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OGH vom 14.04.1994, 10Ob512/94

OGH vom 14.04.1994, 10Ob512/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Maria S 2. Alfred S*****, vertreten durch Dr.Reinhard Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg, wider die beklagte Partei Angelika R*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler, Dr.Karl-Heinz Götz und Dr.Rudolf Tobler jun, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 41 R 505/93-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hainburg an der Donau vom , GZ C 680/92m-7, hinsichtlich des Zweitklägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil und der dadurch bestätigte Teil des erstgerichtlichen Urteils werden aufgehoben. Die Rechtssache wird auch insoweit zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger begehren von der Beklagten die Räumung der von der Straße aus gesehen links liegenden, aus Vorzimmer, Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer bestehenden Wohnung im Hause Hainburg an der Donau, Alte Poststraße 11 samt drei Schuppen und einem angrenzenden Hof. Sie seien je Hälfteeigentümer dieses Hauses, in dem die Beklagte ohne einen Rechtstitel wohne.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ua ein, daß sie das Recht zur Nutzung der Wohnung von der am verstorbenen Leopoldine K***** (L.K.) ableite. Diese sei seit dem Jahre 1971 Hälfteeigentümerin dieses Hauses und habe die Wohnung auf Grund ihres Miteigentums und einer zwischen ihr und den Klägern vor Jahren getroffenen Benützungsvereinbarung bis zu ihrem Tod bewohnt. Die Erstklägerin sei zwar auf Grund des Schenkungsvertrages vom als Eigentümerin der Liegenschaftshälfte L.K.s einverleibt, sei aber nicht Eigentümerin geworden, weil der Schenkungsvertrag ua wegen Geschäftsunfähigkeit der Geschenkgeberin unwirksam sei. Die Beklagte habe L.K. voll gepflegt und versorgt und deren Wohnung mitbewohnt. Sie sei die Alleinerbin.

Außer Streit gestellt wurde, daß vor Schluß der mündlichen Verhandlung die unbedingte Erbserklärung der Beklagten vom Verlassenschaftsgericht angenommen wurde, ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses eingeräumt wurde, sie ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis erstattete und die Einantwortung beantragte.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren beider Kläger statt.

Es stellte ua fest, daß sich L.K. im erwähnten Schenkungsvertrag als Gegenleistung von der Erstklägerin das lebenslängliche unentgeltliche Wohnrecht an den von der linken Eingangstür zu betretenden Räumlichkeiten (Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer) im Erdgeschoß ausbedang. Der Zweitkläger erklärte sich damit einverstanden und unterfertigte den Schenkungsvertrag ebenfalls. Beide Kläger erteilten ihre Zustimmung zur Einverleibung dieses lebenslänglichen, unentgeltlichen Wohnrechtes auf der Gesamtliegenschaft. Anläßlich der Vertragserrichtung wurde in keiner Weise davon gesprochen, daß das Wohnrecht auf Erben L.K.s übergehen sollte. Dies entsprach auch nicht dem Wunsch der Vertragsteile. Das Wohnungsrecht wurde erst auf dringendes Anraten durch den vertragserrichtenden Rechtsanwalt schriftlich fixiert. L.K. wollte zunächst keinerlei Verpflichtungen für die Vertragspartnerin, insbesondere keinerlei Ausgedingsleistungen in den Vertrag aufnehmen. In der Folge wurde zwar das Eigentumsrecht der Erstklägerin, nicht aber das Wohnungsrecht L.K.s grundbücherlich einverleibt.

L.K. benutzte die vom Räumungsbegehren umfaßten Räume weiterhin ausschließlich für sich. Als sie kurz nach Abschluß des Schenkungsvertrages infolge eines Schlaganfalls zum Pflegefall wurde, nahm sich die Beklagte ihrer an und betreute und pflegte sie. Schließlich zog sie dazu in die Wohnung, die sie auch nach dem Tod L.K.s nicht aufgab. Zur Zeit des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung war weder eine Anfechtungsklage hinsichtlich des Schenkungsvertrages noch eine Löschungsklage hinsichtlich der Einverleibung des Eigentums der Erstklägerin anhängig. Die Beklagte war damals auch noch nicht eingeantwortete Erbin L.K.s.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im wesentlichen aus, die Beklagte werde erst durch die Einantwortung Rechtsnachfolgerin L.K.s und könne daher vorher keine Einwendungen erheben. Auf die Unrechtmäßigkeit der Einverleibung wegen Ungültigkeit des Titels könne sich nur der in seinen bücherlichen Rechten Beeinträchtigte berufen. Jedem anderen gegenüber gelte der Grundbuchstand. Der bücherlich Eingetragene könne die mit dem Eigentum verbundenen Rechte einschließlich Räumung geltend machen, soweit kein Rechtsbesitz entgegenstehe. Bis zur Beseitigung des Titels, die nur durch Klage geschehen könne, sei der bessere Besitz iS der §§ 372 und 373 ABGB gegeben. Ein Wohnrecht für Rechtsnachfolger der L.K. sei nicht bewiesen worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten hinsichtlich der Erstklägerin mit Beschluß Folge, hob das Räumungsurteil hinsichtlich der Erstklägerin auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Hinsichtlich des Zweitklägers bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil mit Teilurteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes sei (vor der Einantwortung) nur der durch den zur Besorgung und Verwaltung bestimmten Erben vertretene Nachlaß zur Anfechtung eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages berechtigt. Die Verlassenschaft nach L.K. sei jedoch nicht Partei des Räumungsverfahrens. Eine außergerichtliche Anfechtung des Schenkungsvertrages durch die Beklagte namens der Verlassenschaft sei in erster Instanz nicht behauptet worden. Daher bedürfe es keiner Klärung der Rechtsfrage, ob die im Räumungsverfahren erklärte Anfechtung des Schenkungsvertrages überhaupt zu berücksichtigen sei, oder ob materielle Mängel des Titelgeschäftes nur mit Löschungsklage geltend gemacht werden könnten. Anders sei es, wenn überhaupt kein gültiger Titel vorliege. Dies würde den Rechtsübergang hindern, so daß sich jedermann auf die Unrichtigkeit der Eintragung berufen könnte. Diesbezüglich habe die Beklagte ua Geschäftsunfähigkeit L.K.s. bei Abschluß des Schenkungsvertrages behauptet. Würde sich diese Behauptung als richtig erweisen, hätte die Erstklägerin kein (Mit)Eigentumsrecht erworben und wäre daher zur Räumungsklage nicht aktiv legitimiert. Diese Einrede der Beklagten werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein. Hinsichtlich des Zweitklägers sei das Räumungsbegehren jedoch berechtigt, weil die Beklagte selbst dann keinen tauglichen Rechtstitel zur Benutzung der Liegenschaft vorweisen könnte, wenn der Schenkungsvertrag wegen Geschäftsunfähigkeit der Geschenkgeberin unwirksam wäre. Daran könne die Überlassung und Verwaltung des Nachlasses nichts ändern, weil sich diese nicht auf die nicht in die Verlassenschaft fallende Liegenschaftshälfte der Erstklägerin beziehen könnten.

