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OGH vom 20.07.2010, 10Nc13/10h

OGH vom 20.07.2010, 10Nc13/10h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde H*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) P***** GmbH in Liquidation, *****, und 2.) A***** Ltd, *****, Bermuda, beide vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei gemäß § 28 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt in ihrer am beim Erstgericht eingebrachten Klage von den beiden beklagten Parteien die Zahlung von 35.000 EUR sA. Sie habe über die Erstbeklagte als ihre Vermögensverwalterin stimmrechtslose Aktien der Zweitbeklagten, einer auf den Bermuda Inseln registrierten Gesellschaft, gekauft und hiefür insgesamt 830.931,78 EUR bezahlt. Diese nach einem Teilverkauf verbliebene Investition in Höhe von 457.174,71 EUR habe sich im Dezember 2008 als verloren herausgestellt, da der „A***** Fund“ tatsächlich kein Investmentfonds, sondern Teil des Pyramidenspiels von Bernard M***** gewesen sei. Die Klägerin mache vorerst lediglich einen Teilbetrag von 35.000 EUR als Schadenersatz geltend. Die Erstbeklagte hafte der Klägerin für diese vereinbarungswidrige, unvorteilhafte und unsichere Investition. Die Zweitbeklagte hafte der Klägerin dafür, dass sie das Geld der Klägerin nicht wie im Kapitalmarktprospekt beschrieben diversifiziert in hochliquide US Titel veranlagt habe. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hinsichtlich der Zweitbeklagten werde auf § 29 InvFG gestützt, weil für Klagen gegen die ausländische Kapitalanlagegesellschaft hier die Zweitbeklagte das für den Repräsentanten hier die E***** AG örtlich zuständige Gericht zuständig sei.

Die Zweitbeklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit im Wesentlichen mit der Begründung, sie sei ein ausländischer Investmentfonds mit Sitz auf Bermuda und unterliege dem dortigen Recht. Die Zuständigkeitsnorm des § 29 Abs 2 InvFG finde keine Anwendung, weil die Repräsentantenstellung der E***** AG bereits ca fünf Monate vor der Klagseinbringung rechtswirksam und endgültig beendet worden sei und sie ihre Anteile in Österreich immer nur privat platziert und nie öffentlich vertrieben habe. Im Übrigen beantragten beide Beklagten die Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin stellte daraufhin hilfsweise den Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN. Eine Rechtsverfolgung gegen die Zweitbeklagte auf Bermuda sei ihr nicht zumutbar, weil eine Entscheidung des Gerichts auf Bermuda in Österreich nicht vollstreckbar wäre. Es bestehe allerdings Vermögen der Zweitbeklagten in Österreich in Form von Schadenersatzansprüchen und Forderungen der Zweitbeklagten gegen deren in Österreich ansässigen Organe sowie gegen sonstige Vertragspartner der Zweitbeklagten bzw deren Organe, die ebenfalls ihren Wohnsitz in Österreich hätten. Darüber hinaus sei eine Rechtsverfolgung für die Klägerin auf Bermuda aufgrund der Entfernung und der Anreisekosten unzumutbar.

Die Zweitbeklagte beantragte die Abweisung des Ordinationsantrags mit der Begründung, sie habe weder Vermögen bzw Forderungen in Österreich, noch bestehe ein Rechtsgrund für ein Vorgehen gegen ihre Organe. Im Übrigen wären theoretisch Ansprüche gegen ihre Organe zwingend ausschließlich auf Bermuda geltend zu machen. Sie habe in den USA im Zuge des Insolvenzverfahrens ihres Brokers Bernard L. M***** LLC Forderungen angemeldet sowie Ansprüche gegen ihre Depotbank und ihren Administrator H***** (Luxemburg) S.A. und ihren Wirtschaftsprüfer E***** Y***** in Luxemburg gerichtlich geltend gemacht.

Die Klägerin brachte dazu ergänzend vor, dass nur die Zweitbeklagte und nicht auch die Anleger Ansprüche gegen die Depotbank in Luxemburg geltend machen könnten.

Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Dieser Beschluss ist nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen. Das Erstgericht legte daraufhin den Ordinationsantrag der Klägerin dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der inhaltlichen Erledigung des hilfsweise gestellten Ordinationsantrags nicht entgegensteht, dass das Erstgericht nicht nur die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ausgesprochen, sondern auch die Klage zurückgewiesen hat (vgl 2 Ob 32/08g). In einem solchen Fall müsste die Klägerin nach einer über ihren Antrag erfolgten Ordination die Klage neu beim ordinierten Gericht einbringen (vgl 10 Nd 510/00 mwN).

Der Ordinationsantrag ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt eine Ordination nach dieser Gesetzesstelle voraus, dass der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

Diese Bestimmung soll jene Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (2 Ob 32/08g mwN). Ein genereller inländischer Klägergerichtsstand darf durch diese Ordinationsmöglichkeit allerdings nicht geschaffen werden (10 Nc 19/05h mwN). Es muss ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer Rechtsdurchsetzung im Inland gegeben sein. Als besonderes Rechtsschutzbedürfnis in diesem Sinne kommt die Unzumutbarkeit oder unverhältnismäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung im Ausland in Betracht. Unzumutbarkeit bzw Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in Lehre und Rechtsprechung insbesondere dann angenommen, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, wenn eine dringend notwendige Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, wenn eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder wenn die Prozessführung im Ausland derart kostspielig wäre, dass sie den Rechtszugang faktisch ausschließen würde (vgl Mayr in Rechberger , ZPO 3 § 28 JN Rz 4 mwN).

Die Klägerin erfüllt die erste der beiden von § 28 Abs 1 Z 2 JN angeführten Voraussetzungen (Naheverhältnis zum Inland) im Hinblick auf ihren Sitz in Österreich (vgl 2 Ob 32/08g, 10 Nc 19/05h). Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland im Einzelfall) ist zu berücksichtigen, dass Bermuda nicht Mitglied der Europäischen Union und nicht vom räumlichen Geltungsbereich der EuGVO erfasst ist (vgl Norbert. A. Schoibl , Vom Brüsseler Übereinkommen zur Brüssel I Verordnung: Neuerungen im europäischen Zivilprozessrecht, JBl 2003, 149 ff [152]). Die mangelnde Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen kann ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme inländischer Gerichte bilden, wenn die Beklagte über Vermögen im Inland verfügt (das zwar zur Begründung des Gerichtsstands nach § 99 JN nicht ausreicht), in das aufgrund eines inländischen Titels Exekution geführt werden könnte (Matscher in Fasching 2 I § 28 JN Rz 69; 4 Nd 507/96 ua). Die für das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Ordination behauptungs und bescheinigungspflichtige Klägerin konnte nicht bescheinigen, dass die Zweitbeklagte in Österreich Vermögen hätte und daher hier gegen sie Exekution geführt werden sollte. Es liegt insbesondere keinerlei Bescheinigung dafür vor, dass der Zweitbeklagten Schadenersatzansprüche und Forderungen gegen ihre in Österreich ansässigen Organe sowie gegen sonstige Vertragspartner bzw deren Organe, die ebenfalls ihren Wohnsitz in Österreich hätten, zustünden.

Auch das von der Klägerin ins Treffen geführte Prozesskostenargument ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen. Im Regelfall stellt sich nämlich die Kostenfrage bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht daher zu Lasten des Klägers (2 Ob 32/08g mwN). Die Tatsache, dass eine Prozessführung im Ausland für einen Inländer komplizierter und kostenaufwendiger ist als eine Prozessführung im Inland, bewirkt daher noch nicht die Unzumutbarkeit der Prozessführung im Ausland. Die Klägerin hat insbesondere auch nicht vorgebracht, aus welchen Gründen ihre persönliche Anwesenheit bei dem ausländischen Gericht erforderlich wäre und warum eine Einvernahme nicht im Rechtshilfeweg vor einem österreichischen Gericht möglich sein sollte (vgl 2 Ob 32/08g mwN).

Der Ordinationsantrag war daher mangels Nachweises eines ausreichenden inländischen Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen.