zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 21.07.2020, 5Ob99/20z

OGH vom 21.07.2020, 5Ob99/20z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Meinrad Küenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Zivilteilung (Streitwert 82.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 16/20y-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagte dem Zivilteilungsbegehren des Klägers erfolgreich einen aus dem wechselseitigen Veräußerungs- und Belastungsverbot der Streitteile abgeleiteten Verzicht auf den Teilungsanspruch entgegenhalten kann.

Das Erstgericht gab dem Teilungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bejahte eine schlüssige Fortsetzungsvereinbarung und wies die Klage ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RISJustiz RS0013247) bedarf der Anspruch eines Teilhabers einer Eigentumsgemeinschaft auf Aufhebung nach § 830 zweiter Satz ABGB keiner Begründung aus der Interessenslage des Klägers, sodass dem unbedingten Aufhebungsanspruch grundsätzlich nur durch die Teilungshindernisse der Unzeit und des Nachteils der übrigen – die nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind – Schranken gesetzt sind (RS0013246 [T10]). Allerdings können die Teilhaber einer Gemeinschaft verbindlich eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Gemeinschaft eingehen (RS0013344) und dadurch auf die Geltendmachung des Teilungsanspruchs verzichten (Sailer in KBB6§ 831 ABGB Rz 1). Nach Rechtsprechung und Lehre kann eine solche Fortsetzungsvereinbarung nicht nur ausdrücklich getroffen werden, sondern auch stillschweigend durch schlüssige Handlung im Sinn des § 863 Abs 1 ABGB zustande kommen (RS0013372; RS0013344 [T3]; 7 Ob 72/08a; Sailer aaO Rz 2). Eine rechtsgeschäftliche Beschränkung des Auseinandersetzungsanspruchs kann auch in einer einvernehmlichen Sachwidmung liegen (RS0013370; vgl RS0013349; RS0013358; Sailer aaO). In einem von je zur Hälfte eigentumsberechtigten Ehegatten vereinbarten wechselseitigen Belastungs und Veräußerungsverbot kann eine Verpflichtung zur Fortsetzung der Gemeinschaft gesehen werden (RS0013272 [T2, T 3] = 7 Ob 72/08a; vgl auch RS0010746). Die Behauptungs und Beweislast für das Vorliegen einer Fortsetzungsvereinbarung liegt beim Teilungsbeklagten (5 Ob 82/14s).

2.1 Das Berufungsgericht legte den Schenkungsvertrag der Streitteile samt Einräumung eines wechselseitigen Belastungs und Veräußerungsverbots zur Erhaltung des Familienbesitzes im Sinn einer konkludenten Fortsetzungsvereinbarung und damit eines Verzichts des Klägers auf seinen unbedingten Teilungsanspruch aus. Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung oder der Schlüssigkeit eines Verhaltens ist einzelfallbezogen und hat daher im Regelfall keine über die besonderen Umstände dieses Einzelfalls hinausgehende Bedeutung. Sie wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0043253 [T1, T 2, T 14, T 17, T 18]). Dies gilt auch für die Frage, ob nach den Umständen des Einzelfalls eine Zweckwidmung einen Verzicht auf den unbedingten Teilungsanspruch bewirkt (5 Ob 62/16b). Die Revision wäre daher nur dann zulässig, wenn dem Berufungsgericht eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (RS0043253 [T7, T 8]). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Vorinstanzen von den Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sind und der Umstand allein, dass zu einem exakt gleichen Sachverhalt (ehemalige Lebensgefährten) höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt, nicht ausreicht, um eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen (vgl RS0102181).

2.2 Die Streitteile hielten – im Gegensatz zu dem 5 Ob 82/14s zugrunde liegenden Fall – im Schenkungsvertrag ausdrücklich fest, dass die Einräumung des wechselseitigen Belastungs und Veräußerungsverbots zum Zweck der Sicherung und der Erhaltung des Familienbesitzes erfolgte. Dass sich die Streitteile damit nicht nur der einseitigen Verfügung über ihre Miteigentumsanteile, sondern auch ihres Teilungsanspruchs begeben wollten, weil mit der Feilbietung nach einer erfolgreichen Teilungsklage die Gefahr verbunden ist, dass die gemeinsame Liegenschaft – die der Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Streitteile und ihrer gemeinsamen Kinder diente – in dritte Hände außerhalb der Familie gelangt, ist keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Diese Gefahr wird gerade dadurch gebannt, dass die Streitteile wechselseitig auf die Ausübung ihres Teilungsanspruchs verzichten (vgl 7 Ob 72/08a in Bezug auf ein von Ehegatten vereinbartes wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot). Da das Berufungsgericht nicht davon ausging, die Belastungs und Veräußerungsverbote an sich wären der Zivilteilung entgegengestanden (dies wäre nur dann der Fall, wenn sie allesamt zu Gunsten desselben Verbotsberechtigten auf der Gesamtliegenschaft einverleibt wären – RS0010783 [T3]), sondern das wechselseitige Veräußerungs und Belastungsverbot als rechtsgeschäftliche Fortsetzungsvereinbarung und damit schlüssigen Verzicht auf den Teilungsanspruch im Sinn des § 831 ABGB wertete, liegt die behauptete Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht vor.

