VfGH vom 08.10.2008, B1010/08
Sammlungsnummer
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Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, wurde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2006 entschieden. Dabei wurde der Sachbezugswert für die vom Beschwerdeführer benützten Dienstwohnungen, da es sich um vom Dienstgeber angemietete Wohnungen handelte, gemäß § 2 Abs 4 der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge ab 2002, ArtI Euro-Steuerumstellungsverordnung, BGBl. II 416/2001, (in der Folge: Sachbezugsverordnung) mit der vom jeweiligen Arbeitgeber tatsächlich bezahlten, um 25 Prozent gekürzten Miete (und nicht anhand der in § 2 Abs 1 der Sachbezugsverordnungen vorgesehenen Pauschalsätze) ermittelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Rechtswidrigkeit des § 2 Abs 4 und 6 der Sachbezugsverordnung sowie die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass es zu einer sachlich nicht zu begründenden Schlechterstellung führe, wenn die Sachbezugsverordnung lediglich im Falle einer durch den Dienstgeber angemieteten Wohnung auf die Preise am konkreten Verbrauchsort abstellt. Die Befriedigung des Wohnbedürfnisses werde steuerlich unterschiedlich behandelt, je nachdem ob der Dienstgeber eine Wohnung anmiete oder im Betriebsvermögen halte, da keine angemietete Wohnung unter den pauschalierten Sachbezugswerten liege. Damit verstoße § 2 Abs 4 und 6 der Sachbezugsverordnung gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , V349,350/08, (u.a.) § 2 der im Beschwerdefall maßgeblichen Sachbezugsverordnung als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art 139 Abs 6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art 139 Abs 6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein ().
3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am . Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde (vgl. dazu die denselben Beschwerdeführer betreffende Entscheidung zu B780/07 vom ). Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.