OGH vom 03.09.2012, 10Nc15/12f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Kfm. G*****, vertreten durch Mag. Jürgen Nagel, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, wegen Vertragsaufhebung (Streitwert: 6.170 EUR sA), über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 188,02 EUR (darin 31,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Äußerung zum Delegierungsantrag binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der in Bregenz wohnende Kläger begehrt mit der (unter Behauptung des Gerichtsstands nach § 88 Abs 1 JN) beim dortigen Bezirksgericht eingebrachten Klage die Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrags über ein bei der in Bischofshofen (im Sprengel des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau) ansässigen Beklagten gekauftes Elektromobil.
Über Antrag des Klägers wurde die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht St. Johann im Pongau überwiesen, wo der Kläger den Antrag auf Delegierung an das Bezirksgericht Bregenz stellte. Wegen äußerst schlechter körperlicher Verfassung sei er nicht (mehr) in der Lage, zum Bezirksgericht St. Johann im Pongau oder einem anderen Gericht anzureisen. Es werde ihm auch „kaum“ möglich sein, zu einer Videokonferenz vor dem Bezirksgericht Bregenz zu erscheinen. Das sachverständig zu begutachtende Elektromobil befinde sich bei ihm zu Haus in Vorarlberg, wo er im Rahmen der Befundaufnahme „gesundheitsschonend“ einvernommen werden könnte.
Zum Delegierungsantrag brachte der Kläger noch vor, die Verfahrensdurchführung vor dem Bezirksgericht St. Johann im Pongau sei „faktisch nicht möglich“. Die Delegierung werde allein aus dem Grund beantragt, weil sich der Gesundheitszustand des Klägers seit der Klageeinbringung derart massiv verschlechtert habe. Der Delegierungsantrag sei erforderlich, um dem Kläger „überhaupt seine Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung zu wahren“.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte unter anderem drei Zeugen mit Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau und sprach sich gegen die Delegierung aus, weil die Voraussetzungen einer wesentlichen Verbilligung oder Verkürzung des Verfahrens oder eines erleichterten Gerichtszugangs nicht vorlägen:
Der Kläger führe selbst aus, es sei ihm nicht einmal möglich, zum Bezirksgericht Bregenz persönlich anzureisen, und die Beklagte erhebe keine Einwände gegen die Bestellung eines Sachverständigen aus dem Bundesland Vorarlberg. Der Kläger blende völlig aus, dass die von der Beklagten beantragten Zeugen ihren Wohnsitz alle im Sprengel des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau hätten. Die gleichzeitige Abwesenheit der Zeugen zur Einvernahme vor dem etwa 400 km entfernten Bezirksgericht Bregenz würde den Betrieb der Beklagten nahezu lahmlegen. Der Kläger versuche offenbar, wiederum die Zuständigkeit des bereits ursprünglich angerufenen, örtlich unzuständigen Gerichts zu begründen, sodass eine Delegation der ständigen Rechtsprechung zuwiderlaufen würde.
Das Erstgericht erklärte, keine Stellungnahme zur Frage der Zweckmäßigkeit der Delegierung abgeben zu können, weil es bislang noch keine Beweisaufnahme durchgeführt habe, sodass eine Beurteilung des Gesundheitszustands des Klägers nicht möglich sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Eine Delegierung kommt nur dann in Betracht, wenn klare und überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen ( Ballon in Fasching ² I § 31 JN Rz 6 f mwN). Sie ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, einer Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit oder zu einer Kostenverringerung beiträgt (RIS Justiz RS0046333). Kann die Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten aller Parteien beantwortet werden und widerspricht eine der Parteien der Delegierung, so ist der widersprechenden Partei der Vorzug zu geben (RIS-Justiz RS0046324; RS0046589; vgl auch RS0046455). Die Delegierung soll nach ständiger Rechtsprechung die Ausnahme bilden; würde doch eine großzügige Anwendung des § 31 JN im Ergebnis zu einer unvertretbaren Lockerung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS-Justiz RS0046441; RS0046589; 10 Nc 5/11h; jüngst: 7 Nc 5/12p mwN).
Die Beklagte weist daher zutreffend darauf hin, dass die Delegierung den Ausnahmefall darstellt, und dass durch eine großzügige Handhabung der Möglichkeiten der Delegierung keine Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden soll. Auch wenn der Kläger in Bregenz wohnt, kommt eine Delegierung hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die von der Beklagten beantragten drei Zeugen im Sprengel des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau leben und ohnehin ein Sachverständiger aus Vorarlberg beigezogen werden kann. Es sprechen somit keine eindeutig überwiegenden Gründe für die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung. Liegt die beantragte Delegierung aber nicht im wohlverstandenen Interesse beider Parteien, kann der Beklagten ein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung nicht abgesprochen werden (7 Nc 5/12p; 10 Nc 23/11f mwN).
Der erfolglose Delegierungswerber hat dem Prozessgegner dessen notwendige Kosten seiner ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen (RIS-Justiz RS0036025; 7 Nc 5/12p mwN).