OGH vom 30.07.1996, 10ObS2139/96y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmuth Prenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Fred M*****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 157/95-58, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 3 Cgs 101/93z-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß auch das restliche Klagebegehren des Inhaltes, daß die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger Pflegegeld der Stufe 2 für die Zeit ab zu gewähren, abgewiesen wird.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am in Dessau, Deutschland, geboren. Er steht daher nunmehr im 82. Lebensjahr. Seit seinem zweiten Lebensjahr lebte er in Berlin. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung verließ er Ende August 1933 Deutschland und wanderte von dort nach Palästina, das heutige Israel, aus, wo er nach wie vor wohnhaft ist. Seine am verstorbene Frau S***** M***** war ebenfalls jüdischer Abstammung und verließ Österreich im Februar 1939 ebenfalls ins heutige Israel. Seit ihrem Tod bezieht der Kläger eine ASVG-Witwerpension nach seiner verstorbenen Frau.
Seit bedarf der Kläger aufgrund seiner Leidenszustände (erhöhter Aufbruch der gesamten Wirbelsäule, entzündliche Veränderungen in beiden Handgelenken und den Fingern beider Hände, Abnützungsleiden beider Kniegelenke, Achillodynie, Herzrhythmusstörungen mit Neigung zu starker Verlangsamung des Herzschlages, deutlicher objektivbarer Schwindel mit Gangunsicherheit aufgrund von Durchblutungsstörungen im Bereich der Hirngefäße) umfangreicher Pflege- und Wartung im Sinne der vormaligen Bestimmung des § 105 a ASVG. Ab diesem Datum benötigt der Kläger eine Hilfe beim Aufräumen in der Wohnung, bei der Besorgung der Wäsche und beim Herbeischaffen von Lebensmitteln; zum Ausgehen ist eine Begleitung erforderlich. Der Kläger vermag seither sich Hände und Gesicht zu waschen, zur gründlichen Körperreinigung bedarf er aber der Hilfe. Hausarbeiten können nur soweit durchgeführt werden, als sie nicht mit Bücken verbunden sind. Die Zubereitung kompletter Speisen ist nicht möglich, desgleichen auch nicht das Einholen von Nahrungsmitteln. Beim Kläger besteht nach einer Prostataoperation seit dem eine Inkontinenz, es ist daher eine häufigere gründlichere Körperreinigung erforderlich. Aufgrund der Inkontinenz ist ein Wechsel der diesbezüglichen Einlagen zumindest täglich erforderlich und in diesem Zusammenhang eine Reinigung der betreffenden Körperpartien, für welche der Kläger der Hilfe bedarf.
Mit Bescheid vom hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses abgelehnt. Mit der hiegegen erhobenen Klage stellte der Kläger das Begehren, ihm diesen zu gewähren.
Die beklagte Partei hat eingewendet, daß der Kläger nicht hilflos im Sinne des Gesetzes sei. Außerdem habe er sich nie in Österreich aufgehalten, sodaß er nicht zum begünstigten Personenkreis gemäß § 500 ASVG zähle und § 5 a Opferfürsorgegesetz (im folgenden kurz: OFG) auf ihn nicht anwendbar sei. Pflegebedürftigkeit sei erst am aufgetreten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, soweit es auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom bis gerichtet war, ab (wobei dieser Teil des Urteils unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist) und verpflichtete die beklagte Partei darüber hinaus, dem Kläger für die Zeit ab dem ein Pflegegeld der Stufe 2 zu gewähren.
Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß der Kläger aufgrund seiner nach dem ASVG bezogenen Pension nach seiner verstorbenen Gattin zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 3 Abs 1 BPGG zähle. Er sei auch in der in § 500 ASVG genannten Zeit aus den hierin genannten Gründen emigriert. Da § 5 a Abs 2 OFG keine Präzisierung dahingehend enthalte, aus welchem Gebiet bzw Land (insbesondere des heutigen Österreich) eine solche Auswanderung erfolgen hätte müssen, gehöre er auch dem hierin aufgezählten Personenkreis an. In Anwendung des § 273 ZPO sei für alle bei ihm erforderlichen Hilfsvorrichtungen insgesamt von einem Zeitaufwand auszugehen, der unter Berücksichtigung eines Stundenlohnes von S 100,-- den Richtsatz für den Hilflosenzuschuß zum Zeitpunkt übersteige, sodaß er ab dem die Voraussetzungen für die Gewährung einer monatlichen Leistung in der Höhe eines Pflegegeldes der Stufe 2 erfülle.
