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OGH 01.02.2011, 10Ob1/11m

OGH 01.02.2011, 10Ob1/11m

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen M*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung, Bezirk 21, 1210 Wien, Am Spitz 1), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge Revisionsrekurses des Vaters D*****, unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, als Kurator, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 96/10v-38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 2 PU 134/09p-24, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom (ON 24) den auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG gerichteten Antrag des durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Minderjährigen vom ab.

Das Rekursgericht änderte mit Beschluss vom (ON 38) die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Minderjährigen auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit vom bis Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG in Höhe von 105,40 EUR monatlich zuerkannte. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig sei.

Innerhalb der Rechtsmittelfrist erhob die Mutter des Minderjährigen gegen diese Entscheidung per Fax ein „Einspruchsbegehren“ (ON 41), worin sie die Gewährung eines höheren Unterhaltsvorschusses begehrte. Weiters kündigte sie darin an, dass sie ihr Einspruchsbegehren bei ihrer für den anberaumten Einvernahme vor dem Erstgericht persönlich vorbringen werde. Im Protokoll über diese Einvernahme der Mutter des Minderjährigen findet sich dazu jedoch keine Aussage. Laut Verfügung des Erstgerichts vom wurde eine Kopie dieser Eingabe dem Jugendwohlfahrtsträger „zK“ übermittelt. Nach der Aktenlage erfolgte bisher keine weitere verfahrensmäßige Behandlung dieser Eingabe.

In der Folge erhob der für den Vater bestellte Kurator gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom (ON 38) Revisionsrekurs. Diesen Revisionsrekurs legte das Erstgericht gemeinsam mit einer vom Jugendwohlfahrtsträger dazu erstatteten Revisionsrekursbeantwortung dem Obersten Gerichtshof im Wege des Rekursgerichts zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Aktenvorlage ist verfrüht.

Über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hat das Pflegschaftsgericht im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden (§ 10 UVG). Auch die Mutter als Zahlungsempfängerin ist Partei iSd § 2 Abs 1 AußStrG (vgl RIS-Justiz RS0120860 [T12]) und daher grundsätzlich rechtsmittellegitimiert. Ihre Rechtsmittellegitimation beschränkt sich allerdings auf ihre Eigenschaft als Zahlungsempfängerin. Mit der Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum alleinigen gesetzlichen Vertreter des Kindes verliert nämlich die bisher gesetzlich vertretungsbefugte Person ex lege ihre Vertretungsbefugnis in allen Unterhaltsfestsetzungs- und Unterhaltsvorschussangelegenheiten. Der obsorgeberechtigten Person steht somit in der Folge in allen Unterhaltsangelegenheiten kein Rechtsmittelrecht mehr zu (vgl Neumayr in Schwimann, ABGB³ I § 15 UVG Rz 7 f mwN).

Das Erstgericht wird daher der Mutter des Minderjährigen zu ihrem „Einspruchsbegehren“ vom (ON 41) Rechtsbelehrung zu erteilen haben. Wenn die Mutter nach einer solchen Rechtsbelehrung darauf bestehen sollte, dass ihre Eingabe als Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom zu verstehen sei, und sie ihr Rechtsmittel weiterhin aufrecht erhält, wird das Erstgericht der Revisionsrekurswerberin den Auftrag zu erteilen haben, ihr Rechtsmittel innerhalb zu bestimmender Frist durch die Unterfertigung eines Rechtsanwalts (vgl § 6 Abs 1 AußStrG) zu verbessern. In diesem Fall wird das Erstgericht den Akt nach Vorliegen der Revisionsrekursbeantwortungen der anderen Verfahrensparteien bzw nach fruchtlosem Verstreichen der Frist zur Revisionsrekursbeantwortung erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben. Sollte das „Einspruchsbegehren“ der Mutter des Minderjährigen aber nicht als Rechtsmittel zu verstehen sein oder sollte dieses Rechtsmittel nach Rechtsbelehrung von der Mutter des Minderjährigen nicht mehr aufrecht erhalten werden, wird der Akt umgehend dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Revisionsrekurs des Vaters wieder vorzulegen sein.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen M*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung, Bezirk 21, 1210 Wien, Am Spitz 1), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge Revisionsrekurses des Vaters D*****, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, als Kurator, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 96/10v-38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 2 PU 134/09p-24, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom (vgl ON 4) wurde festgestellt, dass D***** der uneheliche Vater des minderjährigen M***** (nunmehr L*****) ist. Daraufhin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom das seit wegen der Feststellung der Vaterschaft unterbrochene Unterhaltsfestsetzungsverfahren fortgesetzt.

