiten unabhängig ist". Die Höhe der vom Kläger begehrten Pension sei jedoch von der Dauer der Versicherungszeiten nicht unabhängig, sodaß Art 38 schon aus diesem Grund nicht anzuwenden sei. Weiters komme ein Entfall der Wartezeit nach § 235 Abs 3 lit a ASVG auch im Hinblick auf den vom Kläger im Jahr 1968 in Deutschland erlittenen Arbeitsunfall nicht in Betracht. Denn selbst wenn man unterstelle, daß die vom Kläger behauptete Berufsunfähigkeit Folge dieses Arbeitsunfalles sei, sei im Art 11 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom eine Gleichstellung des Tatbestandes "Arbeitsunfall" nicht vorgesehen. Zu Unrecht mache der Kläger weiters unter Berufung auf die Art 6, 48 und 51 des EG-Vertrages geltend, daß ihn die vom Erstgericht vorgenommene Auslegung diskriminiere und den Gleichheitsgrundsatz verletze. Das in Art 6 EG-Vertrag niedergelegte allgemeine Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit sei in Bezug auf Arbeitnehmer durch die Art 48 bis 51 EG-Vertrag sowie die aufgrund der Bestimmungen erlassenen Rechtsakte, insbesondere die Verordnung (EWG) 1408/71 umgesetzt und konkretisiert worden. Dem Kläger sei darin zu folgen, daß durch die zuletzt zitierten Vorschriften verhindert werden solle, daß ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe und in mehr als einem Mitgliedstaat beschäftigt gewesen sei, schlechter gestellt werde als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedsstaat zurückgelegt habe. Die Verordnung 1408/71 gelte nach ihrem Art 4 Abs 1 lit b auch für Leistungen bei Invalidität einschließlich der Leistungen, die zur Erhaltung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit bestimmt seien. Zutreffend habe bereits das Erstgericht darauf verwiesen, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des Art 9 a der zitierten Verordnung ("mit Ausnahme von Renten") der Bezug der deutschen Unfallrente nicht geeignet sei, eine Verlängerung des Rahmenzeitraums zu bewirken. An dieser Beurteilung ändere auch nichts, daß der Kläger neben der Versehrtenrente eine Kinderzulage und einen Kleidermehrverschleißzuschuß erhalte, weil es sich dabei nur um abhängige Bestandteile der Unfallrente handle. Aufgrund der Definition des Art 1 lit t der Verordnung 1408/71 sei unter dem Begriff Rente auch ein Kinderzuschuß sowie ein allfälliger Kleidermehrverschleißzuschuß zu subsumieren. Die Gewährung einer prothetischen Versorgung könne den Rahmenzeitraum schon deshalb nicht verlängern, weil es sich dabei um eine Sachleistung handle, während der zitierte Art 9a eine Verlängerung des Rahmenzeitraums durch Zeiten vorsehe, in denen eine Geldleistung erbracht worden sei. Das Berufungsgericht sehe sich aufgrund der eindeutigen Rechtslage auch nicht veranlaßt, der Anregung des Klägers folgend eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes nach Art 177 EGV einzuholen. Der Kläger erfülle daher nicht die Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit nach § 236 ASVG.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt die Abänderung im Sinne einer vollen Klagsstattgebung, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Rechtsausführungen des Revisionswerbers lassen sich dahin
zusammenfassen, daß es sich im vorliegenden Fall um eine mittelbare
Diskriminierung des Klägers als Wanderarbeitnehmer handle. Der Kläger
hätte die Wartezeit für die Berufsunfähigkeitspension erfüllt, wenn
ihm die Zeit des Bezuges der deutschen Versehrtenrente gemäß § 234
Abs 1 Z 2 lit b ASVG als neutrale Zeit anerkannt würde. Weiters würde
er auch die Voraussetzungen erfüllen, wenn eine deutsche
Pflichtversicherung für den Entfall der Wartezeit gemäß § 235 Abs 3
lit a ASVG ausreichen würde. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen
verstoße gegen die Art 6, 48 und 51 des EG-Vertrages. Ein Ziel dieser
Regelungen sei es, den Arbeitnehmer vor wanderungsbedingten
Nachteilen im Bereich der sozialen Sicherheit zu schützen. Die
Gewährung der Freizügigkeit wäre nur von zweifelhaftem Wert, müßten
die Arbeitnehmer im Ergebnis mit einer Schlechterstellung rechnen. Im
vorliegenden Fall liege zwar keine unmittelbare Diskriminierung vor,
weil grundsätzlich Österreicher und EG-Ausländer gleich behandelt
würden. Der Kläger, obwohl nicht deutscher Staatsbürger, habe sein
Recht auf Freizügigkeit aber bereits einmal ausgeübt und würde
mittelbar diskriminiert, kämen ihm die entsprechenden Vergünstigungen
nicht zu. Es dürfte zwar richtig sein, daß Art 9a der Verordnung
(EWG) 1408/71 im gegenständlichen Fall nicht in Betracht komme, doch
stelle dies lediglich Sekundärrecht dar, dem das EG-Primärrecht
vorzugehen habe. Der Europäische Gerichtshof habe bereits
ausgesprochen, daß in manchen Fällen, die von Art 9a der Verordnung
nicht erfaßt seien, eine Verletzung der Art 6, 48 und 51 EG-Vertrages
vorliegen könne (insbesondere Paraschi gegen
Landesversicherungsanstalt Württemberg, Rechtssache C-349/87, Slg 1991 I-4501).