Das lediglich von der beklagten Partei im klagsstattgebenden Teil angefochtene Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt. Auch dieses teilte die Auffassung, daß der Kläger sowohl dem Personenkreis des § 3 Abs 1 lit a BPGG zuzuzählen sei, weil er eine Witwerpension nach seiner verstorbenen Gattin bezieht, als auch die Ausnahmeregelung des § 5 a OFG als Opfer des Nationalsozialismuses für sich in Anspruch nehmen könne. Zeit und Gründe nach dieser Gesetzesstelle seien bei ihm erfüllt. Weder aus der zuletzt angeführten Gesetzesstelle noch aus dem Wortlaut des § 500 ASVG sei zu entnehmen, daß die abstammungsbedingte Auswanderung aus dem Gebiet der ehemaligen oder nunmehrigen Republik Österreich hätte erfolgen müssen. Um einen Härtefall zu vermeiden, seien die zitierten Gesetzesstellen der Absicht des Gesetzgebers entsprechend in sozialem und humanitärem Geiste anzuwenden. Im übrigen sei auch der Anspruch auf einen Hilflosenzuschuß nach § 105 a ASVG aF nicht an einen inländischen Aufenthalt gebunden gewesen, sodaß ihm schon nach alter Rechtslage, welche durch das OFG aufrechterhalten werden sollte, der Hilflosenzuschuß zugestanden wäre. Der Kläger als Hinterbliebener mit aus dem ASVG abgeleiteten Ansprüchen sei damit ebenfalls Opfer im Sinne des OFG und damit Leistungsberechtigter der geltendgemachten (und vom Erstgericht zuerkannten) Pflegegeldstufe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei verbunden mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen wegen Nichtigkeit des Verfahrens aufzuheben; hilfsweise wird auch die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens oder die Aufhebung samt Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Die unbeantwortet gebliebene Revision ist nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 der zitierten Gesetzesstelle zulässig; sie ist auch berechtigt.
Die Revisionswerberin hat ihr Rechtsmittel - ohne die beiden geltend gemachten Rechtsmittelgründe strikte zu trennen und dementsprechend auch jeweils getrennt zur Ausführung zu bringen - zusammengefaßt wie folgt begründet:
Dem Gericht sei eine Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Begünstigung (gemeint: im Sinne des § 500 ASVG) vorliegen, entzogen; nur dann, wenn im Verwaltungsverfahren ein feststellender Bescheid über die Begünstigung ergangen sei, sei bei der Entscheidung in Leistungssachen von der gewährten Begünstigung im bescheidmäßigen Umfang auszugehen. Die beklagte Partei habe - entsprechend einer Aufforderung des Erstgerichtes zur Außerstreitstellung hinsichtlich des Zutreffens der Voraussetzungen des § 500 ASVG - ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Kläger nicht unter den begünstigten Personenkreis gemäß dieser Gesetzesstelle falle und somit § 5 a OFG nicht zur Anwendung gelangen könne. Schon aus dem Begriff "Auswanderung" im Sinne der §§ 500 ff ASVG ergebe sich der Inlandsbezug eines begünstigten Anspruchswerbers. Ein solcher müsse jedenfalls Versicherungszeiten aufweisen können, die auf dem Gebiet der damaligen, am okkupierten Republik Österreich zurückgelegt worden seien. Der versicherungsrechtliche Nachteil müsse sich daher auf Versicherungszeiten beziehen, die - wäre diese Okkupation durch das vom Nationalsozialismus beherrschte Deutsche Reich nicht erfolgt - in Österreich, nicht aber in einem anderen Land erworben worden wären. Dies setze aber voraus, daß ein vor dem im Sinne des § 500 ASVG maßgeblichen Zeitraum in Österreich aufhältig gewesener Kläger auch aus österreichischem Gebiet ausgewandert sei. Bei den Bestimmungen der §§ 500 ff ASVG handle es sich demgemäß um innerstaatliches Recht. Die sich daraus ergebenden Ansprüche würden aus innerstaatlichen finanziellen Mitteln beglichen. Da das Pflegegeld eine personenbezogene Leistung sei, könne es keinen abgeleiteten Anspruch hierauf geben. Da die Begünstigteneigenschaft des Klägers nicht von einer Verwaltungsbehörde festgestellt worden sei, seien die Urteile der Vorinstanzen nichtig. Auch ohne Berücksichtigung dieser Nichtigkeit hätten die Vorinstanzen aber zum rechtlichen Ergebnis kommen müssen, daß der Kläger dem in § 5 a OFG genannten Personenkreis nicht angehöre und somit wegen Auslandsaufenthaltes (gemeint: im Auswanderungszeitpunkt) keinen Anspruch auf Pflegegeld habe.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:
1.) Der Kläger hat im vorliegenden Fall nicht bei der beklagten Partei einen Antrag auf Einleitung des Begünstigungsverfahrens gemäß den Bestimmungen der §§ 500 ff ASVG idgF betreffend die begünstigte Anrechnung von Vorversicherungs- oder Ersatzzeiten oder Zeiten seiner Auswanderung gestellt, welches Verfahren nach § 506 ASVG tatsächlich ausschließlich dem verwaltungsbehördlichen und nicht dem (in sukzessiver Kompetenz) gerichtlichen Rechtszug unterliegt (OGH in SSV-NF 6/5 und VwGH in Slg 8224 A; siehe auch Fink, Sukzessive Zuständigkeit 117). Er hat vielmehr und ausschließlich einen solchen auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses (bzw Pflegegeldes) gestellt. Solche Streitigkeiten über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruches auf Pflegegeld nach dem BPGG zählen seit dem zu den Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG; dazu gehören insbesondere Streitigkeiten über dessen erstmalige Zuerkennung (Fink, aaO 122). Der von der Beklagten (im übrigen erstmals in ihrem Revisionsschriftsatz) relevierte Nichtigkeitsgrund liegt somit nicht vor. Die auf §§ 500 ff ASVG bezughabenden Fragen sind daher vom Gericht selbständig und als Vorfrage zu lösen.
2.) Der dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegende Bescheid der beklagten Partei stammte bereits vom , die Klagseinbringung erfolgte am . Wenn das Datum der ersten erstinstanzlichen Entscheidung einer Verwaltungsbehörde vor dem liegt, sind nach der Übergangsbestimmung des § 43 Abs 1 BPGG die am noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend bisherige pflegebezogene Leistungen nach den bisherigen Verfahrensvorschriften zu Ende zu führen. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle sind allen am noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren für die Zeit bis zum die bis zu diesem Zeitpunkt jeweils für die Beurteilung des Anspruches geltenden Bestimmungen der in § 3 (hier: Abs 1 lit a nach dem ASVG) BPGG genannten Normen zugrundezulegen; dies gilt auch für gerichtliche Verfahren. Hierauf braucht hier jedoch deshalb nicht weiter eingegangen zu werden, und kann es bei diesem Hinweis sein Bewenden haben, weil das auf diesen fraglichen Zeitraum (näherhin vom bis ) entfallende Begehren vom Erstgericht bereits abgewiesen worden ist und dieser Teil seiner Entscheidung vom Kläger unbekämpft gelassen wurde, damit also in Rechtskraft erwachsen ist. Strittig und damit auch allein revisionsanhängig ist einzig die Frage, ob dem Kläger ab dem Pflegegeld (in der Stufe 2 nach § 4 Abs 2 BPGG) gebührt oder nicht, wobei diesbezüglich - so wie bereits im Berufungsverfahren - auch im Revisionsverfahren von der beklagten Partei (mangels auch bloß andeutungsweiser Relevierung in ihrem Rechtsmittel) gar nicht in Frage gestellt (und damit bestritten) wird, daß der Kläger aufgrund seiner vom Erstgericht ausführlich festgestellten Leidenszustände die Voraussetzungen für den Anspruch auf Pflegegeld dieser Stufe erfüllt. Es braucht daher nicht weiter darauf eingegangen zu werden. Lediglich die Anspruchsvoraussetzungen des Klägers als einer anspruchsberechtigten Person im Sinne des § 3 BPGG einerseits sowie des § 5 a OFG andererseits sind strittig und daher zu prüfen.
3.) Gemäß § 5 a Abs 2 OFG haben Anspruch auf diese Pflegegeldleistung jene Personen im Sinne der Z 1 bis 6 des § 3 Abs 1 BPGG, die in der in § 500 ASVG angeführten Zeit (das ist vom [dem Zeitpunkt der Errichtung des autoritären Ständestaates nach der Ausschaltung des Nationalrates] bis [Beendigung des Zweiten Weltkrieges durch die deutsche Kapitulation]) und aus den dort angeführten (nämlich "politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung") auswanderten und hilflos im Sinne des § 105 a ASVG in der bis geltenden Fassung sind. Nach der Absicht des Gesetzgebers (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales: 968 BlgNR 18. GP, 6 f) sollte damit "für jene Personen eine Ausnahme (geschaffen werden), die Österreich nicht freiwillig verließen, sondern aufgrund der politischen Verfolgung in den Jahren 1933 bis 1945 erzwungenermaßen auswanderten und aus diesem Grund im Ausland leben. Ihnen soll das Recht auf eine pflegebezogene Leistung, deren Voraussetzungen und deren Höhe der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BPGG entsprechen, gewahrt bleiben." Da die Ausdrucksweise des Gesetzes - sowohl im § 500 ASVG (hiezu wird noch weiter unten in Punkt 5.) näher einzugehen sein) als auch im § 5 a Abs 3 OFG, was den Ort, nicht den Zeitraum und die Gründe der Auswanderung anbelangt - offen und damit unklar bzw zweifelhaft ist, sind diese Gesetzesmaterialien zur Auslegung durchaus vorrangig heranzuziehen (OGH JBl 1987, 647; VwGH AnwBl 1989, 565/3212; VfGH Slg 7698). Lediglich ein Rechtssatz, der im Gesetz selbst nicht einmal angedeutet wäre, sondern sich nur aus den Materialien ergäbe, könnte auch nicht durch Auslegung Geltung erlangen (JBl 1987, 647 mwN; Bydlinski in Rummel, ABGB I2 Rz 25 lit c zu § 6).
