OGH vom 11.05.2004, 5Ob98/04d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Mag. Nicolas K*****, vertreten durch Mag. Sascha Nevoral, Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegnerin V***** Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft reg. Gen. mbH, *****, vertreten durch Weissborn & Wojnar, Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen Überprüfung des vereinbarten Entgelts gemäß § 22 Abs 1 Z 6 WGG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 353/03p-60, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom , GZ 9 Msch 8/01k-56, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Sachbeschluss aufgehoben und die Mietrechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist seit Mai 1999 Mieter der Wohnung top 5 im Haus *****, das der Antragsgegnerin (einer gemeinnützigen Bauvereinigung) gehört. Er beantragte zunächst bei der zuständigen Schlichtungsstelle, dann gemäß § 40 Abs 1 MRG bei Gericht die Überprüfung des laufend zu zahlenden Nutzungsentgelts (Mietzinses). Auf die für die Behandlung des vorliegenden Rechtsmittels maßgeblichen Einzelheiten seines Vorbringens und jenes der Antragsgegnerin wird noch einzugehen sein. Hinzuweisen ist nur auf die Außerstreitstellung, dass die Antragsgegnerin ehemals für die Errichtung des Hauses gewährte Förderungsmittel nach Maßgabe des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes 1987 zurückgezahlt hat. Das fragliche Haus ist schon vor 1960 gebaut bzw bezogen worden.
Mit Sachbeschluss vom stellte das Erstgericht fest, dass die am getroffene Vereinbarung des (reinen) Nutzungsentgelts von S 2.710,70 monatlich für die Wohnung insoweit unwirksam sei, als dieses S 2.452,28 (EUR 178,21) übersteigt (Punkt 1), die Antragsgegnerin durch die Vorschreibung von S 2.710,70 im Zeitraum Mai 1999 bis März 2000 das gesetzlich zulässige Ausmaß also um monatlich S 258,54 (EUR 18,78) überschritten habe (Punkt 2). Der Antragsgegnerin wurde die Rückzahlung der Überschreitungsbeträge (EUR 206,58) aufgetragen (Punkt 3).
Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ist lediglich hervorzuheben, dass das in der Wohnung vorhandene Bad bei Beginn des Mietverhältnisses nicht gebrauchsfähig war. Für das Verständnis der Entscheidungsgründe des Rekursgerichtes ist außerdem vom Bedeutung, dass der Antragsteller neben dem laufenden Nutzungsentgelt einen einmaligen Finanzierungsbeitrag von insgesamt S 147.588,-- zu leisten hat.
Rechtlich erachtete das Erstgericht, dass wegen der Überlassung der Wohnung nach einer iSd RBG 1987 begünstigten Rückzahlung der Förderungsmittel die Bestimmung des § 13 Abs 4 WGG für die Höhe des zulässigen Nutzungsentgelts maßgeblich sei. Bei der Berechnung des Entgelts und der neben dem Entgelt zu leistenden Beträge (§ 17) könnten demnach abweichend von den Bestimmungen des § 13 Abs 1 und 2 WGG Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand der Wohnung sowie der Baulichkeit oder mehrere Baulichkeiten mit vergleichbaren Merkmalen zugrunde gelegt werden. Das Bad habe mangels Feuchtigkeitsisolierung und Verfliesung weder einer Badegelegenheit nach dem MRG noch einer solchen nach den Bauvorschriften entsprochen. Mangels Gebrauchsfähigkeit erscheine ein Abschlag von 15 % des ortsüblichen Hauptmietzinses für vergleichbare Bestandobjekte der Kategorie A gerechtfertigt. Dies ergebe ein angemessenes Nutzungsentgelt von S 45,--/m2 Wohnnutzfläche (52,57 m2), von S 11,25/m2 Loggia (6,2 m2) und von S 4,5/m2 Keller (3,75 m2). Insgesamt betrage das angemessene (reine) Nutzungsentgelt monatlich S 2.452,28.
Das Rekursgericht wies in Stattgebung eines Rekurses der Antragsgegnerin den Sachantrag des Antragstellers ab. Es hielt das Mietzins-Überprüfungsbegehren des Antragstellers für verfehlt und sah deshalb auch aus folgenden rechtlichen Erwägungen keine Notwendigkeit, sich mit der Beweis- und Tatsachenrüge der Antragsgegnerin zu befassen:
Neben der Einmalzahlung eines Finanzierungsbeitrags von insgesamt S 147.588,-- hätten die Streitteile ein (reines) Entgelt gemäß § 13 Abs 4 WGG von monatlich S 2.710,70 (= S 46,10/m2) wertgesichert vereinbart. Dieses Nutzungsentgelt (zuzüglich Betriebskosten) sei in der Folge auch zur Vorschreibung gelangt. Mit seinem am an die MA 16 gerichteten Antrag habe der Antragsteller die Überprüfung der vereinbarten monatlichen Nutzungsgebühr begehrt und dazu vorgebracht, dass das (reine) Nutzungsentgelt von S 2.710,70 nicht angemessen im Sinne des § 13 Abs 4 WGG sei, weil es vor allem an einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit fehle.