Am stellte der Jugendwohlfahrtsträger den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG mit der Begründung, dass eine Festsetzung des Unterhaltsbeitrags aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht möglich sei, da sich dieser voraussichtlich in Großbritannien aufhalte und aufgrund seiner mangelnden Kooperation seine Leistungsfähigkeit nicht überprüft werden könne.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Unterhaltsbevorschussung im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Leistungsfähigkeit des Vaters, der Student sei und in Großbritannien wohne, werde im anhängigen Unterhaltsverfahren geprüft und könne daher derzeit noch nicht festgestellt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen teilweise Folge und bewilligte Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in Höhe von 105,40 EUR monatlich für die Zeit vom bis . Die Bewilligung eines vorläufigen Unterhalts gemäß § 382a EO in Höhe von 105,40 EUR monatlich ab durch den ebenfalls im gegenständlichen Verfahren ergangenen Beschluss des Rekursgerichts vom , 42 R 529/09v, stehe einer Gewährung der beantragten Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG nicht entgegen. Die Voraussetzungen für eine Unterhaltsvorschussgewährung nach dieser Gesetzesstelle seien gegeben, da der Unterhaltsschuldner unbekannten Aufenthalts in Großbritannien sei und seine näheren Lebensverhältnisse nicht geklärt seien. Es müsse nach der Aktenlage davon ausgegangen werden, dass die Schaffung eines Unterhaltstitels in einem dem Unterhaltszweck angemessenen Zeitraum nicht gelingen werde. Dem Minderjährigen würden daher gemäß § 6 Abs 2 Z 1 UVG Unterhaltsvorschüsse in Höhe von einem Viertel, ab in Höhe von 35 % des Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen zustehen. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei es im vorliegenden Fall jedoch nicht gerechtfertigt, die Leistungsfähigkeit des Vaters als Student zur Zahlung eines höheren Unterhalts als 105,40 EUR monatlich als gegeben anzunehmen. Nur in diesem Ausmaß erscheine eine Unterhaltsfestsetzung als realistisch. Nach Ansicht der Rechtsprechung seien die Richtsatzquoten des § 6 Abs 2 UVG auch in den Fällen des § 4 Z 2 letzter Halbsatz UVG nur als Obergrenzen anzusehen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die aufgezeigte Rechtsfrage betreffend den Maßstab einer offenbaren Leistungsunfähigkeit iSd § 4 Z 2 letzter Halbsatz UVG zulässig sei.

Das unterhaltsberechtigte Kind wie auch der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, ließen diese Entscheidung unbekämpft.

Der Revisionsrekurs des Unterhaltsschuldners, vertreten durch den für ihn bestellten Kurator, ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist hier ohne Bedeutung, weil die Abweisung des über den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO hinausgehenden Mehrbegehrens auf die Höhe des Richtsatzvorschusses nicht angefochten wurde.

2. Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Bewilligung eines vorläufigen Unterhalts gemäß § 382a EO der Gewährung der beantragten Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG nicht entgegensteht, wird mit Recht auch im Revisionsrekurs nicht in Zweifel gezogen (vgl dazu auch Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 4 UVG Rz 56 mwN).

3. Die Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 erster Fall UVG setzt voraus, dass die Festsetzung des Unterhaltsbeitrags überhaupt aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht gelingt. Überdies darf es nicht offenbar sein, dass der Unterhaltsschuldner zu einer Unterhaltsleistung außer Stande ist.

