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OGH vom 17.07.1996, 7Ob2176/96t

OGH vom 17.07.1996, 7Ob2176/96t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, Wien 8, Landesgerichtsstraße 11 (82 Nst 799/94), wider die beklagten Parteien 1.) Franzi Anna B*****, 2.) Erol B*****, dieser vertreten durch Dr.Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehenichtigkeit gemäß § 23 EheG, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 44 R 1146/95w-19, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom , GZ 1 C 57/95p-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend österreichisches Sachrecht angewendet. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SZ 62/159; SZ 67/56; ZfRV 1995/10) ist gemäß § 17 Abs 1 IPRG das Personalstatut des österreichisches Verlobten bei der Beurteilung eines Ehenichtigkeitstatbestandes maßgebend, wenn das Personalstatut des anderen einen gleichartigen Ehenichtigkeitsgrund nicht kennt.

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau (die Führung des Familiennamens des Mannes oder) den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Zur Zeit der Formulierung des Gesetzeswortlauts und auch noch zur Zeit der Rezeption des Ehegesetzes in den Rechtsbereich der zweiten Republik war nach den damals geltenden Staatsbürgerschaftsrechten nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes durch die Frau, nicht auch umgekehrt, vorgesehen. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit dem Inkrafttreten der StbG-Novelle 1983 ist die Eheschließung eines inländischen Staatsbürgers mit einer Person, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzt, für deren Staatsbürgerschaftserwerb nicht nur dann Tatbestands- merkmal, wenn es sich bei dem Fremden um eine Frau handelt ("Ausländerin" in § 4 StbG 1949 oder "eine Fremde" in § 9 StbG 1965), sondern auch dann, wenn der Fremde der männliche Ehepartner ist (der andere "Ehegatte" geschlechtsneutral in § 11 a StbG idgF). Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgeführt hat, trat mit dieser Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes in Ansehung des Nichtigkeitsgrundes nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG nachträglich eine unbeabsichtigte, systemwidrige Lücke auf, welche ungeachtet des § 20 EheG aus dem verfassungsgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot im Sinne der Analogie zu schließen ist (SZ 61/262). Die geänderte staatsbürgerschaftsrechtliche Lage hat die Regelung nach dem zweiten Fall des § 23 Abs 1 EheG auch nicht deshalb gegenstandslos gemacht, weil nunmehr die Eheschließung nicht mehr kraft Gesetzes (§ 4 StbG 1949) zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führt, noch diese durch Erklärung des Fremden, der einen Inländer geheiratet hat, herbeigeführt wird (§ 9 StbG 1965), sondern nunmehr - bei Vorliegen weiterer gesetzlicher Voraussetzungen - einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (§ 11a StbG 1965 idgF) begründet (SZ 61/262; ZfRV 1995/10; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 23 EheG).

Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits mehrfach (SZ 67/56; ZfRV 1995/10, 3 Ob 535/95) - in ausdrücklicher Abkehr von JBl 1993, 245 und unter Ablehnung der gegenteiligen Meinung Pichlers aaO Rz 1 zu § 23 EheG - ausgesprochen, daß auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, ohne nach Erfüllung der Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreicht. Auf die ausführliche Begründung dieser Ansicht in den genannten Entscheidungen kann verwiesen werden. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von der nunmehr bereits gefestigten Rechtsprechung - zu 9 Ob 1594/94 wurde eine außerordentliche Revision aus diesem Grund bereits zurückgewiesen - wieder abzugehen.

Gemäß Art 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff bewirkt eine Verletzung dieses Grundrechts, wenn er nicht gemäß Art 8 Abs 2 EMRK im nationalen Recht gesetzlich vorgesehen und, als in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz eines der in dieser Bestimmung genannten Ziele notwendig, gerechtfertigt ist. Es obliegt der innerstaatlichen Gesetzgebung, die gesetzlichen Regeln, denen zufolge eine Ehe ungültig ist, aufzustellen. Die Nichtigerklärung einer lediglich zur Erlangung der Staatsbürgerschaft geschlossenen Ehe verstößt nicht gegen Art 8 EMRK (EKMR v. , ÖJZ 1992, 594). Der Hinweis in Art 8 Abs 2 EMRK auf das Prinzip der Demokratie, aber auch der Begriff der Notwendigkeit müssen zwar zu einer einschränkenden Auslegung der das Grundrecht begrenzenden Normen führen. Die analoge Anwendung des Nichtigkeitstatbestandes der Staatsbürgerschaftsehe auf eine Eheschließung, mit der nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder der unbehinderte Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt angestrebt wird, kann aber nicht gegen das verfassungsmäßig gewährleistete Grundrecht verstoßen, weil die Eheschließung nicht auf Gründung einer umfassenden Lebensgemeinschaft gerichtet war. Die von der Rechtsprechung geübte Gesetzesanalogie ist daher nicht konventionswidrig.

Ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichtes, daß die ordentliche Revision zulässig sei, war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.