OGH vom 16.05.2006, 5Ob99/06d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Lovrek und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. DI Dr. Edeltraud H*****, vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, 2. Ismail C*****, 3. Karin S*****, beide vertreten durch Martin Gruber, Verein Mieter informieren Mieter „MIM" Hilfe zur Selbsthilfe, Löhrgasse 13/20, 1150 Wien, 4. Ingrid S 5. Theresia S*****, viert- und Fünftantragsteller vertreten durch Mag. Walter Krauss, Mietervereinigung Österreichs, Hickelgasse 5, 1140 Wien, gegen die Antragsgegnerin Dr. Edith W*****, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder, DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG iVm § 23 MRG über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 46/05v-24 und 29, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom , GZ 26 Msch 115/02x-13, aufgehoben wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft *****, die Antragsteller sind Mieter von Wohnungen in diesem Haus. Soweit noch verfahrensgegenständlich begehren die Antragsteller die Feststellung, dass im Jahr 2000 durch Vorschreibung von Hausbesorgerkosten in Höhe von S 84.000 und im Jahr 2001 für Hausreinigung in Höhe von S 79.250 den Mietern des Hauses Beträge vorgeschrieben wurden, die keine Betriebskosten im Sinn des MRG seien.
Das Erstgericht stellte eine Überschreitung der zulässigen Betriebskosten durch Vorschreibung von Hausbesorgerkosten im Jahr 2000 in Höhe von S 9.362,58 und im Jahr 2001 in Höhe von S 8.000 fest. Infolge Nichtbeschäftigung eines Hausbesorgers im Jahr 2000 seien die fiktiven Hausbesorgerkosten mit S 74.837,72 festzusetzen. Dabei legte das Erstgericht die festgestellten Wohnnutzflächen, die Gehsteigfläche und die Hoffläche zugrunde und ermittelte nach dem Mindestlohntarif die sich daraus ergebenden fiktiven Hausbesorgerkosten. Für das Jahr 2001 seien infolge der Änderung des § 23 MRG angemessene Hausbetreuungskosten als Betriebskosten anzuerkennen. Solche hätten sich an den Bestimmungen des HBG sowie an den Mindestlohntarifen zu orientieren, woraus sich eine Überschreitung von S 8.000 für das Jahr 2001 errechne. Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss betreffend die Betriebskostenpositionen Hausbesorgerkosten für das Jahr 2000 und Hausreinigungskosten für 2001 auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Mit der WRN 2000 seien zum § 23 MRG gänzlich neu gefasst und damit die Regeln für die unter Betriebskosten verrechenbaren Aufwendungen für die „Hausbetreuung" geändert worden. Das Erstgericht hätte aufgrund dieser geänderten Rechtslage bereits für das zweite Halbjahr 2000 die neue Bestimmung des § 23 MRG anzuwenden gehabt. Das bedeute, dass den Mietern immer nur die angemessenen Kosten unter dem Titel Betriebskosten verrechnet werden dürften. Die Angemessenheit richte sich nach den Umständen des Einzelfalls, sei sowohl bei Erbringung der Arbeitsleistungen durch den Vermieter als auch bei Beauftragung eines Werkunternehmers an der tatsächlich erbrachten und nicht etwa an der vereinbarten Leistung zu messen und im Streitfall durch Beiziehung eines Sachverständigen zu ermitteln (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 6 zu § 23 MRG). Dabei ergebe sich der angemessene Werklohn für zur Hausbetreuung herangezogene Unternehmen bzw das angemessene Entgelt eines Dienstnehmers aus dem üblichen Preisniveau bzw den Mindestlohntarifen. Das Erstgericht habe im vorliegenden Fall jedoch eine Fortschreibung der „fiktiven Hausbesorgerkosten" sowohl für das zweite Halbjahr 2000 als auch für das Jahr 2001 vorgenommen, ohne eine konkrete Beurteilung der Angemessenheit im Sinn der neuen Bestimmung vorzunehmen. Darüber hinaus habe das Erstgericht die Ermittlung der Beiträge zum FLAG sowie die Ermittlung der Beiträge nach dem Kommunalsteuergesetz unterlassen. Auch sei eine nähere Begründung der Berechnung des Dienstnehmeranteils zur Sozialversicherung unterlassen worden.
Damit seien keine ausreichenden Grundlagen geschaffen worden, um die Höhe der überwälzbaren Hausbetreuungskosten zu beurteilen. Das habe zu einer Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses im bezeichneten Umfang zu führen.
Das Erstgericht werde ein Beweisverfahren darüber abzuführen haben, welche Arbeiten tatsächlich erbracht wurden und ob die dafür verrechneten Entgelte angemessen seien. Allenfalls sei dazu die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Das Rekursgericht erklärte den Rechtszug gegen seinen Aufhebungsbeschluss für zulässig, weil zur Auslegung der Vorschrift des § 23 MRG idF der WRN 2000 noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsteller beantragen, dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Antragsgegnerin ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig.
Er ist jedoch nicht berechtigt.