3.1 § 4 Z 2 erster Fall UVG bewirkt somit, dass ein Unterhaltsberechtigter mit seinem Vorschussantrag grundsätzlich nicht bis zur Erledigung des Titelverfahrens zuwarten muss, wenn durch Umstände, die auf Seite des Unterhaltsschuldners liegen, eine Unterhaltsfestsetzung in einer mit dem Unterhaltszweck unangemessenen Weise verzögert oder verhindert wird. Diese Umstände können sich auch erst während des laufenden Titelverfahrens ergeben. Grundsätzlich muss der Unterhaltsberechtigte alles für eine Unterhaltsfestsetzung Erforderliche und Zumutbare unternehmen. Nach der Intention des Gesetzes sollen Vorschüsse im Wesentlichen dann gewährt werden können, wenn der Unterhaltsschuldner unbekannten Aufenthalts ist und/oder Ungewissheit über seine Lebensverhältnisse herrscht, weil in diesen Fällen ein Beweisdefizit besteht, indem der für die Unterhaltsbemessung entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ermittelt werden kann (Neumayr aaO § 4 UVG Rz 29 und 37 mwN).

Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, hindern der unbekannte Aufenthalt und ungeklärte Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners die Bevorschussung nicht, weil Vorschüsse nach dem Willen des Gesetzgebers gerade dann gewährt werden sollen, wenn ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung erfolglos blieb oder aus Gründen in der Person des Unterhaltsschuldners von vornherein mangels realistischer Erfolgsaussicht nicht gestellt wurde (7 Ob 243/05v mwN). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass aufgrund der derzeitigen Aktenlage davon ausgegangen werden müsse, dass eine endgültige Unterhaltsfestsetzung im Hinblick auf den unbekannten Aufenthalt und die ungeklärten Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners in einer dem Unterhaltszweck angemessenen Zeit nicht gelingen werde, steht mit den in der zitierten Rechtsprechung dargestellten Grundsätzen im Einklang. Die vom Kurator im Revisionsrekurs geforderte Einschaltung eines Detektivs zur Ausforschung des Aufenthaltsorts des Unterhaltsschuldners stellt keine dem unterhaltsberechtigten Kind zumutbare Maßnahme dar.

3.2 Die Vorschussleistung nach § 4 Z 2 UVG soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Unterhaltsschuldner „offenbar“ zur Unterhaltsleistung bzw zur Leistung des höheren Unterhalts nicht im Stande ist. Auch eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG setzt voraus, dass der Unterhaltsschuldner an sich in der Lage ist, Unterhalt zu leisten. Die Leistungsunfähigkeit müsste sich auf der eingeschränkten Beweisgrundlage des § 11 Abs 2 UVG durch einen positiven Beweis ergeben. Ein Beweisdefizit und Zweifel über die Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit nicht offenbar und stehen daher der Bevorschussung nicht entgegen (Neumayr aaO § 4 UVG Rz 44 f mwN; SZ 63/95 ua).

Die Auffassung des Rekursgerichts, von einer offenbaren Leistungsunfähigkeit des unehelichen Vaters könne hier nicht ausgegangen werden, stellt eine Einzelfallbeurteilung dar und steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Auch der für ihn bestellte Kurator, der naturgemäß (unbekannter Aufenthalt des Unterhaltsschuldners im Ausland) bisher außer Stande war, mit dem unehelichen Vater Kontakt aufzunehmen, konnte keine Gesichtspunkte aufzeigen, die das Rekursgericht bei seiner Beurteilung nicht schon beachtet hätte (vgl 6 Ob 292/02p). Es geht vielmehr der Kurator in seinem Rechtsmittel auch selbst ausdrücklich davon aus, dass eine „offenbare“ Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht vorliegt.

Der Revisionsrekurs wird daher - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG - zurückgewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Zivilrecht,Zivilverfahrensrecht,Unterhaltsrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2011:0100OB00001.11M.0201.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAD-77246