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.
Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, setzt der Entfall der
Wartezeit gemäß § 235 Abs 3 lit a ASVG (wenn der Versicherungsfall
also die Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit ist)
voraus, daß der Betroffene zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles oder des
Eintrittes der Berufskrankheit in der Pensionsversicherung nach dem
ASVG oder einem anderen Bundesgesetz versichert war. Ein Arbeitsunfall, den ein im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in einem Vertragsstaat Versicherter erleide, führt - außer im Fall einer entsprechenden Gleichstellungsbestimmung im zwischenstaatlichen Vertrag - nicht zum Entfall der Wartezeit im Sinn des § 235 Abs 3 lit a ASVG (SSV-NF 9/80; 10 ObS 9/87; 10 ObS 2334/96z betreffend einen Arbeitsunfall in der Bundesrepublik Deutschland). Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Zeiten des Bezuges der deutschen Unfallrente nicht neutrale Monate im Sinne des § 234 Abs 1 Z 2 lit b ASVG sind, weil dort nur vom Anspruch auf eine Versehrtenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung die Rede ist (vgl SSV-NF 6/127 betreffend Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung in einem Vertragsstaat).
Zu prüfen bleibt nunmehr lediglich, ob dem Kläger der Entfall der Wartezeit nach europarechtlichen Normen zugute kommt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Stichtag im Sinne des § 223 Abs 2 ASVG für die Feststellung, ob, in welchem Zweig der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß dem Kläger eine Leistung gebührt, im vorliegenden Fall der ist. Mit diesem Datum ist Österreich dem Europäischen Wirtschaftsraum beigetreten; der Betritt zur Europäischen Union erfolgte jedoch erst zum . Was den innerhalb der Mitgliedsstaaten sowohl des EWR wie der EU geltenden Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer betrifft, so ist ausschlaggebend, daß der Kläger diese Freizügigkeit für einen Zeitraum in Anspruch genommen hat, in dem Österreich weder dem EWR noch der EU angehörte. Auch nach Gemeinschaftsrecht gilt grundsätzlich das Verbot der Rückwirkung von Normen, wonach es aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit unzulässig ist, gesetzliche Bestimmungen entweder unmittelbar oder mittelbar auf abgeschlossene in der Vergangenheit liegende Tatbestände einwirken zu lassen (vgl Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU Rz 7 zu Art 191). Auch gemäß Art 49 Abs 1 B-VG beginnt die verbindende Kraft von Bundesgesetzen und den in Art 50 B-VG bezeichneten Staatsverträgen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem die Kundmachung herausgegeben oder versendet wurde. Dies bedeutet, daß bloß Sachverhalte, die sich nach Kundmachung bzw nach dem ausdrücklich angeordneten (späteren oder früheren) Wirksamkeitsbeginn ereignen, nach dieser Rechtsvorschrift zu beurteilen sind (vgl JBl 1986, 390; JBl 1985, 236; EvBl 1977/110; JBl 1976, 481 ua). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Rechtsgrundlage für die unmittelbare Wirksamkeit der Verordnung (EWG) 1408/71 das EWR-BVG, BGBl Nr. 115/1993 ist, das gemäß Art 7 zugleich mit dem Inkrafttreten des EWR in Kraft trat; eine Rückwirkung ist dort nicht vorgesehen. Wenn daher der anspruchsauslösende Sachverhalt, aus dem der Kläger seinen Anspruch ableitet, vor dem inländischen zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) 1408/91 liegt, ist diese auf den Sachverhalt nicht anwendbar (8 ObS 2141/96b unter Hinweis auf 9 ObA 225/94, EvBl 1995/116 und 9 ObA 163/95). In der Entscheidung 8 ObS 2141/96b führte der Oberste Gerichtshof wörtlich aus: "So wie der Kläger seine Rechtsposition nicht dadurch verbessern kann, daß er durch eine spätere Geltendmachung von Ansprüchen, die zur Gänze aus einem vor dem abgeschlossenen Rechtsverhältnis stammen, rückwirkend die im EG-Vertrag vereinbarten Freiheiten in Anspruch nimmt, die für seinen Fall noch gar nicht gegolten hatten, kann er auch nicht Rechte daraus ableiten, daß das Bundessozialamt über seinen Anspruch auf Insolvenzentgelt erst nach mehreren Jahren und somit erst nach Inkrafttreten des EG-Vertrages entschieden hat."
Auch im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger auf den innerhalb der Gemeinschaft geltenden Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, er nimmt aber dabei die Freizügigkeit für einen Zeitraum in Anspruch, nämlich für die Zeit des erlittenen Arbeitsunfalls in der Bundesrepublik Deutschland (), als dieser Grundsatz in Österreich nicht galt. Die Gleichstellung dieses Arbeitsunfalles mit einem im Inland erlittenen zum Stichtag - oder auch einem späteren Stichtag - käme somit einer Rückwirkung von Gemeinschaftsrecht gleich, die nach den obigen Ausführungen weder vorgesehen noch zulässig ist. Dies führt zu dem Ergebnis, daß sich der beschriebene Arbeitsunfall des Klägers auf die Erfüllung der für die Gewährung der Berufsunfähigkeitspension erforderlichen Wartezeit im Inland nicht auswirkt. Der begehrten Vorlage zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof steht entgegen, daß der Anspruch des Klägers vom zeitlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechtes noch nicht umfaßt ist und daher die Entscheidung nicht von der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes abhängt.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.