Zu 5 Ob 178/00p (MietSlg 52.626) habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass Finanzierungsbeiträge, die neben dem laufenden Entgelt eingehoben werden dürfen, bei der Berechnung des angemessenen Entgelts betragsmindernd zu berücksichtigen seien. Solche Finanzierungsbeiträge seien Mietzinsvorauszahlungen. Die Zulässigkeit eines Entgelts ergebe sich aus zwei variablen Größen, nämlich einerseits dem vereinbarten Finanzierungsbeitrag und andererseits dem monatlichen Entgelt. Eine Überprüfung bedürfe daher stets der Heranziehung beider Entgeltbestandsteile; ein Ergebnis könne isoliert weder aus dem einen noch dem anderen gewonnen werden. Nur beide Komponenten ließen die Überprüfung des zulässigen Entgelts iSd § 22 Abs 1 Z 6 WGG zu. Die Überprüfung bloß einer der beiden Komponenten sei, worauf auch immer die behauptete Unrichtigkeit der Ermittlung gestützt werde, im Verfahren nach § 22 Abs l Z 6 WGG nicht möglich und ein auf die Überprüfung bloß einer der beiden Komponenten gerichteter Antrag abzuweisen.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht sei der Sachantrag abzuweisen, da der Antragsteller lediglich die Überprüfung des monatlichen (reinen) Nutzungsentgeltes begehrt habe.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 22 Abs 4 WGG und § 37 Abs 3 Z 18 MRG zulässig sei. Die Entscheidung 5 Ob 178/00p sei nämlich, soweit überblickbar, die bisher einzige, die bei einem Antrag auf Überprüfung bloß einer der beiden Entgeltskomponenten die meritorische Abweisung des Antrages vorsieht, weshalb zu dieser Frage noch keine gesicherte oberstgerichtliche Judikatur vorliege. Zweifelsohne seien zur Überprüfung des zulässigen Entgelts beide Entgeltsbestandteile heranzuziehen; es wäre aber gerade im Hinblick darauf, dass ein aus zwei Komponenten bestehendes einheitliches Entgelt vorliegt, vertretbar, bei Überprüfung einer Komponente die andere einfach zu berücksichtigen.
Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluss hat der Antragsteller Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn aufzuheben und die erstgerichtliche Entscheidung wieder herzustellen; hilfsweise wurde beantragt, dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen.
Die Antragsgegnerin hat dazu eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Die vom Antragsteller vorgebrachten Argumente lassen sich so zusammenfassen, dass er dem Rekursgericht vorwirft, ihn angesichts der jahrelangen Konzentration des Verfahrens auf die Frage, wie der für die Bemessung des Nutzungsentgelts maßgebliche Zustand der Wohnung bei Abschluss des Nutzungsvertrages war, mit der angeblichen Unzulänglichkeit seines Überprüfungsbegehrens "überrascht" zu haben. Die Entscheidung 5 Ob 178/00p könne auch keine "Bindungswirkung" für das gegenständliche Verfahren haben. Subsumiert wurden diese Argumente unter die Anfechtungsgründe der Nichtigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung, doch liegt beim erstgenannten Rekursgrund offenbar ein Vergreifen im Ausdruck vor. Inhaltlich geltend gemacht wurde in diesem Punkt eindeutig ein Mangel des Rekursverfahrens (die Verletzung der Anleitungspflicht: vgl RIS-Justiz RS0037300 und RS0108816; siehe jetzt § 182a ZPO idF ZVN 2002 mit JAB 1049 BlgNR 21. GP). Daneben wurde die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes (und des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 5 Ob 178/00p) in Frage gestellt, ein nur das laufende Nutzungsentgelt relevierender Überprüfungsantrag sei abzuweisen, wenn auch ein Finanzierungsbeitrag geleistet wurde.
