OGH vom 23.10.2014, 12Os103/14k

OGH vom 23.10.2014, 12Os103/14k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian H***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 93 Hv 85/11t 142, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde Christian H***** der Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (1./) und des schweren Betrugs nach §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

I./1./ am als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Ho***** GmbH, die zu diesem Zeitpunkt Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, Bestandteile deren Vermögens verringert, indem er eine werthaltige Forderung der Ho***** GmbH in der Höhe von 223.504,05 Euro (ohne Gegenleistung, US 7) an sich als Privatperson zedierte, und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft vereitelt, wobei er einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte;

2./ am mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, versucht, Angestellte der I***** GmbH durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung eines falschen Beweismittels zu einer Handlung zu verleiten, nämlich zur Auszahlung von 147.111 Euro aus dem Insolvenzentgeltfonds, welche die I***** GmbH in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte, indem er in einem an die I***** GmbH gerichteten Antrag anführte, vom bis 3. Juni (gemeint: März) 2006 als Angestellter der Ho***** GmbH beschäftigt gewesen zu sein, obwohl er das Unternehmen als De facto Geschäftsführer leitete, und einen am „für zwei Jahre garantierten“ Dienstvertrag als Bauleiter beilegte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert, dass das Erstgericht dem in der Hauptverhandlung am gestellten Beweisantrag des Angeklagten auf Verlesung des beigeschafften Aktes AZ 22 Cg 5/06v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz (ON 55 S 45 ff) nicht entsprochen habe, scheitert aber bereits am Erfordernis der Wiederholung der Antragstellung in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung (ON 136 S 4 und ON 141 S 36; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 310; RIS Justiz RS0117403; RS0098869).

Das weitere, auf den Akt AZ 121 Hv 178/10y des Landesgerichts für Strafsachen Wien rekurrierende Vorbringen (Z 4), wonach die beantragte Verlesung der darin enthaltenen Beilage ./2 und des Protokolls über die Vernehmung des Richard R***** zu Unrecht unterblieben sei, geht schon deshalb ins Leere, weil es die bei umfangreichem Aktenmaterial wie hier stets gebotene Bezeichnung der Fundstellen des Beweisbegehrens im Akt unterlässt (RIS Justiz RS0124172). Bleibt anzumerken, dass in der Hauptverhandlung vom pauschal und ohne nähere Begründung dieser Akt „als Beweis geführt“ (ON 114 S 38) und dieses Begehren in der neu durchgeführten Hauptverhandlung gleichfalls nicht wiederholt wurde (ON 136 S 4 und ON 141 S 36).

Im Übrigen wurde der Angeklagte schon deshalb nicht in seinen Verteidigungsrechten verletzt, weil das Protokoll der Streitverhandlung vom im Verfahren AZ 22 Cg 5/06v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen ohnehin gemäß § 252 Abs 2a StPO einverständlich vorgetragen wurde (ON 141 S 35) und das Strafgericht an Feststellungen des Zivilgerichts nicht gebunden ist. Zudem ist die zum Nachweis eines reellen Bauvorhabens intendierte Antragstellung für die Frage der faktischen Geschäftsführung nicht von Bedeutung.

Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Angaben des Lubomir K***** (alias Jaroslav S*****) im Verfahren AZ 121 Hv 178/10y des Landesgerichts für Strafsachen Wien nicht unberücksichtigt gelassen, sondern als unglaubwürdig verworfen (US 33). Zu einer vollständigen Wiedergabe sämtlicher Details dieses Beweisergebnisses war der Schöffensenat mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gehalten (RIS Justiz RS0106642).

Mit den Geschäftskonten der Ho***** GmbH und der fehlenden Zeichnungs- und Zugangsberechtigung des Angeklagten haben sich die Tatrichter dem Vorbringen zuwider ebenfalls auseinandergesetzt (US 24).

Soweit von der Beschwerde die Nichtberücksichtigung von Ergebnissen eines anderen Strafverfahrens des Landesgerichts für Strafsachen Wien moniert wird, übersieht sie, dass das Gericht bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen hat, das in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Dazu wird aber kein erwiderungsfähiges Vorbringen erstattet.

Die Passagen der Aussage des Zeugen Dr. Salman G*****, wonach ihm der Angeklagte Exceltabellen und Hi***** betreffende Stundenlisten übergeben habe, bzw wonach Lubomir K***** die Anmeldung und Abmeldung der Dienstnehmer vorgenommen habe, stehen der Annahme der Tatrichter, wonach der Beschwerdeführer faktischer Geschäftsführer der Ho***** GmbH war, nicht entgegen, somit bedurften sie auch keiner gesonderten Erörterung.

Davon, dass der Angeklagte ab im Firmenbuch nicht mehr als Geschäftsführer eingetragen war, gingen die Tatrichter im Übrigen aus (US 6).