Diese Interpretation des Ausgangspunktes der Auswanderung eines Anspruchsberechtigten aus Österreich (und nicht aus irgendeinem Drittland im Ausland) entspricht dabei auch dem Wortsinn des Begriffes der "Auswanderung" einerseits wie auch der hieraus vom Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen abgeleiteten Judikatur andererseits. Auswanderung (oder Emigration) ist nämlich gemeiniglich der "Fortzug von Personen aus ihrem Heimatland in ein anderes Land mit der Absicht, dort auf Dauer zu bleiben" (Brockhaus Enzyklopädie, Band 2, 397), also das Verlassen eines Staatsgebietes unter Verlust der Heimat (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 1, 468). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zu den §§ 500 ff ASVG) ist Auswanderung die Verlegung des ständigen Wohnsitzes ins Ausland, wobei der Begriff "Wohnsitz" wiederum im Sinne des § 66 Abs 1 JN, also des wirtschaftlichen und faktischen Mittelpunktes des Lebens, zu verstehen ist (zB ZfVB 1987/616, ARD 4502/19/93, ARD 4699/11/95, 91/08/0122 uam). Einen solchen ständigen Wohnsitz hatte der bei seiner Auswanderung im August 1933 fast 19-jährige Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen jedoch ausschließlich in Deutschland gehabt, nicht aber in Österreich. Nur dann, wenn eine Partei sich etwa zunächst (freilich von Österreich) ins Ausland begeben hatte, sich dort nur vorübergehend aufgehalten, dann jedoch nach dem im Hinblick auf wegen der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus aus politischen, religiösen oder Gründen der Abstammung zu gewährtigender Verfolgung von einer Rückkehr nach Österreich Abstand genommen und im Ausland ihren ständigen Wohnsitz genommen hatte, hat der VwGH ebenfalls (lebensnah) eine Auswanderung iS des § 500 Abs 1 ASVG bejaht (Slg 4437 A). Gleichermaßen wurde ausgesprochen, daß dann, wenn ein aus einem nicht im okkupierten Gebiet der Republik Österreich gelegenen Konzentrationslager - wenn auch erst am - befreiter Österreicher nicht in seine Heimat Österreich zurückgekehrt, sondern sogleich (oder - ohne Wohnsitzbegründung - nach einem Zwischenaufenthalt im ehemaligen Deutschen Reich) ins Ausland ausgewandert ist, ab dem Tag der Befreiung Auswanderung im Sinne des § 502 Abs 4 ZPO vorliegt (Slg 13.622 A = SV-Slg 38.805). Alle diese Voraussetzungen sind beim hier als Anspruchsberechtigter auftretenden Kläger - unstrittig - nicht erfüllt.
4.) Bei den Bestimmungen der §§ 500 ff ASVG einerseits sowie des OFG andererseits steht der auf sozialversicherungsrechtliche Nachteile bezogene Wiedergut- machungsgedanke im Vordergrund (SV-Slg 41.096). Es ist jedoch unzutreffend, Sinn der §§ 500 ff ASVG (und damit auch des auf diese Bestimmungen verweisenden OFG) sei es generell, Schäden, welche dem Personenkreis dieser Gesetze zugefügt wurden, schlechthin zu beheben (VwGH in ZfVB 1995/1800). Es liegt auf der Hand - und der Gesetzgeber hat dies in den zu 3.) bereits wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen auch deutlich zum Ausdruck gebracht -, daß dieser Wiedergutmachungsgedanke nur jenen Männern und Frauen zuteil werden soll, denen dieses nationalsozialistische Unrecht seinerzeit in Österreich (und nicht in irgendeinem Drittland, aber auch dem außerhalb der Republik Österreich gelegenen ehemaligen Deutschen Reich und damit ebenfalls bezogen auf Österreich im Ausland) zugefügt worden und damit widerfahren ist. Dieser ausschließlich auslandsbezogene Personenkreis ist nicht erfaßt und kann daher auch aus der Intention des Gesetzgebers keinen rechtlichen Anspruch ableiten. Die Bestimmung des § 5 Abs 2 OFG stellt insoweit eine wohlbegründete Ausnahme vom Anspruchserfordernis des grundsätzlich inländischen Aufenthalts nach § 3 Abs 1 BPGG dar, welche Ausnahmevorschrift auch nur in diesem engen, aus den vorstehenden Überlegungen abgeleiteten Rahmen zu verstehen und damit auch anzuwenden ist.
5.) Dieses Ergebnis steht auch mit der historischen Entwicklung des Wiedergutmachungsgedankens im österreichischen Rentenrecht im Einklang.
