OGH vom 20.09.1995, 13Os118/95

OGH vom 20.09.1995, 13Os118/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl.Vw.Heinrich B***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 41 Vr 235/95-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, und des Vertreters des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde, Oberrat Dr.Schmidt, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Dipl.Vw. Heinrich B***** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in Wr.Neustadt vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung für das Jahr 1986 infolge Ansatz ungerechtfertigter negativer Einkünfte aus Vermietung (o)der Verpachtung eine Abgabenverkürzung einer Einkommenssteuer dieses Jahres von 3,589.101 S bewirkt, gemäß § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit des Gerichtes freigesprochen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dipl.Vw.Heinrich B***** von der aus dem Spruch ersichtlichen Anklage (wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde ist im Recht.

Nach den (insoferne unbestrittenen) Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte im Jahre 1986 die ihm vorgeworfene Abgabenverkürzung objektiv bewirkt. Zur subjektiven Tatseite gelangten die Tatrichter jedoch zur Ansicht, er habe weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt.

Berechtigtermaßen releviert die Rechtsrüge, daß das Erstgericht im Urteilssatz gemäß § 214 Abs 3 FinStrG lediglich über die Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung des dem Angeklagten zur Last gelegten Finanzvergehens hätte absprechen dürfen.

Gemäß § 53 Abs 1 lit b FinStrG beschränkte sich die Zuständigkeit des Erstgerichtes auf die Entscheidung über die wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG erhobenen Anklage. Es hat sich jedoch nicht damit begnügt, einen Freispruch gemäß § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit der Gerichte zu fällen, sondern mit der Feststellung, der Angeklagte habe weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt (US 7), gemäß § 259 Z 3 StPO der Sache nach auch über ein Verhalten abgesprochen, dessen Ahndung den Finanzbehörden vorbehalten ist und dessen Beurteilung nicht in die Zuständigkeit der Gerichte fällt. Bei Wegfall des im § 33 Abs 1 FinStrG geforderten Vorsatzes kommt nämlich das (in die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörden fallende) Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenhinterziehung nach § 34 Abs 1 FinStrG in Betracht.

Nach § 214 Abs 2 FinStrG ist ein Freispruch wegen Unzuständigkeit auch dann zu fällen, wenn ein Schuldspruch auch aus anderen Gründen nicht gefällt werden kann. Diese Anordnung trägt der in §§ 53 und 54 FinStrG geregelten Abgrenzung der gerichtlichen von der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit zur Ahndung von Finanzvergehen Rechnung (siehe insbes § 54 Abs 5 und 6 FinStrG); ist doch das von der Finanzstrafbehörde nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens vorläufig eingestellte verwaltungsbehördliche Strafverfahren wegen desselben Finanzvergehens endgültig einzustellen, wenn das gerichtliche Verfahren ohne Zuständigkeitsentscheidung rechtskräftig beendet wurde. Im Fall des rechtskräftigen Abschlusses des Gerichtsverfahrens wegen Ablehnung der gerichtlichen Zuständigkeit muß dagegen die Finanzstrafbehörde das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren fortsetzen (13 Os 104/80 = EvBl 1981/89).

Die Möglichkeit der autonomen Beurteilung des Sachverhaltes in Richtung des fahrlässigen Finanzvergehens nach § 34 Abs 1 FinStrG bleibt der Finanzstrafbehörde bei einem Freispruch nach § 259 Z 3 StPO lediglich dann gewahrt, wenn das Schöffengericht in Vergreifen des Ausdrucks oder ohne Aufnahme des Hinweises "wegen Unzuständigkeit" in den Urteilssatz spruchmäßig nach § 259 Z 3 StPO vorging, weil es am Vorsatz des Angeklagten mangelte. Für die Beurteilung, ob dem Gesetz entsprechend der Finanzstrafbehörde die weitere Verfolgungsmöglichkeit offen bleibt, ist eine Gesamtschau von Spruch und Gründen des angefochtenen Urteils anzustellen. Sprechen diese eindeutig allein für den Mangel der im § 33 Abs 1 FinStrG geforderten Schuldform, dann kann kein Zweifel darüber aufkommen, daß trotz des spruchmäßigen Hinweises auf § 259 Z 3 StPO der Freispruch seinen wahren Grund in der Unzuständigkeit des Gerichtes hatte (vgl 12 Os 50/88 = SSt 59/33). Ergeben die Urteilsgründe aber (wie hier) mit ebensolcher Deutlichkeit, daß das Erstgericht auch in die Kompetenz der Finanzstrafbehörde eingegriffen hat (§§ 34 Abs 1 iVm 53 Abs 6 und 54 Abs 4 bis 6 FinStrG), liegt Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vor.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst mit einem Freispruch gemäß § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit des Gerichtes vorzugehen (s auch Dorazil-Harbich, FinStrG, ENr 1 zu § 214).