OGH vom 19.07.2010, 10Nc16/10z

OGH vom 19.07.2010, 10Nc16/10z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Christina Sabrina S*****, geboren am , und der mj Benita Francesca S*****, geboren am , wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom , AZ 1 PS 11/07h 52, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Oberndorf wird genehmigt.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Zuständigkeit in der früher beim Bezirksgericht Oberndorf anhängig gewesenen Pflegschaftssache wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom übernommen, weil sich die beiden Kinder mit ihrer laut Scheidungsfolgenvereinbarung vom (ON S 13) allein mit der Obsorge betrauten Mutter in Klosterneuburg aufhielten (ON S 15). Der Vater stellte am beim Bezirksgericht Klosterneuburg den Antrag, ihm allein die Obsorge über die beiden Kinder zu übertragen (ON S 17). Diesem Antrag gab das Bezirksgericht Klosterneuburg nach Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens (ON S 42) einer in Wien domizilierten Sachverständigen mit Beschluss vom (ON S 44) statt; dem Beschluss wurde gemäß § 44 AußStrG vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zuerkannt. Am brachte die Mutter beim Bezirksgericht Klosterneuburg einen Antrag auf Regelung des Rechts auf persönlichen Verkehr ein (ON S 47), zu dem vom angerufenen Bezirksgericht bisher keine Erhebungen gepflogen wurden und über den auch noch nicht entschieden wurde. Der Vater äußerte sich am zum Antrag der Mutter und schlug gewisse Modalitäten der Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr durch die Mutter vor (ON S 53).

Mit Beschluss vom übertrug das Bezirksgericht Klosterneuburg die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN dem Bezirksgericht Oberndorf, weil die beiden Kinder ihren Aufenthalt nunmehr ständig im Sprengel dieses Gerichts haben (ON S 52). Der Übertragungsbeschluss wurde den Rechtsvertretern der Mutter am und den Rechtsvertretern des Vaters am zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde nicht erhoben.

Das Bezirksgericht Oberndorf lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache unter Hinweis auf den noch offenen Antrag der Mutter auf Regelung des Rechts auf persönlichen Verkehr ab (ON S 56): Im Hinblick auf die Erhebungen des Bezirksgerichts Klosterneuburg zum Obsorgeantrag des Vaters sei es zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Klosterneuburg auch über den Antrag der Mutter entscheide.

Rechtliche Beurteilung

Da der Vater und die Mutter gegen den Übertragungsbeschluss kein Rechtsmittel erhoben haben, liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 111 JN vor.

Die Übertragung der Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Oberndorf ist gerechtfertigt.

Gemäß § 111 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt. Auch offene Anträge bilden nach ständiger Rechtsprechung kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RIS Justiz RS0047027 [T8]). Entscheidend ist immer das Wohl des Pflegebefohlenen, das nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu beurteilen ist (vgl P. Mayr in Rechberger , ZPO 3 § 111 JN Rz 1 f mwN).

Im vorliegenden Fall sind die für die Entscheidung über den Antrag der Mutter auf Regelung des persönlichen Verkehrs notwendigen Erhebungen erst durchzuführen. Auch wenn das Bezirksgericht Klosterneuburg seinerzeit schon umfangreiche Erhebungen zum Obsorgeantrag durchgeführt hat, ist kein besonderer Vorteil aus der weiteren Sachbearbeitung durch das bisherige Pflegschaftsgericht zu erwarten, weil sich die Kinder nach der Obsorgeübertragung auf den Vater ständig im Sprengel des Bezirksgerichts Oberndorf aufhalten und so ihre Kontaktaufnahme mit dem Gericht leichter möglich ist. Christina Sabrina wird demnächst 14 Jahre alt und ist ab diesem Zeitpunkt selbständig verfahrensfähig (§ 104 Abs 1 AußStrG). In diesem Sinn sprechen Gründe des Kindeswohls dafür, dass als Pflegschaftsgericht das Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt und der Mittelpunkt der Lebensführung der Kinder liegt (vgl RIS Justiz RS0047300 [T1]).

Die Übertragung ist daher zu genehmigen.