Vorläufer der nunmehrigen §§ 500 ff ASVG waren die §§ 112 ff im Abschnitt XIV (Begünstigungen für Geschädigte aus politischen oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung) des Sozialversicherungs - Überleitungsgesetzes (SV-ÜP) 1947 BGBl 142, wiederverlautbart als SV-ÜP 1953, BGBl 99. Nach § 112 Abs 1 leg cit waren anspruchsberechtigt "Personen, die in der Zeit vom bis aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben". In § 114 Abs 4 leg cit war solchen Personen "für die Zeiten der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis " der Erwerb von Steigerungsbeträgen durch Nachzahlung von Beiträgen in der Rentenversicherung eingeräumt worden. Diese Bestimmung wurde durch die 2. Novelle zum SV-ÜG BGBl 1954/97 und nur hinsichtlich des Nachzahlungsrahmens und - umfanges erweitert. In den Erläuterungen hiezu (RV 234 BlgNR 7. GP, 5) wird "der Kreis der Emigranten" dahingehend umschrieben, daß er "alle Personen erfaßt, die in der Zeit vom bis aus einem der in § 112 SV-ÜP 1953 angeführten Gründe ausgewandert sind ....."; wenngleich auch hier (so wie nach geltender Rechtslage) der Ort der Auswanderung im Gesetz selbst nicht expressis verbis genannt ist, ergibt sich doch aus den folgenden Sätzen der zitierten Materialien, in denen jeweils auf sonstige Aufenthalte solcher Emigranten im "Inland" abgestellt wird, daß der Gesetzgeber bereits damals nicht Emigranten aus nichtösterreichischer Heimat berücksichtigen und begünstigen wollte. § 114 a SV-ÜP 1953 idF des Art I Z 4 der zitierten 2. Novelle stellte sogar ausdrücklich auf österreichische Staatsbürger ab, die ausgewandert waren, und nach der Auswanderung die Staatsbürgerschaft eines fremden Staates erworben hatten (in diesem Sinne auch § 114 a Abs 2 leg cit idF des Art I Z 8 der 3. Novelle zum SV-ÜP 1953 BGBl 1954/165; siehe hiezu auch Kaltenbrunner,
Die Wiedergutmachung im Rentenrecht, JBl 1955, 217 [220]). In den Materialien zu dieser letztgenannten (3.) Novelle (Bericht des Ausschusses für Soziale Verwaltung: 344 BlgNR 7. GP, 2) hatte der Gesetzgeber hiebei ausdrücklich den Hinweis aufgenommen, daß es sich um Personen handeln müsse, "die aus den im § 112 Abs 1 angeführten Gründen aus Österreich ausgewandert" sein mußten.
Durch § 543 Abs 1 Z 13 des in BGBl 1955/189 kundgemachten neuen ASVG war das SV-ÜP 1953 samt seinen Novellen aufgehoben worden und wurden diese durch die Bestimmungen des Abschnittes IV (§§ 500 ff) im Rahmen der Neukodifikation ersetzt. Nach den Materialien (RV 599 BlgNR 7.
GP, 130) wurden die Erwägungen zu den Vorgängerbestimmungen
ausdrücklich als "berücksichtigt" erklärt, sodaß insoweit von einer
lückenlosen Rechtsfortschreibung ausgegangen werden kann. Änderungen
- allerdings nicht im hier für die Beurteilung maßgeblichen Rahmen -
erfolgten zunächst durch die 19. ASVG-Novelle BGBl 1967/67 (samt RV
286 BlgNR 11. GP, 20 f und Bericht des Ausschusses für Soziale
Verwaltung 351 BlgNR 11. GP, 2 f; vgl hiezu auch Lingard, Die
Neuregelung der Wiedergutmachung in der Pensionsversicherung durch
die 19. Novelle zum ASVG, SozSi 1967, 180, der aaO von einer
"sozialversicherungsrechtlichen Wiedergutmachung .... jener Gruppe
unserer Mitbürger oder ehemaligen Mitbürger" spricht, "die aus
Gründen ihrer Abstammung zur Auswanderung gezwungen oder veranlaßt
wurden ... und sich heute noch im Ausland befinden", und in diesem