Weder die Äußerungen des Zeugen Hermann Sch*****, wonach der Angeklagte als Bauleiter beschäftigt war, bzw jene, wonach er nicht wisse, ob dies so war (ON 114 S 21), noch die Depositionen des Zeugen Johann Kr*****, wonach der Beschwerdeführer auf der Baustelle A***** für die Hi***** die Bauabrechnung durchgeführt habe (ON 136 S 13), stehen in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch zur bekämpften Annahme der faktischen Geschäftsführung.

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die einen Schädigungsvorsatz in Abrede stellende Verantwortung des Angeklagten nicht unberücksichtigt gelassen, sondern im Einklang mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen dargelegt, weshalb es dieser nicht folgte (US 28 ff).

Auch die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) geht fehl.

Die Feststellungen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz sind nicht erörterungsbedürftig. Eine Bindung des Strafgerichts besteht nur an rechtsgestaltende Entscheidungen (§ 15 dritter Satz StPO; vgl Schmoller , WK StPO § 15 Rz 3; Fabrizy , StPO 11 § 15 Rz 2). Ob Tatsachen als erwiesen festzustellen sind, hat das Gericht hingegen aufgrund der Beweise nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 14 StPO).

Bei den zur Werthaltigkeit der zedierten Forderung getroffenen Urteilsannahmen blieben die Ausführungen des Sachverständigen, wonach die Forderung im Zeitpunkt der Abtretung lediglich zum Teil, und zwar im Bereich von etwa 20.000 Euro werthaltig gewesen sei, keineswegs unberücksichtigt (US 11).

Mit den Depositionen des Zeugen Harald R***** hat sich der Schöffensenat sehr wohl auseinandergesetzt, folgte diesen aber aufgrund der eine andere Vermögenssituation zeigenden Bilanzen der R***** GmbH nicht (US 13 f).

Ebenso wenig waren die Tatrichter mit Blick auf die Konstatierung, wonach der Angeklagte ab nicht mehr als Geschäftsführer im Firmenbuch des Unternehmens Ho***** GmbH aufschien (US 6), verhalten, die (richtig: im Protokoll über die Hauptverhandlung vom , ON 103 S 7 enthaltene) Aussage des Zeugen Ing. Harald R*****, dass der Angeklagte Christian H***** „nicht einmal Geschäftsführer war“, gesondert zu erörtern.

Die zur Klärung entscheidender Umstände nicht beitragenden Äußerungen des Sachverständigen, wonach er nicht beurteilen könne, ob die zedierte Forderung damals von der Schuldnerin befriedigt werden hätte werden können, bzw ob diese Fremdkapital aufnehmen hätte können, bedurften keiner gesonderten Erörterung.

Dem weiteren Vorwurf (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die zum „teilweisen“ Befriedigungsausfall getroffenen Urteilsannahmen empirisch einwandfrei aus der Nichtteilnahme der Forderung am Konkursverfahren bzw bei verständiger Lesart auch daraus abgeleitet, dass die Forderung der einzig verbliebene Vermögenswert der seit zahlungsunfähigen, sieben Gläubiger mit Verbindlichkeiten in der Höhe von etwa 330.000 Euro aufweisenden Ho***** GmbH war (US 13).

Zur Annahme tatbestandsmäßigen Verhaltens im Sinne des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 StGB genügt es, wenn die Ho***** GmbH Schuldnerin von zwei Gläubigern war. Soweit die Mängelrüge die Forderung zweier der festgestellten sieben Gläubiger (US 7) in Zweifel zieht, spricht sie, weil insoweit auch die Wertgrenze unberührt bleibt, keine entscheidende Tatsache an.

Dass die Forderung gegen die R***** GmbH infolge des Konkurses der Schuldnerin nach Prozessgewinn am nicht einbringlich war, betrifft keine entscheidende Tatsache (US 8). Denn auf den Stichtag bezogen, wurde die Einbringlichkeit vom Erstgericht bejaht (US 7).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) das Vorbringen der Mängelrüge im Wesentlichen wiederholt und eigene Beweiswerterwägungen zur Frage der Werthaltigkeit der Forderung anstellt, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch I./1./ zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Gegenstand der Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraus-setzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann (RIS Justiz RS0099810).

Soweit der Beschwerdeführer die Werthaltigkeit der Forderung zur Gänze bestreitet und auf dieser Basis einen absolut untauglichen Versuch (dSn Z 9 lit a) behauptet, oder gleichfalls entgegen den Urteilsannahmen (US 7 ff), von einem geringeren Wert als 50.000 Euro ausgeht (dSn Z 10), wird er den Anfechtungskriterien nicht gerecht.

Die Grundsätze prozessförmiger Darstellung materieller Nichtigkeit missachtet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gleichfalls, wenn sie sich gegen den Schuldspruch I./2./ wendet, dabei aber die Feststellungen zur faktischen Geschäftsführung des Angeklagten in Abrede stellt (US 6).

Ein unzweideutiger Wille der Tatrichter, den tatsächlichen Ausfall der Befriedigung der Gläubiger in der Höhe des Wertes der zedierten Forderung festzustellen, steht für den Obersten Gerichtshof im Übrigen trotz Mängel in der Darstellung außer Zweifel ( Ratz , StPO § 281 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der zutreffenden Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00103.14K.1023.000