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OGH vom 12.11.2018, 10Nc19/18b

OGH vom 12.11.2018, 10Nc19/18b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr.

Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Kinder 1. M*****, geboren ***** 2011 und 2. A*****, geboren ***** 2013, beide vertreten durch die Mutter M*****, derzeit aufhältig in einem Flüchtlingslager bei Q*****, Syrien, diese vertreten durch den Kurator Dr. C*****, Rechtsanwalt in Wien, AZ ***** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, wegen § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung des Pflegschaftsverfahrens wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

Die in Linz wohnhaften väterlichen Großeltern der Kinder beantragten am beim Bezirksgericht Linz, der Mutter die Obsorge für die Kinder zu entziehen und ihnen zu übertragen. Der Vater der Kinder habe 2013 Österreich verlassen und sei „nach Syrien gegangen“. Im Juni 2015 habe auch die Mutter mit den Kindern Österreich verlassen und sei dem Vater gefolgt. Dieser sei etwa zwei Monate später gestorben. Die Mutter befinde sich in einem Flüchtlingslager bei Q***** in Syrien und „wisse nicht mehr weiter“. Sie habe die Großeltern ersucht, ihr zu helfen, „damit die Kinder wieder aus dem Lager herauskommen können“. Die Großeltern seien bereit und in der Lage, die Obsorge für die Kinder zu übernehmen. Deren Wohl habe die Mutter „scheinbar“ gefährdet, weil sie mit den Kindern während eines Bürgerkriegs nach Syrien gezogen sei.

Das Bezirksgericht Linz übermittelte den Akt (erkennbar) gemäß § 44 JN an das gemäß § 109 Abs 2 JN zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien übertrug mit rechtskräftigem Beschluss vom (ON 4) die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Linz. Die Mutter habe mit den beiden Kindern bis 2015 in Linz gelebt, danach rund ein Jahr in der Nähe von Linz. Die Großeltern der Kinder und die beiden Schwestern des Vaters der Kinder leben in Linz oder in der Nähe von Linz. Es sei anzunehmen, dass die Mutter bei ihrer allfälligen Rückkehr wieder in Linz ihren Wohnsitz nehmen werde. Das Bezirksgericht Linz sei daher im Sinn des § 111 JN besser geeignet, den pflegschaftsgerichtlichen Schutz der Kinder zu fördern.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bestellte für die Mutter gemäß § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG einen Kurator (ON 7). Der Aufenthalt der Mutter sei zwar nicht unbekannt. Aufgrund des Krieges in Syrien bestehe jedoch derzeit keine faktische Zustellmöglichkeit in einem auf syrischem Gebiet gelegenen Flüchtlingslager.

Das Bezirksgericht Linz lehnte die Übernahme ab.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Zuständigkeit nach dieser Bestimmung liegen nicht vor:

1. Das zuständige Pflegschaftsgericht kann nach § 111 Abs 1 JN seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn im Interesse der pflegebefohlenen Person der pflegschaftsgerichtliche Schutz voraussichtlich gefördert wird. Die Rechtsprechung billigt dem Naheverhältnis zwischen pflegebefohlener Person und Gericht wesentliche Bedeutung zu und sieht deshalb im Allgemeinen das Gericht, als am besten geeignet an, in dessen Sprengel die Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei nicht stabilem Aufenthalt wird eine Übertragung der Zuständigkeit allerdings abgelehnt (vgl nur 10 Nc 10/18d mwH).

2. Nach der Aktenlage war die Mutter mit den Kindern zuletzt ab in einer im Sprengel des Gerichtsbezirks Linz gelegenen Gemeinde wohnhaft, ehe sie Österreich verließ. Es besteht deshalb – zumindest derzeit – kein Anhaltspunkt für einen dauerhaften, stabilen Aufenthaltsort der Mutter und der Kinder im Sprengel des Bezirksgerichts Linz nach ihrer allfälligen Rückkehr nach Österreich.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100NC00019.18B.1112.000

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