VfGH vom 28.11.2006, B1009/06
Sammlungsnummer
17999
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der neuerlichen Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte mangels Vertrauenswürdigkeit wegen Anhängigkeit mehrerer Disziplinarverfahren zum Zeitpunkt der Löschung der Eintragung infolge Konkurseröffnung und bestehender Restschulden
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer wurde am in die Liste der Rechtsanwälte, zuletzt in die der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich (im Folgenden: RAK), eingetragen. Am wurde über sein Vermögen der Konkurs eröffnet, im dritten Rechtsgang wurde die Konkurseröffnung bestätigt.
Gemäß § 34 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO), in der damals geltenden Fassung, RGBl. Nr. 96 idF BGBl. Nr. 474/1990, erlosch die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkurses ex lege (VfSlg. 12.439/1990). Am beschloss der Ausschuss der RAK die Löschung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte.
2. Am stellte der Beschwerdeführer bei der RAK den Antrag, ihn wieder in die Liste der Rechtsanwälte einzutragen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen.
3. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom keine Folge gegeben. Begründend wird ausgeführt, dass bei jedem Antrag auf neuerliche Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte gemäß § 5 Abs 2 RAO auch die Vertrauenswürdigkeit des Eintragungswerbers zu prüfen sei. Es sei unbestritten, dass zum Zeitpunkt der Löschung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte
15 Disziplinarverfahren - in einem Zeitraum von sieben Jahren zwischen dem Anfall des ersten Disziplinarverfahrens und der Löschung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte - anhängig waren. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer seit der Konkurseröffnung am aus eigener Zahlungskraft keine Altgläubiger befriedigen können. Diese hätten lediglich eine Quote von unter 3% ausgeschüttet erhalten. Da das Konkursverfahren ohne Zwangsausgleich geendet habe, sei keine Befreiung des Beschwerdeführers von den Restschulden eingetreten. Ansprüche von Gläubigern können daher weiter geltend gemacht werden.
4. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit der Erwerbsbetätigung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
5. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen in der Beschwerde entgegentritt.
6. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil die belangte Behörde vom Akteninhalt abgewichen sei und sein Vorbringen ignoriert habe. Die Ausführungen der belangten Behörde über drohende Exekutionen und Konkursanträge seien bloße Spekulationen. Die Verwandten des Beschwerdeführers hätten ihm Geld geschenkt. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe kein Vermögen, laufe darauf hinaus, dass nur "Begüterte den Anwaltsberuf ausüben dürfen".
2.2. § 5 RAO, RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2003, lautet:
"§5. (1) Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.
(2) Die Eintragung in die Liste ist zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Der Ausschuß hat die notwendigen Erhebungen zu pflegen und, wenn die Eintragung verweigert werden soll, den Bewerber vorher einzuvernehmen.
(3) Sonst ist, wenn dem Bewerber nicht ein Grund nach strafgesetzlichen Vorschriften oder nach den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegensteht, die Eintragung zu bewilligen.
(4) Inwiefern die Eintragung infolge eines Disziplinarerkenntnisses zu verweigern ist, bestimmen die Disziplinarvorschriften.
(5) Die erfolgte Eintragung ist dem Oberlandesgericht, dem Obersten Gerichtshof und dem Bundesministerium für Justiz durch den Ausschuß anzuzeigen sowie im Internet auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (http://www.rechtsanwaelte.at) unverzüglich und allgemein zugänglich zu veröffentlichen.
(6) Wird die Eintragung wegen Vertrauensunwürdigkeit abgewiesen, so kann ein neuerliches Eintragungsansuchen bei keiner Rechtsanwaltskammer vor Ablauf von drei Jahren seit der rechtskräftigen Abweisung gestellt werden."
2.3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschrift (vgl. VfSlg. 9230/1981, 11.065/1986, 14.237/1995) und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Die OBDK hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich mit den einzelnen Argumenten des Beschwerdeführers auseinander gesetzt. Bei jedem Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte hat die Behörde gemäß § 5 Abs 2 RAO auch die Vertrauenswürdigkeit des Eintragungswerbers zu prüfen. Das Eintragungshindernis des § 5 Abs 2 RAO beruht nicht auf der Anwendung strafgesetzlicher Bestimmungen, sondern darauf, dass der Eintragungswerber Handlungen begangen hat, die ihn vertrauensunwürdig machen. Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit kommt es darauf an, ob sein gesamtes Verhalten geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken (VwSlg. 8915 A/1975). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist es unmaßgeblich, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit liegen, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Rechtsanwalt überhaupt zukommt. Der Rechtsanwaltsstand verlangt, dass sich Standesangehörige eines einwandfreien, absolut verlässlichen Verhaltens befleißigen und insbesondere in Geldangelegenheiten Sauberkeit walten lassen (AnwBl. 1978, 972). Der belangten Behörde kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie sowohl die zum Zeitpunkt der Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte anhängigen Disziplinarverfahren als auch die Restschulden des Beschwerdeführers als Grund für die Nichteintragung in die Liste der Rechtsanwälte wertet.
Die Begründung der belangten Behörde bedeutet - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - auch nicht, dass nur "Begüterte" den Anwaltsberuf ausüben dürfen, sondern dass auch das bisherige Berufsleben des Beschwerdeführers (Exekutionen, Konkurs, finanzielle Unterstützung durch Verwandte) im Interesse der rechtsschutzsuchenden Bevölkerung zu beachten ist.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
3. Angesichts dessen kommt auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht in Betracht.
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.