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OGH vom 09.06.2009, 5Ob99/09h

OGH vom 09.06.2009, 5Ob99/09h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Einbücherungssache der Antragstellerin Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee, *****, vertreten durch MMag. Dr. Friedrich Studentschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die Antragsgegner 1. Dr. Andreas B*****, 2. Ing. Richard D*****, 3. Elisabeth D*****, 4. DI Andreas M*****, 5. Josef T 6. Ing. Mag. Wilhelm Johann L*****, alle vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Baden, wegen Einbücherung von Kellereigentum, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 12/08x-60, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 5 Nc 806/05x-55 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Bezeichnung der Antragstellerin wird auf „Klagenfurt am Wörthersee" berichtigt.

2. Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragstellerin werden der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben und der Rekurs der Antragstellerin sowie die Rekursbeantwortung der Antragsgegner zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden aufgehoben.

Text

Begründung:

Unter den im bücherlichen Miteigentum der Antragsgegner stehenden Grundstücken 56 und .159 der EZ ***** und ***** KG ***** befindet sich ein Tunnelgang (Poterne), bei dem es sich um ein Relikt der zu Beginn des 19. Jahrhunderts zerstörten Renaissancebefestigungsanlage der Stadt Klagenfurt handelt.

Eigentümer der Befestigungsanlagen der Stadt waren ab 1518 die Kärntner Landstände. Mit Vertrag vom 10. September 1868 zwischen dem Kärntner Landesausschuss und dem Gemeinderat der Stadt Klagenfurt wurden mehrere Objekte, die bisher im Eigentum der Kärntnerischen Landschaft standen, mit allen Rechten und Lasten in das Eigentum der Stadt Klagenfurt übertragen. Zu diesem Zeitpunkt waren die oberhalb der gegenständlichen Poterne liegenden Grundstücke Nr. 56 und .159 allerdings bereits in Privatbesitz.

Auf dem Grundstück .159 befindet sich das 1820 oder 1821 errichtete, als „Palais R*****" bezeichnete Gebäude. Dieses steht in seinem nördlichen Teil über der Poterne. Im Bereich der ostseitigen Außenmauer des Palais ist das Poternengewölbe mit dem Gebäude verbunden und stellt mit ihm eine bauliche Einheit dar. Mit großer Wahrscheinlichkeit steht auch die nordseitige Außenmauer des Palais R***** auf der Poterne. Eine räumliche Verbindung im Sinne eines Durchgangs zwischen dem Keller des Palais und der Poterne hat es nie gegeben.

Die Antragstellerin begehrt die Ergänzung des Grundbuchs durch Einbücherung der Poterne als Kellergrundstück im Sinne des Hofkanzleidekrets vom 2. Juli 1832 und Einverleibung ihres Eigentumsrechts ob der neu geschaffenen Einlage.

Das Erstgericht wies das Ansuchen nach Einleitung des Verfahrens nach §§ 16 ff AllgGAG iVm § 22 AllgGAV - jedoch noch vor dem Stadium der Vorlage des Aktes an den Präsidenten des Landesgerichts gemäß § 30 AllgGAG - ausgehend vom dargestellten Sachverhalt ab. Für die Sonderrechtsfähigkeit unterirdischer Räume oder Bauwerke sei es entscheidend, dass sie nicht der Fundamentierung eines über der Erdoberfläche errichteten Bauwerks dienen. Diese Voraussetzung erfülle die Poterne nicht, weil sie zumindest im östlichen Bereich des darüber errichteten Gebäudes dessen Fundamentierung diene und mit ihm eine bauliche Einheit darstelle.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rechtsmittel der Antragstellerin im zweiten Rechtsgang keine Folge. Auch wenn nur ein kleiner Teil der Poterne der Fundamentierung eines Teils der östlichen Außenmauer und damit des darüber befindlichen Gebäudes diene, fehle es ihr an der für Kellereigentum notwendigen baulichen Selbstständigkeit. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zu der Frage, ob ein Tunnelgewölbe auch dann sonderrechtsfähig sein kann, wenn nur ein Teil davon der Fundamentierung eines darüber liegenden Gebäudeteils dient, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses ist

1. die Bezeichnung der Antragstellerin von Amts wegen zu berichtigen. Mit Art I des Landesgesetzes vom , LGBl Nr. 1/2008, wurde die Kärntner Landesverfassung, LGBl Nr. 85/1996, in ihrem Artikel 7 dahin geändert, dass der Name der Hauptstadt des Landes Kärnten ab dem der Kundmachung folgenden Monatsersten „Klagenfurt am Wörthersee" lautet;

2. in der Sache selbst die dem Beschluss des Rekursgerichts anhaftende Nichtigkeit aufzugreifen:

2.1. Das Grundbuchsanlegungs- und ergänzungsverfahren ist ein außerstreitiges gerichtliches Verfahren (vgl 1 Ob 321/51 = SZ 24/134; RIS-Justiz RS0049656), das vom Prinzip der Amtswegigkeit geprägt ist (§ 1 Abs 3 AllgGAG) und in dem nur die in § 62 AllgGAG taxativ aufgezählten Beschlüsse einer Anfechtung unterliegen (RIS-Justiz RS0049674 [T1]). Ausnahmen bestehen lediglich für Liegenschaften, die den Gegenstand eines Eisenbahnbuches bilden (§ 1 Abs 1 AllgGAG), sowie für das öffentliche Gut und das Gemeindegut (§ 1 Abs 2 AllgGAG). Die Bestimmungen des AllgGAG sind auch anzuwenden, wenn ein Grundbuch durch Eintragung einer Liegenschaft, die noch in keinem Grundbuch eingetragen war, ergänzt werden soll (§ 65 Abs 1 AllgGAG).

Eine Antragslegitimation kommt nur den in § 1 Abs 2 AllGAG genannten öffentlichen Stellen und Beteiligten zu, dies aber beschränkt auf jene Liegenschaften, die dem öffentlichen Gut (§ 287 ABGB) oder dem Gemeindegut (§ 288 ABGB) angehören. Es besteht kein durchsetzbarer privatrechtlicher Anspruch auf Wahrnehmung der gerichtlichen Amtspflicht zur Einbücherung von Liegenschaften (5 Ob 157/01a; vgl zur amtswegigen Bereinigung des Grundbuchs: Kodek, Grundbuchsrecht, § 130 und E 22 mwN).

2.2. Das Rekursgericht hat zur Frage der Antragslegitimation der Revisionsrekurswerberin ausgeführt, der verfahrenseinleitende Schriftsatz habe zunächst nur auf ein dem Einbücherungsverfahren vorgelagertes Tätigwerden des Gerichts abgezielt. Von sich aus habe das Erstgericht keine Veranlassung zu der Überprüfung gehabt, ob die Poterne einen selbstständigen Grundbuchskörper bilden könnte. Ein solches vorgelagertes Verfahren könne daher überhaupt nur über Antrag im Sinne des § 8 Abs 1 AußStrG eingeleitet werden.

Dieser Auslegung steht allerdings der Gesetzeswortlaut entgegen. Nach § 22 AllgGAV findet eine Ergänzung des Grundbuchs statt, wenn

- hervorkommt, dass bei der Anlegung eine von Amts wegen aufzunehmende Liegenschaft übersehen wurde (oder eine solche durch Wegfall der Eigenschaft als öffentliches Gut entsteht), oder

- aufgrund eines Antrags nach § 1 Abs 2 AllgGAG.

Der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist kein Antrag im Sinne des § 1 Abs 2 AllgGAG. Die Antragstellerin ist zwar eine Stadt mit eigenem Statut, die zugleich einen Gemeindeverwaltungssprengel umfasst (Ktn LGBl Nr. 70/1998), sie hat aber schon in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz ausdrücklich nicht die Einbücherung öffentlichen Gutes beantragt, sondern sich auf rein privatrechtliche Ansprüche berufen. Auch im Zuge des Erhebungsverfahrens hat sich kein Hinweis darauf ergeben, dass die Poterne irgendwann seit dem behaupteten Erwerbstitel einem Gemeingebrauch gedient hätte.

Mit einer an das Gericht adressierten Mitteilung, es bestehe eine bisher übersehene und nunmehr zu verbüchernde private Liegenschaft, wird nichts anderes als das „Hervorkommen" im Sinne des § 22 AllgGAV und damit der Anlass für eine amtswegige Tätigkeit des Gerichts bewirkt, ohne dass es der Fiktion eines gesonderten vorgelagerten Verfahrens bedürfte.

Entgegen den Ausführungen des Rekursgerichts kann der angefochtene erstinstanzliche Beschluss nicht einer anfechtbaren Entscheidung nach § 24 AllgGAG gleichgesetzt werden. Nach dieser Bestimmung können die Verfahrensbeteiligten zur Vorlage von Beweismitteln, die zur Anlegung des Grundbuchs notwendig sind, nach den Vorschriften des Außerstreitverfahrens angehalten werden. Eine Verbindung dieser Bestimmung zum Inhalt des hier angefochtenen Beschlusses ist für den erkennenden Senat nicht ersichtlich. Das Erstgericht hat auch nicht über den letzten tatsächlichen Besitz (§ 25 AllgGAG) entschieden. Als im Sinne des § 31 iVm § 62 AllgGAG anfechtbar wird ein Beschluss angesehen, mit dem eine neue Einlage eröffnet wird, oder mit dem ein Antrag um Aufnahme eines Rechts in den Entwurf der Grundbuchseinlage abgelehnt wird (vgl Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht, § 62 AllgGAG Rz 5; KG Wr. Neustadt RPflSlgG 1178). Mit dem angefochtenen erstinstanzlichen Beschluss wurde aber das amtswegige Einbücherungsverfahren noch vor Verfassung des Entwurfs einer neuen Grundbuchseinlage (§ 27 AllgGAG) abgebrochen.

Selbst bei weiter Interpretation kann diese Entscheidung den in § 62 AllgGAG nach hA taxativ (Kodek aaO § 62 AllgGAG Rz 2; 5 Ob 284/98w) als anfechtbar bezeichneten Beschlüssen nicht gleichgehalten werden. Der Antragstellerin mangelt es daher an der Rechtsmittellegitimation (vgl auch 5 Ob 157/01a).

2.3. Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0115201; RS0042059; RS0121264; s zur Entwicklung der Rechtsprechung Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 vor §§ 514 ff ZPO Rz 36, § 515 ZPO Rz 20, § 528 ZPO Rz 24; vgl überdies RIS-Justiz RS0043969). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt, wie aus § 54 AußStrG iVm § 71 Abs 4 AußStrG herzuleiten ist, auch für eine vom Obersten Gerichtshof im Außerstreitverfahren zu treffende Entscheidung (1 Ob 156/06g; 5 Ob 116/08g).

3. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts wäre der Revisionsrekurs auch bei Bejahung einer Rechtsmittellegitimation unzulässig, weil er keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft.

3.1. In Belassungsabsicht errichtete Gebäude gelten gemäß § 297 ABGB grundsätzlich als unselbstständiger Bestandteil einer Liegenschaft und teilen deren rechtliches Schicksal. Davon abweichend können aber unter der Oberfläche einer Liegenschaft befindliche, nicht als Fundament eines Gebäudes dienende Presshäuser, Keller und auch Tiefgaragen (2 Ob 1121/33 = JBl 1934, 189; JBl 1981, 266 [Hoyer]) als selbstständige unbewegliche Sachen gesehen und als eigene Grundbuchskörper behandelt werden (vgl GlU 6704; GlU 11.940; GlU 12.508; 2 Ob 1121/33 = JBl 1934, 189; 5 Ob 69/64 = EvBl 1964/260; 8 Ob 326/66 = EvBl 1967/265; 5 Ob 6/80 = SZ 41/118; JBl 1981, 266 [Hoyer]; LG Feldkirch 1a R 176/93 = RPflSlg 2684; Höller in Kodek Grundbuchsrecht 1.00 § 2 Rz 7; Feil/Marent/Preisl Grundbuchsrecht § 2 Rz 9f; Gmeyner, JBl 1905, 313; Pitreich in ABGB-FS 495 ff; Hinteregger in Schwimann ABGB II³ vor §§ 431-446, Rz 2).

3.2. Grundlage für die Verbücherung eines Kellerraums als eigener Grundbuchskörper war bisher das Hofkanzleidekret vom 2. Juli 1832, Zahl 14, 236. Regierungsverordnung vom 19. Juli 1832, Zahl 38, 961 über den Bestand der Keller-Grundbücher. Diese Bestimmung steht nach dem 1. BRBG, BGBl I 191/1999, noch befristet bis in Kraft. Seit ist die Sonderrechtsfähigkeit von unterirdischen Räumen nach § 300 ABGB idF BGBl I 100/2008 zu beurteilen, wonach an Räumen und Bauwerken, die sich unter der Erdoberfläche der Liegenschaft eines anderen befinden und nicht der Fundamentierung von über der Erdoberfläche errichteten Bauwerken dienen, wie Kellern, Tiefgaragen und industriellen oder wirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Stollen, mit Einwilligung des Liegenschaftseigentümers gesondert Eigentum begründet werden.

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 542 der Beilagen XXIII. GP) soll mit § 300 ABGB nF die durch das Hofkanzleidekret bewirkte Rechtslage über den hinaus aufrecht erhalten werden, wobei sich seine Formulierung zur Wahrung der Rechtskontinuität an den in der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verwendeten Formeln orientiere. Die in der Praxis derzeit wichtigsten Bauwerke, nämlich - abgesonderte und nicht der Fundamentierung dienende - Keller, Tiefgaragen und der industriellen Fertigung oder anderen wirtschaftlichen Zwecken gewidmete Stollen, seien im Gesetz der Klarheit wegen demonstrativ hervorgehoben. Es sei aber auch zulässig, Kellereigentum an anderen Bauwerken unter der Erdoberfläche zu begründen, so etwa an Eisenbahn- oder Straßentunneln.

3.3. Sowohl nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als auch der Literatur ist eine selbstständige Verbücherung nur möglich, wenn der Keller - von bloßen Hilfseinrichtungen wie Entlüftungsschächten abgesehen - nicht über die Oberfläche des Grundstücks hinausragt, zumal der Grundeigentümer sonst die Oberfläche seines Grundstücks nicht ohne Rücksicht auf den Keller nützen könnte (so Höller aaO Rz 8; Feil/Marent/Preisl aaO § 2 Rz 9 und 10; zur mitunter unscharfen Abgrenzung zu Dienstbarkeiten: EvBl 1964/260; KG Korneuburg 5 R 100/66 = RPflSlgG 1062; Feil/Marent/Preisl aaO § 2 Rz 9). Schon die Feststellung, dass das Poternengewölbe im Bereich der ostseitigen Außenmauer des Palais mit dem Gebäude verbunden ist und mit ihm (über der Erdoberfläche - siehe Lichtbilder AS 145, 147, 163) eine bauliche Einheit darstellt, steht daher nach der ständigen Rechtsprechung seiner Eignung zum selbstständigen Rechtsobjekt entgegen, ohne dass es auf die in der Revisionszulassung aufgeworfene Frage ankäme, in welchem Umfang das Kellergewölbe außerdem noch der Fundamentierung des Gebäudes dient.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens waren gemäß § 78 Abs 4 AußStrG aufzuheben, weil die Antragsgegner auf die mangelnde Rechtsmittellegitimation der Antragstellerin nicht hingewiesen haben (vgl § 51 Abs 2 ZPO).