Suchen Hilfe
VfGH vom 03.03.2007, B1019/06

VfGH vom 03.03.2007, B1019/06

Sammlungsnummer

18076

Leitsatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung über den Ausschluss der Anwendbarkeit des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes auf Fremde mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz; keine Präjudizialität der Bestimmungen des NAG bei Zurückweisung des Antrags eines Asylwerbers auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte während eines noch nicht nicht abgeschlossenen Asylverfahrens

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Gambia, stellte am einen Antrag auf Gewährung von Asyl, der mit Bescheid vom in erster Instanz gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde. Unter einem wurde gemäß § 8 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung für zulässig erklärt sowie die Ausweisung ausgesprochen. Dagegen brachte er Berufung ein. Das Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat ist noch anhängig. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer vorläufig aufenthaltsberechtigt nach dem AsylG 1997 (§75 Abs 1 AsylG 2005 iVm. § 19 Abs 2 AsylG 1997).

1.2. Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige und beantragte mit Eingabe vom die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 54 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BG BGBl. I Nr. 157/2005. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde der Antrag gemäß § 1 Abs 2 Z 1 NAG zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer nach § 19 Abs 2 AsylG 1997 (vorläufig) aufenthaltsberechtigt und das NAG für ihn nicht anwendbar sei.

Die dagegen erhobene Berufung wies die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom ab. Begründend führte sie auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass das NAG auf den Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs 2 Z 1 NAG nicht anwendbar sei. Auch seien gemäß § 54 Abs 1 NAG nur Ehegatten von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, die diesen begleiten oder ihm nachziehen, zur Niederlassung berechtigt. Dies gelte für Angehörige von Österreichern nur, sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben.

2. In der Beschwerde werden Bedenken dahingehend geäußert, dass die Begriffsbestimmung in § 2 Abs 1 Z 14 NAG den gemäß Art 18 Abs 1 B-VG verfassungsgesetzlich gebotenen Vorgaben nicht entspreche. Weiters werden mit Blick auf ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973 (BVG BGBl. Nr. 390/1973), und Art 8 iVm. Art 14 EMRK - im Hinblick auf die "Inländerdiskriminierung" - Bedenken gegen die Wortfolge "sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben" in § 57 NAG geltend gemacht. Anknüpfend an die Vorabentscheidung des ("Dörr-Ünal"), rügt die Beschwerde unter dem Titel des Art 83 Abs 2 B-VG und des ArtI Abs 1 BVG BGBl. Nr. 390/1973 die Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs 2 NAG.

Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 BVG BGBl. Nr. 390/1973 und Art 14 EMRK sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK geltend.

3. Die Bundesministerin für Inneres legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Zur Rechtslage:

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BG BGBl. I Nr. 31/2006, trat als Teil des Fremdenrechtspakets 2005 gemäß § 82 NAG mit in Kraft. Die durch Art 9 Betrugsbekämpfungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 99, in Kraft getreten am , normierten Änderungen des NAG betreffen nicht die hier maßgeblichen Bestimmungen und sind für das vorliegende Verfahren nicht relevant.

Im Sinne des § 1 Abs 1 NAG regelt dieses Bundesgesetz die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten (wollen) sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten. Für den vorliegenden Fall ist Abs 2 Z 1 leg.cit. maßgeblich. Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Geltungsbereich

§1. (1) ...

(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Fremde, die

1. nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt;

2. ...

3. ..."

Für das vorliegende Verfahren sind weiters § 19 Abs 2 AsylG 1997 iVm. der im folgenden wiedergegebenen Übergangsbestimmung des § 75 Abs 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, maßgeblich:

"Übergangsbestimmungen

§75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) - (6)"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. § 1 Abs 2 Z 1 NAG schließt die Anwendung des NAG auf Fremde aus, die nach dem AsylG 2005 und dessen Vorgängerbestimmungen (das sind die Asylgesetze 1968, 1991 und 1997) zum Aufenthalt berechtigt sind.

2. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Gesetzgeber kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn er die Anwendung des NAG auf jene Fremde ausschließt, für die das in Umsetzung der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (idF des Protokolls vom , BGBl. Nr. 78/1974), erlassene AsylG 2005 einschließlich seiner Vorgängerbestimmungen und damit auch die dort vorgesehenen Aufenthaltsberechtigungen während des Asylverfahrens gelten.

3.1. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen verfügt der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs 2 AsylG 1997 iVm. § 75 Abs 1 AsylG 2005. Da sein Asylverfahren nach der Aktenlage noch nicht beendet ist und er daher bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens vorläufig aufenthaltsberechtigt ist, geht der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , , 2006/18/0315) davon aus, dass das NAG gemäß § 1 Abs 2 Z 1 leg.cit. im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

3.2. Daher ist auch auf das weitere Beschwerdevorbringen hinsichtlich der behaupteten Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des NAG mangels Präjudizialität nicht einzugehen.

4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 1 Abs 2 Z 1 NAG wurde der Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt. Vollzugsfehler sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Fundstelle(n):
HAAAD-77152