Gegen das Teilurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten. Sie macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und beantragt, das außerordentliche Rechtsmittel zuzulassen und das angefochtene Urteil durch Abweisung des Räumungsbegehrens des Zweitklägers abzuändern oder es, allenfalls auch das erstgerichtliche Teilurteil aufzuheben.

Der Zweitkläger erstattete eine Revisionsbeantwortung. Darin beantragt er, die außerordentliche Revision zurückzuweisen oder ihr allenfalls nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig. Die Entscheidung hängt nämlich teilweise von der Lösung der von der Revisionswerberin bezeichneten Rechtsfrage des materiellen Rechts ab, ob die zwischen L.K. und dem Zweitkläger bestandene Benützungsvereinbarung über die Liegenschaft (im Falle der Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages) auf die Beklagte als Gesamtrechtsnachfolgerin L.K.s übergegangen ist. Bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage wich das Berufungsgericht nämlich teilweise von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab (§ 502 Abs 1 ZPO).

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß der Mangel eines gültigen Titels den Übergang des Eigentums an einer Liegenschaft durch die bücherliche Eintragung hindert (SZ 23/346; EvBl 1966/397; JBl 1968, 475; SZ 45/35; SZ 58/177 = JBl 1986, 585) und daß sich jedermann auf die Unrichtigkeit einer solchen Eintragung berufen kann (Spielbüchler in Rummel2 § 431 Rz 5). Die Beklagte hat dazu schon in erster Instanz behauptet, daß der zwischen L.K. und der Erstklägerin geschlossene Schenkungsvertrag über die Liegenschaftshälfte der Erstgenannten auch wegen deren angeblicher Geschäftsunfähigkeit zur Zeit des Vertragsschlusses unwirksam wäre. In diesem Fall läge für das einverleibte Miteigentumsrecht der Erstklägerin kein tauglicher Erwerbstitel vor, so daß sie zur Räumungsklage nicht legitimiert wäre. Die behauptete Geschäftsunfähigkeit L.K.s werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein.

Das Berufungsgericht übersah jedoch, daß L.K. im Falle der Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages Miteigentümerin des Hauses geblieben wäre, in dem sie auf Grund einer Benützungsvereinbarung mit dem Zweitkläger als anderem Miteigentümer die Wohnung bewohnte, die von der Beklagten bis zum Tod L.K.s mitbewohnt wurde und seither (als Alleinerbin der Verstorbenen) allein bewohnt wird.

Bei Gesamtrechtsnachfolge bleiben alle Miteigentümer gegenüber dem Eintretenden gebunden, es sei denn, die Benützungsregelung wäre auf die Person der derzeitigen Miteigentümer eingeschränkt worden (EvBl 1970/37; MietSlg 36.066; Gamerith in Rummel2 § 834 Rz 4).

Wäre L.K. wegen Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages Häfteeigentümerin der Liegenschaft geblieben, wäre dies auch die Verlassenschaft; dies hätte zur Folge, daß auch die erwähnte Benützungsvereinbarung mit dem Zweitkläger aufrecht geblieben wäre. Die Beklagte könnte dann die Weiterbenützung der von L.K. auf Grund ihres Miteigeneigentumsrechtes und der Benützungsvereinbarung genutzten Wohnung von dieser Berechtigung ableiten. Da auch der Nachlaß der Beklagten die Weiterbenützung der Wohnung der Verstorbenen gestatten konnte (MietSlg 35.035; Spielbüchler in Rummel2 § 366 Rz 4) und es sich bei der Beklagten bereits bei Schluß der Verhandlung in erster Instanz um die erbserklärte Alleinerbin der allenfalls noch berechtigten Miteigentümerin handelte, der die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen war, hätte die Beklagte auch ein von einem Berechtigten abgeleitetes Recht zur Innehabung der Wohnung der verstorbenen allfälligen Miteigentümerin. Dieses allfällige Recht durfte sie auch gegen das Räumungsbegehren des Zweitklägers einwenden (Spielbüchler aaO).

Das Berufungsgericht hätte das erstgerichtliche Urteil daher auch hinsichtlich des Zweitklägers aufheben müssen.

In Stattgebung der Revision waren somit das angefochtene Teilurteil und der dadurch bestätigte Teil des erstgerichtlichen Urteils aufzuheben und die Rechtssache auch insoweit zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten des Berufungs- und des Revisionverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.