Dazu wurde erwogen:
Zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass sich die Überprüfung des Entgelts, das ein Mieter für die Nutzung einer dem WGG unterliegenden Wohnung vereinbarungsgemäß zu zahlen hat, immer auf alle Entgeltbestandteile erstrecken muss, weil sich nur so die Angemessenheit (Zulässigkeit) des Entgelts in Relation zur Leistung des Vermieters (der GBV) feststellen lässt. Es sind daher auch Einmalzahlungen des Mieters zu veranschlagen. Das gilt insbesondere für "Finanzierungsbeiträge", bei denen es sich ja im Grunde um Mietzinsbestandteile (Mietzinsvorauszahlungen) handelt (5 Ob 44/92 = MietSlg 44/22; 3 Ob 511/93 = MietSlg 45/5; 5 Ob 128/98d = WoBl 1999/45; 5 Ob 178/00p = WoBl 2001/109 mit Anm von Call; jüngst 5 Ob 60/04s). Daraus immer - auch im konkreten Fall - den Schluss zu ziehen, ein den Finanzierungsbeitrag nicht erwähnendes Überprüfungsbegehren eines WGG-Mieters sei von vornherein abzuweisen, ist jedoch nicht zulässig. Eine solche Generalisierung des der Entscheidung 5 Ob 178/00p entnommenen Leitsatzes (der das Ergebnis der Beurteilung eines anders gelagerte Sachverhalts war: es ging um die Deutung eines Sachantrags, die Unzulässigkeit der Vereinbarung eines Finanzierungsbeitrags festzustellen und der GBV dessen Rückzahlung aufzutragen) würde der rechtlichen Zusammengehörigkeit aller Entgeltbestandteile nicht gerecht und überdies den Grundsatz vernachlässigen, dass an die Formulierung und Bestimmtheit eines Begehrens im außerstreitigen Wohnrechtsverfahren keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (5 Ob 100/94 = WoBl 1996/18; 5 Ob 2119/96w = MietSlg 48.400; 5 Ob 2319/96g = EvBl 1997/96; 5 Ob 193/99i = WoBl 2001/112; 5 Ob 15/01v = WoBl 2002/31 ua). Das gebieten die gemäß § 22 Abs 4 WGG anzuwendenden Vorschriften des § 2 Abs 2 Z 5 und Z 6 AußStrG.
Im konkreten Fall hat der Antragsteller die Überprüfung des "laufenden" Nutzungsentgelts begehrt, das er im Hinblick auf den Zustand der Wohnung als überhöht (unangemessen bzw unzulässig) erachtet. Damit kann nach der Sachlage nur gemeint sein, dass er geklärt haben will, wie hoch das gemäß § 13 Abs 4 WGG zu zahlende Entgelt ist. Da der von ihm vorweg geleistete Finanzierungsbeitrag wie eine Mietzinsvorauszahlung wirkt, würde sich die angestrebte Herabsetzung des Mietzinses nur auf das laufend zu zahlende Nutzungsentgelt auswirken. Die Nichterwähnung des Finanzierungsbeitrags im Sachantrag trägt offenbar diesem Umstand Rechnung und darf daher nicht so gedeutet werden, als strebe der Antragsteller die rechtlich nicht mögliche Angemessenheitsprüfung nur eines von mehreren Entgeltbestandteilen an. Der im Verfahren hervorgekommene Umstand, dass der Antragsteller einen Finanzierungsbeitrag von insgesamt S 147.588,-- geleistet hat, hätte vielmehr dazu führen müssen, diese Vorauszahlung (nach Maßgabe des § 17 Abs 4 WGG) in die Ermittlung des laufend geschuldeten Nutzungsentgelts einzubeziehen.
Zu Unrecht hat daher das Rekursgericht ein Eingehen in die Sache abgelehnt.
Die unerörtert geblieben Frage, wie sich Finanzierungsbeiträge auf das von einem WGG-Mieter geschuldete laufende Entgelt auswirken, würde im Normalfall einer Ergänzung des Verfahrens durch die erste Instanz erfordern. Im gegenständlichen Fall ist jedoch zu bedenken, dass der Antragsteller den Sachbeschluss der ersten Instanz unangefochten gelassen hat und die Berücksichtigung der Finanzierungsbeiträge bei der Ermittlung des zulässigen laufenden Nutzungsentgelts auf Basis des festgestellten Sachverhalts nur dazu führen könnte, das laufende Nutzungsentgelt noch niedriger anzusetzen. Dem stünde die Teilrechtskraft des erstgerichtlichen Sachbeschlusses entgegen. Erörterungsbedürftig ist daher nur mehr, ob die Feststellungen und Erwägungen, die das Erstgericht dazu veranlasst haben, das zulässige laufende Nutzungsentgelt ohne Berücksichtigung der im Finanzierungsbeitrag steckenden Mietzinsvorauszahlung mit S 2.452,28 (EUR 178,21) monatlich festzustellen, ob also der Zustand der Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses selbst bei Außerachtlassung des Finanzierungsbeitrags einen Abschlag vom laufenden Nutzungsentgelt rechtfertigt.
Dazu fehlt die Überprüfung angefochtener Feststellungen, weshalb der Beschluss des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegnerin aufzutragen war.
Die Kostentscheidung stützt sich auf § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG.