OGH vom 01.10.2014, 15Os104/14d

OGH vom 01.10.2014, 15Os104/14d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Harun T***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 28/14f 36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harun T***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am in S***** unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer paranoiden Schizophrenie samt akutem psychotischen Zustandsbild, dadurch, dass er auf die Polizeibeamten Stefan K*****, Elmar H***** und Carina G***** welche gerade im Begriff waren seine Identität zu erheben und gegen ihn wegen einer strafbaren Handlung zum Nachteil der Bahar S***** zu ermitteln mit einem Messer mit ca 10 cm langer Klinge schnellen Schrittes in aggressiver Weise zuging, sich dabei bis auf ca einen Meter dem Elmar H***** näherte (wobei die Klinge des Messers in Richtung des genannten Polizeibeamten zeigte) und den Beamten gegenüber äußerte „I fick ois! I fick eich alle!“ sowie das Messer erst nach mehrfacher Aufforderung fallen ließ, Beamte durch gefährliche Drohung mit einer Körperverletzung an einer Amtshandlung zu hindern versucht, sohin eine Tat begangen hat, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der Anträge auf


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Vernehmung des Vaters und der Mutter des Betroffenen zum Beweis dafür, „dass der Betroffene im Fall der bedingten Unterbringung einen Wohnsitz und geordnete Wohnverhältnisse vorfinden würde, die eine Aussicht auf ein besseres Fortbringen gewährleisten“ und daher eine bedingte Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme nach § 45 StGB „möglich wäre“ (ON 35 S 18),
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„Verlegung“ der Hauptverhandlung „zum Zwecke des Studiums des heute (in der Hauptverhandlung) erstatteten Gutachtens“, weil der „Verteidigung die genaue inhaltliche Überprüfung des Gutachtens in der heutigen Verhandlung nicht möglich“ war, sowie weil solcherart „die Möglichkeit besteht, bei einem Wohnheim zu erfragen, ob hier eine Möglichkeit der Aufnahme des Betroffenen möglich ist“ (ON 35 S 18 f), und schließlich
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Einholung eines Gutachtens „durch einen Neuropsychiater“ zum Beweis dafür, „dass ein signifikanter Behandlungserfolg beim Betroffenen eingetreten ist“ (ON 35 S 19),
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Verteidigungsrechte des Betroffenen nicht verletzt.

Der zu 1) und der zu 3) gestellte Beweisantrag sowie das Begehren auf Vertagung der Hauptverhandlung zwecks Klärung der Frage, ob die „Möglichkeit“ der Aufnahme des Betroffenen „in ein Wohnheim“ bestehe, zielten weder auf die Klärung von Sachverhaltsgrundlage oder Subsumtion der Anlasstat (Z 4) noch der Sanktionsbefugnisgrenzen (Z 11 erster Fall iVm Z 4), sondern auf den Ermessensbereich der Prognose nach § 45 Abs 1 StGB ab. Damit wird jedoch kein als Nichtigkeitsgrund beachtlicher Verfahrensmangel, sondern bloß ein Berufungsgrund geltend gemacht (vgl RIS Justiz RS0099430, RS0114964).

Mit Beschluss vom (ON 33) wurde Ass.-Prof. Dr. Ernst Gr***** (neuerlich) zum Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie bestellt und ihm die (ergänzende) Erstattung von Befund und Gutachten zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 Abs 1 oder Abs 2 StGB beim Betroffenen aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sowie weiters darüber, ob [mittlerweile] ein Behandlungserfolg eingetreten sei und die Möglichkeit der bedingten Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme (§ 45 StGB) bestehe, aufgetragen. Der diesbezügliche Beschluss (in dem auch auf die für anberaumte Hauptverhandlung hingewiesen wurde) wurde dem Verteidiger zugestellt (vgl AB-Bogen ON 1 S 13).

Ein Recht auf Vertagung der Hauptverhandlung zwecks Studium eines in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens kam dem Betroffenen nicht zu: Das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist grundsätzlich mündlich in der Hauptverhandlung zu erstatten (§§ 247, 252 Abs 1 StPO; Kirchbacher , WK-StPO § 247 Rz 88). Dem Verteidiger steht es dabei frei, durch zweckentsprechende Fragestellung in der Hauptverhandlung das Gutachten des Sachverständigen nachzuvollziehen und auf seine Schlüssigkeit und Beweiskraft zu überprüfen sowie bei Verbleib von Widersprüchen oder von Mängeln des Gutachtens oder bei sonstigen durch Befragung nicht beseitigbaren Bedenken gemäß § 127 Abs 3 StPO die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen zu beantragen. Gemäß § 249 Abs 3 StPO hatte er überdies die Möglichkeit, zur Befragung des Sachverständigen eine Person mit besonderem Fachwissen beizuziehen, zumal er rechtzeitig von der Aufnahme des Sachverständigenbeweises in Kenntnis gesetzt worden ist (vgl Danek , WK-StPO § 276 Rz 16).

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618).

Dass „die Handlungen des Betroffenen unrichtigerweise unter das Delikt des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt subsumiert“ worden wären, bzw die Feststellungen für eine Verurteilung nicht ausreichen, wird von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) nur behauptet, nicht aber dargetan, weshalb dies konkret so sei (vgl RIS Justiz RS0099620).

Indem der Beschwerdeführer im Übrigen seine Verantwortung wiedergibt, weiters darauf hinweist, dass er als „eine zierliche Person“ drei bewaffneten Polizeibeamten gegenüber gestanden sei, und daran anknüpfend behauptet, dass eine wesentliche Beeinflussung der Amtshandlung „denkunmöglich“ sei, nimmt er den gebotenen Vergleich des tatsächlich festgestellten Sachverhalts mit dem zur Anwendung gebrachten materiellen Recht nicht vor (RIS Justiz RS0099810 ).

Weshalb der Tatbestand des § 269 Abs 1 StGB entgegen dem Gesetzeswortlaut („Drohung mit Gewalt“) nur dann erfüllt sein sollte, wenn durch die Tat auch ein Polizeibeamter verletzt wurde, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht argumentativ aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565; vgl Danek in WK² StGB § 269 Rz 54).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00104.14D.1001.000