§ 23 MRG, der die Aufwendungen für die Hausbetreuung regelt, wurde durch Art 2 Z 11 der WRN 2000 neu gefasst und trat mit in Kraft (§ 49c Abs 1 MRG). Voraussetzung für seine Anwendbarkeit ist, dass entweder am kein Hausbesorgerdienstverhältnis bestand oder ein derartiges in der Folge beendet wurde (§ 49c Abs 5 MRG). Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass im gegenständlichen Fall, wo kein Hausbesorgerdienstverhältnis im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung bestand, ab der geänderten Rechtslage Rechnung zu tragen ist.
Im Vollanwendungsbereich des MRG erlaubte § 23 Abs 2 MRG idF vor der WRN 2000 bis die Verrechnung von fiktiven Hausbesorgerkosten, auch wenn kein Hausbesorger im Sinn des HbG beschäftigt wurde. Diese fiktiven Kosten umfassten alle einem Hausbesorger zustehenden Entgelte und Beträge nach dem HbG und weiterverweisend nach den Entgeltsverordnungen der jeweiligen Bundesländer bzw den Mindestlohntarifen. Dabei kam es weder auf die tatsächliche Erbringung der Leistungen an noch auf deren Angemessenheit.
Nach der Neuregelung des § 23 MRG durch die WRN 2000 sollen nach dem Willen des Gesetzgebers vom Begriff „Hausbetreuung" grundsätzlich dieselben Arbeiten erfasst sein, die zuvor vom Hausbesorger nach dem HbG zu verrichten waren. Eine inhaltliche Ausdehnung oder Einschränkung sollte mit der Änderung nicht verbunden sein. Dabei wurden die Kernelemente der zu erbringenden Leistungen dahin definiert, dass sie Reinhaltung, Wartung und Beaufsichtigung des Hauses bezogen auf Arbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft und die gemäß § 93 StVO in die Betreuungspflicht des Liegenschaftseigentümers fallenden Gehsteige enthalten (vgl dazu Assem, ImmZ 2001, 369 ff; Stabentheiner in WoBl 2000/206; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht Rz 5 zu § 23 MRG). Der Vermieter ist in der Wahl der Organisation der Hausbetreuungsleistungen nicht eingeschränkt. Er kann die Leistungen durch seinen Dienstnehmer oder aber einen Werkunternehmer verrichten lassen, sie selbst erbringen oder diese Leistungen beliebig kombinieren. Gleichgültig auf welche Art die Hausbetreuungsleistungen erbracht werden, dürfen den Mietern als Betriebskosten iSd § 21 MRG aber immer nur die angemessenen Kosten verrechnet werden. Das bedeutet, dass die Angemessenheit des Entgelts oder Werklohns stets die Obergrenze für die Überwälzbarkeit als Betriebskosten im Sinn des § 21 MRG auf die Mieter darstellt. Überwiegend wird dazu die Ansicht vertreten, dass entgegen dem AB (122 BlgNR XXI. GP 14) die nach früherem Recht für Hausbesorger zu leistenden Beträge keine Höchstgrenze für die Angemessenheit der Kosten der Hausbetreuungsleistung bilden (vgl Würth/Zingher WohnR 2000 Anm 4 zu § 23 MRG; Jäger, Das fiktive Hausbesorger- bzw Hausbetreuerentgelt in der Jahresabrechnung, immolex 2001, 21 f; Dirnbacher [MRG 2000 „neu" 231]; E. M. Hausmann aaO Rz 6 zu § 23 MRG).
Diese Ansicht teilt auch der erkennende Senat. Die vom Gesetzgeber verfolgte Intention, durch die Neuregelung des § 23 MRG die Betriebskosten zu senken, lässt sich durch die Bestimmung der Angemessenheit als Höchstgrenze der zulässigen Hausbetreuungskosten nicht adäquat verwirklichen.
Weil im vorliegenden Fall nicht feststeht, wie im Zeitraum bis die Hausbetreuung erfolgte, ob durch einen Dienstnehmer des Vermieters, durch einen vom Vermieter bestellten Werkunternehmer oder durch den Vermieter selbst, sind grundsätzliche Ausführungen zur jeweiligen Berechnungsart nicht angebracht. Zutreffend hat das Rekursgericht seine den erstinstanzlichen Sachbeschluss aufhebende Entscheidung jedenfalls damit begründet, dass ein Fortschreiben der Berechnung fiktiver Hausbesorgerkosten nach alter Rechtslage für Zeiträume nach dem dann nicht in Betracht kommt, wenn kein Hausbesorgerdienstverhältnis mehr bestand. Zutreffend ist weiters, dass es zur Beurteilung der Überwälzbarkeit der vom Vermieter aufgewendeten Beträge als Betriebskosten besonderer Feststellungen bedarf, die eine Beurteilung der Angemessenheit der tatsächlich erbrachten Hausbetreuungskosten ermöglichen. Ob es dazu der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, wird vom Erstgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen sein. Dem Rekurs der Antragsgegnerin war daher der Erfolg zu versagen.