Zusammenhang auch mehrfach ausdrücklich immer von den Personen spricht, die Österreich verließen bzw verlassen mußten; siehe hiezu auch Urbanetz, Die Beseitigung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile begünstigter Personen - Zugleich eine Besprechung der 19. Novelle zum ASVG, DRdA 1967, 203). In der 41. ASVG-Novelle vom BGBl 111 erhielt der § 502 Abs 5 seine auch heute noch in Geltung stehende Fassung, wonach Abs 4 (bezüglich ausgewanderter Personen) auch für solche gilt, "die sich nach dem in Österreich aufgehalten haben und danach ausgewandert sind". In den Erläuterungen hiezu (RV 747 BlgNR 16. GP, 49 ff) wird mehrfach und unmißverständlich darauf Bezug genommen, daß es sich beim von der Novelle erfaßten Emigrantenbegriff nur um einen in Österreich verfolgten und deshalb aus Österreich geflohenen bzw ausgewanderten handeln mußte. § 502 Abs 6 ASVG idF des Art I Z 22 lit d der 44. ASVG-Novelle BGBl 1987/609 stellt darauf ab, daß Personen "vor der ... Auswanderung ... am ihren Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich" hatten. Diese Textierung wurde in der 48. Novelle (Art 1 I Z 7 a BGBl 1989/649) unverändert beibehalten (siehe hiezu wiederum Bericht des Ausschusses für Soziale Verwaltung: 1142 BlgNR 12. GP, 3). Der Bezug zur österreichischen Sozialversicherung durch einen Wohnsitz in Österreich (im März 1938) im § 502 Abs 6 ASVG wurde schließlich auch durch die letzte (51.) Novelle BGBl 1993/335 (SRÄG 1993) beibehalten (siehe hiezu auch RV 932 BlgNR 18. GP 53 ff).
6.) Damit ist - zusammenfassend - aus historischer, motivenmäßiger wie auch aus teleologischer Betrachtungsweise davon auszugehen, daß der Kläger - trotz seines Bezuges einer inländischen ASVG-Pension nach dem Tod seiner Gattin - nicht auch das weitere Kriterium einer aus Österreich ausgewanderten Person im Sinne des § 5 a Abs 2 OFG erfüllt und damit insoweit nicht zu der durch diese Gesetzesstelle gegenüber im Inland wohnhaften Personen erweiterten Versichertengemeinschaft zählt.
7.) Nur der Vollständigkeit halber ist abschließend auch noch darauf hinzuweisen, daß der Kläger auch aus dem in Geltung stehenden Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit, BGBl 1975/6 (samt Durchführungsabkommen BGBl 1975/7), keinen Anspruch ableiten kann, weil sich das erstere Abkommen nach dessen Art 2 Abs 2 ausdrücklich "nicht auf Systeme für Opfer des Krieges und seiner Folgen" bezieht; insoweit ist sein sachlicher Geltungsbereich damit eingeschränkt (RV 1156 BlgNR 13, GP, 37).
8.) Schließlich vermag aber auch der Bezug einer österreichischen ASVG-Witwerpension nach der verstorbenen Gattin dem Kläger keinen Anspruch zu begründen, da die Voraussetzungen für die Begünstigung (nach den §§ 500 ff ASVG und damit auch nach § 5 Abs 2 OFG) in der Person des Berechtigten selbst gegeben sein müssen. Witwer ....... nach einem aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen Ausgewanderten (hier: nach der aus Österreich 1939 emigrierten S***** M*****) zählen also nur dann zum begünstigten Personenkreis, wenn sie selber die Voraussetzungen des § 500 Abs 1 ASVG erfüllen (OLG Wien SozSi 1966/10 [Kartei], zitiert auch in Teschner/Widlar, MGA ASVG Anm 2 aE zu § 500). Bloße Auswanderung aus dem Ausland begründet aber keinen Begünstigungsanspruch nach österreichischem Sozialversicherungsrecht (Bescheid des LH Wien , abgedruckt in VersRdSch 1956, 36, zitiert auch in Teschner/Widlar, aaO Anm 3).
9.) Daraus folgt, daß der Revision der beklagten Partei Folge zu geben und das aus dem Spruch ersichtliche restliche Begehren des Klägers gleichfalls abzuweisen war.
10.) Eine Kostenentscheidung entfiel, da solche dem Kläger im Revisionsverfahren nicht aufgelaufen sind. Für die Verfahren erster und zweiter Instanz wurden solche nicht verzeichnet.