3.1 Im Fall eines Verzichts auf den unbedingten Teilungsanspruch kann Teilung nur aus wichtigen Gründen verlangt werden (RS0013376; vgl auch RS0010746, RS0010745). Die Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft kann wie jedes andere Dauerschuldverhältnis aus wichtigen Gründen dann vorzeitig aufgelöst werden, wenn die weitere Erfüllung unmöglich oder unzumutbar wird (RS0098749). Die Verbindlichkeit zur Fortsetzung der Gemeinschaft und damit der Ausschluss der Teilungsbefugnis hören (nur) auf, wenn die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft aus wichtigen, objektiven, die gemeinschaftliche Sache betreffenden und aus subjektiven, nur die Personen einzelner Teilhaber betreffenden Gründen unvermeidlich wird (RS0013260). Die Behauptungs und Beweislast für derartige wichtige Gründe trifft den auf die Auseinandersetzung dringenden Teilhaber (RS0013369; RS0013260 [T2]). Dieser muss konkrete Umstände behaupten und beweisen, aus denen die Bindung zur Fortsetzung der Gemeinschaft entfällt (7 Ob 72/08a; 5 Ob 62/16b). Die Frage, ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags vorliegt, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RS0111817). Die Frage, welche schwerwiegenden Gründe die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken, kann nur aus umfassender Sicht aller dafür und dagegen sprechender Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (5 Ob 62/16b mwN). Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Kläger auch insoweit nicht auf. Das Berufungsgericht wich nicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Behauptungs und Beweislast ab.

3.2 Sekundäre Feststellungsmängel zu wichtigen Gründen zur Aufhebung der Fortsetzungsvereinbarung brauchte das Berufungsgericht nicht erörtern, weil sich der Kläger im Verfahren erster Instanz auf eine Berechtigung zu deren Auflösung aus wichtigem Grund nicht konkret berufen hat. Die Behauptungs und Beweislast für konkrete Umstände, die ihn zur Auflösung berechtigten, traf – wie dargestellt – aber ihn. Daher liegt weder ein sekundärer Feststellungsmangel noch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor; die in der Berufungsbeantwortung vermissten Feststellungen zu diesem Themenkreis verstießen mangels Vorbringens in erster Instanz gegen das Neuerungsverbot (vgl RS0037612).

4. Ob der schlüssige Teilungsverzicht grundsätzlich über die Dauer der Lebensgemeinschaft hinaus wirken sollte, ist ebenfalls eine Frage der Auslegung der Vereinbarung im Einzelfall. Dass hier eine solche Bindung vereinbart werden sollte, ist nicht korrekturbedürftig. Die Schenkung der Liegenschaftshälfte sollte der Absicherung der Investitionen des Klägers dienen, die wechselseitige Vereinbarung eines Belastungs und Veräußerungsverbots hatte den Zweck, die Liegenschaft im Familienbesitz zu erhalten. Der Vertrag wurde im Bewusstsein einer möglichen Auflösung der Lebensgemeinschaft abgeschlossen, die Streitteile sprachen dieses Thema an. Weder die Schenkung noch das wechselseitige Verbot sollten unter der auflösenden Bedingung der Beendigung der Lebensgemeinschaft stehen. Während es daher primär dem Interesse des Klägers diente, als Absicherung, allenfalls Abgeltung, seiner Investitionen Hälfteeigentümer der Liegenschaft zu werden, wollten beide Streitteile die Beklagte dahin absichern, dass die Liegenschaft in ihrem – zumindest – Miteigentum auch nach dem Zeitpunkt der Auflösung der Lebensgemeinschaft verbleiben kann. Im Hinblick darauf, dass während aufrechter Lebensgemeinschaft die einseitige Veräußerung eines Miteigentumsanteils durch einen der Partner kaum zu erwarten ist, wird die Vereinbarung des wechselseitigen Belastungs und Veräußerungsverbots offensichtlich gerade dann sinnvoll, wenn die Lebensgemeinschaft aufgelöst und kein Einvernehmen über das weitere Schicksal der gemeinsamen Liegenschaft erzielt wird. Die Auslegung, der schlüssige Teilungsverzicht wirke im konkreten Fall über den Zeitpunkt der Auflösung der Lebensgemeinschaft hinaus, ist daher ebenso im Einzelfall nicht zu beanstanden.

5. Damit war die außerordentliche Revision zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00099.20Z.0721.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.