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VfGH vom 02.03.2010, B1019/09

VfGH vom 02.03.2010, B1019/09

19012

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrages des Publikumsrates des ORF auf Feststellung einer Verletzung des ORF-Gesetzes; hilfsweise gestellter Antrag auch durch Beschlussfassung im Publikumsrat gedeckt; Abweisung der Beschwerde jedoch hinsichtlich des Hauptantrages auf Feststellung des Vorliegens einer Gesetzesverletzung; keine Behauptung einer konkreten Rechtsverletzung

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

III. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit einem Antrag gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litb Bundesgesetz über

den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl. 379/1984 in der Fassung BGBl. I 102/2007, begehrte die beschwerdeführende Partei die Feststellung, der Bundeskommunikationssenat möge entscheiden, "ob durch die Einblendung eines Spots für die Spielshow 'Dancing Stars' in den Spielfilm 'Der Teufel trägt Prada' [...] das ORF-G, insbesondere in seinen §§13 Abs 3 und 14 Abs 7 und 8, verletzt wurde".

Diesem Antrag lag folgender Beschluss des Publikumsrates zugrunde:

"Der Publikumsrat beauftragt seinen Vorsitzenden, beim Bundeskommunikationssenat gemäß § 36 Abs 1 Z. 2 litb ORF-G einen Antrag auf Entscheidung zu stellen, ob durch die Einblendung eines nicht zum Film gehörenden Tanzpärchens mit einem Programmhinweis auf 'Dancing Stars' in dem Spielfilm 'Der Teufel trägt Prada' am um

20.15 Uhr in ORF 1 Bestimmungen des 3. Abschnitts des ORF-Gesetzes verletzt wurden oder nicht verletzt wurden."

Zur Antragslegitimation wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, dass für Anträge gemäß § 36 ORF-G - anders als für Beschwerden - keine inhaltliche Voraussetzung normiert sei. Aus dem Kreis der Antragsberechtigten sei zu erschließen, dass ein Rechtsklärungsinteresse anzunehmen sei, das aber nicht notwendigerweise darauf gerichtet sein müsse, eine Verletzung des Gesetzes festzustellen. Dieser Hinweis erfolge, weil der Bundeskommunikationssenat mit einem anderen (näher bezeichneten) Bescheid einen gar nicht gestellten Antrag auf Feststellung einer Gesetzesverletzung abgewiesen habe. Der Antrag habe aber auf Feststellung gelautet, ob das Gesetz und nicht dass das Gesetz verletzt worden sei. Damit sei der beschwerdeführenden Partei unterstellt worden, dass sie von einer Rechtsverletzung ausgehe. Hintergrund des einstimmigen Beschlusses der beschwerdeführenden Partei sei aber das Rechtsklärungsinteresse gewesen.

In einer Replik auf eine Stellungnahme des Österreichischen Rundfunks (als Antragsgegner, im Folgenden: ORF) zu diesem Antrag stellte die beschwerdeführende Partei außerdem aus "prozessualer Vorsicht (...) hilfsweise" den Antrag, der Bundeskommunikationssenat möge feststellen, "dass durch die Einblendung eines Spots für die Spielshow 'Dancing Stars' in den Spielfilm 'Der Teufel trägt Prada' am um 20.15 Uhr in ORF 1 das ORF-G, insbesondere in seinen §§13 Abs 3 und 14 Abs 7 und 8, verletzt wurde".

2. Mit Bescheid des Bundeskommunikationssenates wurden beide Anträge zurückgewiesen. Die Zurückweisung des ersten Antrages (Spruchpunkt 1.) wurde damit begründet, dass keine konkrete Rechtsverletzung behauptet wurde, sondern dem Bundeskommunikationssenat nur ein bestimmter Sachverhalt vorgelegt worden sei, der von Zuseherinnen und Zusehern als störend empfunden und daher an die beschwerdeführende Partei herangetragen worden sei. Die beschwerdeführende Partei selbst gehe nicht von einer Rechtsverletzung aus. Die Notwendigkeit der Behauptung und Begründung einer konkreten Rechtsverletzung auch für Anträge gemäß § 36 Abs 1 Z 2 ORF-G ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des § 35 Abs 1 und des § 36 Abs 4 ORF-G und einer darauf aufbauenden systematischen Interpretation des § 36 Abs 1 Satz 1 ORF-G. Sowohl eine Beschwerde nach § 36 Abs 1 Z 1 ORF-G als auch ein Antrag gemäß § 36 Abs 1 Z 2 ORF-G müsse daher die Umstände bezeichnen, durch welche (zB Sendung) der ORF behauptetermaßen Bestimmungen des ORF-G verletzt habe; ebenso müsse, wie eine Beschwerde nach § 36 Abs 1 Z 1 ORF-G, auch ein Antrag nach § 36 Abs 1 Z 2 ORF-G eine Verletzung konkreter Bestimmungen des ORF-G behaupten und diese Behauptung näher begründen. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen des § 35 Abs 1 und § 36 Abs 4 ORF-G, wonach der Bundeskommunikationssenat zur Entscheidung über "behauptete Verletzungen" von Bestimmungen des ORF-G berufen ist; in systematischer Sicht ergebe sich, dass § 36 Abs 1 Satz 1 ORF-G die Behauptung der Rechtsverletzung durch die nachfolgend geregelten Fälle einer Beschwerde oder eines Antrages vor Augen habe, wenn er den Bundeskommunikationssenat zur Entscheidung "über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes" beruft.

Zur Zurückweisung des zweiten (hilfsweise gestellten) Antrages (Spruchpunkt 2.) führt der Bundeskommunikationssenat aus, dass der beschwerdeführenden Partei nur der Hauptantrag zur Beschlussfassung vorgelegen sei. Das Gesetz gehe davon aus, dass ein Antrag der beschwerdeführenden Partei auf einer entsprechenden Willensbildung beruhe und der Beschlussfassung gemäß § 29 Abs 4 ORF-G unterzogen wurde und eine Mehrheit gefunden habe. Ein "Antrag" im Sinne des § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G setze also eine, in einem Beschluss gemäß § 29 Abs 4 ORF-G zustande gekommene Willensbildung der beschwerdeführenden Partei voraus, einen solchen Antrag beim Bundeskommunikationssenat auch tatsächlich zu stellen. Der hilfsweise gestellte Antrag entbehre einer solchen Beschlussfassung im Publikumsrat. Es liege daher kein "Antrag des Publikumsrats" im Sinne des § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G, sondern nur eine Äußerung des Verfahrensvertreters der beschwerdeführenden Partei vor. Dieser sei aber gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G nicht antragslegitimiert.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei behauptet, dass der Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG verletze, da die belangte Behörde durch die Zurückweisung der Anträge zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert habe. Der Verfassungsgerichtshof möge daher den angefochtenen Bescheid zur Gänze, eventualiter Spruchpunkt 1. oder Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides aufheben und den Rechtsträger der belangten Behörde in den Kostenersatz verfällen.

Die Beschwerdebehauptungen werden im Wesentlichen folgendermaßen begründet:

Schon nach dem Gesetzeswortlaut werde für Anträge gemäß § 36 Abs 1 Z 2 lita, b und c ORF-G keine Rechtsverletzungsbehauptung gefordert. Dies lasse sich auch aus der Entstehungsgeschichte der rundfunkrechtlichen Anträge und Beschwerden heraus erklären. Daraus sei ersichtlich, dass Anträge eigenständig und anders als Beschwerden (insb. hinsichtlich Zuständigkeit, Fristen, Neuerungsverbot, Parallelität, Rechtsverletzung) konzipiert worden seien und daher die für die "historisch älteren" Beschwerden vorgesehenen Regelungen - insb. hinsichtlich der Rechtsverletzungsbehauptung - nicht auf Anträge anwendbar seien. Aus diesem Grund habe sich der Gesetzgeber auch bei Schaffung der Antragsrechte gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litd und e ORF-G veranlasst gesehen, die auf Grund der Richtlinie 98/27/EG erforderlichen spezifischen Rechtsverletzungsbehauptungen gesondert zu normieren. Aus der historischen Entwicklung erkläre sich auch, warum § 35 Abs 1 ORF-G davon spricht, dass der Bundeskommunikationssenat über "behauptete Verletzungen" von Bestimmungen des ORF-G zu entscheiden habe und § 36 Abs 4 ORF-G die Frist vom Zeitpunkt der "behaupteten Rechtsverletzung" an laufen lasse: Beide Formulierungen gingen auf eine Fassung des Rundfunkgesetzes zurück, in der es nur Beschwerden, aber noch keine Anträge gegeben habe. Dass der Anwendungsbereich dieser Regelungen auf Anträge erweitert werden sollte, sei nicht anzunehmen. Auch aus § 30 Abs 1 Z 3 ORF-G ergebe sich lediglich, dass der beschwerdeführenden Partei "die Anrufung des BKS" obliege, wobei auch verlangt werde, dass sie in eigenen Rechten verletzt sein oder eine (sonstige) Rechtsverletzung ausdrücklich behaupten müsse. Sofern man aber ein Erfordernis einer (geringen) Rechtsverletzungsbehauptung annehme, werde dies von dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Antrag erfüllt. Möge auch im Antrag die Rechtsmeinung zum Ausdruck gebracht worden sein, dass eine Rechtsverletzungsbehauptung nicht notwendig sei, so ergebe sich aus dem Sachverhaltsvorbringen des Antrages eindeutig, dass eine Sachentscheidung des Bundeskommunikationssenates über eine ausreichend konkret behauptete Verletzung von - sogar ausdrücklich bezeichneten - Bestimmungen des ORF-G begehrt worden sei.

Daneben verkenne der angefochtene Bescheid den Charakter des den Anträgen zugrunde liegenden Beschlusses der beschwerdeführenden Partei. Mit dem Beschluss wurde dem Vorsitzenden der beschwerdeführenden Partei der Auftrag erteilt, einen bestimmten Antrag beim Bundeskommunikationssenat zu stellen. Die Absicht der beschwerdeführenden Partei sei auf die Herbeiführung einer Entscheidung des Bundeskommunikationssenates gerichtet gewesen. Der Beschluss decke daher selbstverständlich auch vom Wortlaut des Beschlusses sprachlich abweichende Anträge, solange sie dieser im Beschluss zum Ausdruck gebrachten Absicht der beschwerdeführenden Partei entsprechen.

4. Die belangte Behörde legte fristgerecht die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Zur Rechtslage:

Die maßgeblichen Regelungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl. 379/1984 idF BGBl. I 102/2007, lauten wie folgt:

"Funktionsdauer, Vorsitz und Beschlussfassung

§29. (1) - (3) [...]

(4) Der Publikumsrat fasst seine Beschlüsse bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Für Beschlüsse gemäß § 41 Abs 1 ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die für den Stiftungsrat geltenden Bestimmungen zur Feststellung der Beschlussfähigkeit bei Nichtbestellung und über die Vertretung im Fall der Verhinderung bei einer Sitzung gelten sinngemäß.

(5) - (6) [...]

[...]

8. Abschnitt

Rechtliche Kontrolle

Rechtsaufsicht

§35. (1) Die Aufsicht des Bundes über den Österreichischen Rundfunk beschränkt sich auf eine Aufsicht nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes, unbeschadet der Prüfung durch den Rechnungshof. Die Rechtsaufsicht obliegt dem Bundeskommunikationssenat, der über behauptete Verletzungen von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu entscheiden hat. Ferner entscheidet der Bundeskommunikationssenat über Einsprüche gemäß § 33 Abs 6.

(2) Dem Bundeskommunikationssenat obliegt auch die Rechtsaufsicht über die Tätigkeit der Tochtergesellschaften des Österreichischen Rundfunks im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

Beschwerden und Anträge

§36. (1) Der Bundeskommunikationssenat entscheidet neben den in § 11a KOG genannten Fällen gemäß § 35 Abs 1 - soweit dafür nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist - über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes

1. auf Grund von Beschwerden


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a)
einer Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet;
b)
eines die Rundfunkgebühr entrichtenden oder von dieser befreiten Rundfunkteilnehmers im Sinne des Rundfunkgebührengesetzes, sofern die Beschwerde von mindestens 120 solchen Personen oder Personen, die mit einem die Rundfunkgebühr entrichtenden oder mit einem von dieser Gebühr befreiten Rundfunkteilnehmer im gemeinsamen Haushalt wohnen, unterstützt wird;
c)
einer Person, die begründet behauptet, durch eine Verletzung der Vorschriften der [...] in Fernsehprogrammen in ihren spezifisch in ihrer Person liegenden Interessen betroffen zu sein, sofern der behaupteten Verletzung im Hinblick auf die Zielsetzungen der angeblich verletzten Bestimmung erhebliche Bedeutung zukommt - wie etwa durch eine schwer wiegende Beeinträchtigung der sittlichen Entwicklung Jugendlicher oder durch einen massiven Verstoß gegen den Schutz der Menschenwürde - und die in dieser Beschwerde relevierten Beschwerdepunkte nicht schon Gegenstand einer nach lita und b oder dieser Litera eingebrachten Beschwerde sind, sowie
d)
eines Unternehmens, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch die behauptete Verletzung berührt werden.


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2.
auf Antrag


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a)
des Bundes oder eines Landes;
b)
des Publikumsrates;
c)
von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Stiftungsrates;
d)
des Vereins für Konsumenteninformation oder einer gesetzlichen Interessensvertretung, soweit in Fernsehprogrammen eine Verletzung der Bestimmungen der [...] behauptet wird;
e)
soweit eine Verletzung der in litd genannten Bestimmungen in Fernsehprogrammen behauptet wird, auch einer der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften [...] veröffentlichten Stellen und Organisationen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, sofern


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1.
die von dieser Einrichtung geschützten Interessen in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigt werden und
2.
der in der Veröffentlichung angegebene Zweck der Einrichtung die Antragstellung rechtfertigt.

(2) - (3) [...]

(4) Beschwerden sind innerhalb von sechs Wochen, Anträge sind innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der be-haupteten Verletzung dieses Bundesgesetzes, einzubringen. Offen-sichtlich unbegründete Beschwerden und Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

(5) - (10) [...]

Entscheidung

§37. (1) Die Entscheidung des Bundeskommunikationssenates besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist.

(2) - (4) [...]"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften wurden nicht vorgebracht und sind aus Anlass der vorliegenden Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden.

2. Die beschwerdeführende Partei behauptet, dass die belangte Behörde durch die Zurückweisung ihrer Anträge zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert habe. Dies führe zu einem Verstoß des angefochtenen Bescheides gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

3. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. richtet, ist sie nicht begründet:

3.1. Dem Bundeskommunikationssenat obliegt gemäß § 35 Abs 1 ORF-G die Rechtsaufsicht über den ORF, was bedeutet, dass er "über behauptete Verletzungen von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu entscheiden hat". Gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G kann der Publikumsrat einen Antrag auf Entscheidung durch den Bundeskommunikationssenat "gemäß § 35 Abs 1 [...] über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes" stellen. Der Antrag ist nach § 36 Abs 4 ORF-G innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt "der behaupteten Verletzung dieses Bundesgesetzes" einzubringen.

3.2. Bereits der Wortlaut der maßgeblichen Regelungen macht deutlich, dass die Rechtsaufsicht, die die belangte Behörde auszuüben hat, in der Entscheidung über "behauptete Verletzungen" des ORF-G besteht. Entgegen der von der beschwerdeführenden Partei vertretenen Annahme, dass die belangte Behörde auch die Zuständigkeit besitze, losgelöst von einer konkreten Behauptung zu entscheiden, ob eine Verletzung des ORF-G stattgefunden hat, geht die belangte Behörde daher zu Recht davon aus, dass als Zulässigkeitsvoraussetzung auch für Anträge nach § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G (zumindest) die Behauptung einer konkreten Rechtsverletzung erforderlich ist und sie daher lediglich die Befugnis hat, auf einen solcherart konkretisierten Antrag hin festzustellen, dass der ORF gegen das ORF-G verstoßen hat (oder nicht). Dem steht auch die Regelung des § 37 Abs 1 ORF-G nicht entgegen, wonach die Entscheidung des Bundeskommunikationssenates in der Feststellung besteht, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist, wird doch daraus lediglich deutlich, dass der Bundeskommunikationssenat bei seiner Entscheidung nicht an das Beschwerdevorbringen gebunden ist, sondern den Sachverhalt auf einen Verstoß gegen jegliche Regelungen des ORF-G überprüfen kann (s. Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze2, 2008, 167).

3.3. Die Behauptung, dass § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G nach seinem Wortlaut keine konkrete Rechtsverletzungsbehauptung erfordern würde, während dieses Erfordernis in Bezug insbesondere auf Anträge gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litd und e ORF-G ausdrücklich festgehalten sei, erweist sich insofern als nicht stichhaltig, als die möglichen Anträge in diesen Fällen ausdrücklich auf die Verletzung ganz bestimmter Regelungen des ORF-G beschränkt werden. Daraus erhellt, warum deren ausdrückliche Festlegung in der Regelung notwendig ist. Daraus ist aber keineswegs der (Umkehr )Schluss zu ziehen, dass es für Anträge nach § 36 Abs 1 Z 2 lita, b und c ORF-G keiner Rechtsverletzungsbehauptung als Voraussetzung bedarf.

3.4. Darüber hinaus ist es vor dem Hintergrund der Umschreibung des Auftrages der belangten Behörde zur Rechtsaufsicht in § 35 Abs 1 ORF-G nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ein "Antrag" insofern anders zu behandeln sein sollte, als eine "Beschwerde". Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Formulierung der (heutigen) §§35 Abs 1 und 36 Abs 4 ORF-G lediglich Beschwerden und keine Anträge vorgesehen waren, vermag ebenso wenig unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen zu begründen: So ist insbesondere nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei Normierung der Frist für Anträge in § 36 Abs 4 ORF-G übersehen haben könnte, dass auch der Beginn der Fristen für Anträge nach der gewählten Formulierung an den Zeitpunkt der "behaupteten Verletzung" des ORF-G anknüpft.

3.5. Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass aus dem Inhalt des Antrages - obwohl darin deutlich gemacht werde, dass eine Rechtsverletzungsbehauptung nicht als notwendig angesehen wird - klar hervorgehe, dass eine Sachentscheidung der belangten Behörde über eine ausreichend konkret behauptete Verletzung von - sogar namentlich genannten - Bestimmungen des ORF-G begehrt werde, ist entgegenzuhalten, dass der Antrag ausdrücklich allein darauf gerichtet war, festzustellen, ob durch die Einblendung des Spots näher bezeichnete Bestimmungen des ORF-G verletzt worden sind. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie - insbesondere auch unter Berücksichtigung der insoweit klaren Ausführungen im Antrag - vom (bewussten) Fehlen einer konkreten Rechtsverletzungsbehauptung ausgeht und den Antrag daher nicht umdeutet.

4. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, ist sie dagegen begründet:

4.1. Mit Spruchpunkt 2. hat die belangte Behörde den hilfsweise gestellten Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Feststellung, "dass durch die Einblendung eines Spots für die Spielshow 'Dancing Stars' in den Spielfilm 'Der Teufel trägt Prada' [...] das ORF-G, insbesondere in seinen §§13 Abs 3 und 14 Abs 7 und 8, verletzt wurde", mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antrag einer Beschlussfassung im Publikumsrat entbehre. Der Publikumsrat habe selbst nur den zu Spruchpunkt 1. behandelten Hauptantrag seiner Willensbildung unterzogen und zum Beschluss erhoben.

4.2. Einem Antrag des Publikumsrates gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G muss ein Beschluss des Publikumsrates nach den Vorgaben des § 29 Abs 4 ORF-G zugrunde liegen. Unabhängig von der konkreten Formulierung eines solchen Beschlusses des Publikumsrates ist davon auszugehen, dass die Intention des Publikumsrates regelmäßig darin besteht, einen rechtlich zulässigen Antrag zu stellen. Ein Beschluss auf Stellung eines Antrages gemäß § 36 Abs 1 Z 2 litb ORF-G zielt damit im Ergebnis darauf ab, eine (Sach )Entscheidung des Bundeskommunikationssenates im Sinne von § 37 Abs 1 ORF-G zu erwirken. Infolgedessen deckt ein solcher Beschluss alle Eingaben im Laufe eines Verfahrens, die dazu dienlich sind. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

4.3. Durch die Zurückweisung des hilfsweise gestellten Antrages des Publikumsrates in Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurde die beschwerdeführende Partei somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit aufzuheben.

5. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens, wonach die Beschwerde teilweise abgewiesen und ihr teilweise stattgegeben wurde, werden die Kosten des Verfahrens in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufgehoben (vgl. zB VfSlg. 15.721/2000, 16.132/2001, 17.380/2004).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.