OGH vom 18.07.2018, 5Ob94/18m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. L***** S 2. S*****, beide vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** S*****, vertreten durch Dr. Kurt Berger, Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 31.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 175/17s-49, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Beklagte ist ein im ganzen Bundesgebiet tätiger Sportverband mit Sitz in Wien. Diesem gehören Landesverbände als Zweigvereine an.
Der Erstkläger wurde als Zweigverein eines Bundeslands mit Beschluss des geschäftsführenden Vorstands vom aus dem Beklagten ausgeschlossen. Dieser Beschluss wurde vom Erstkläger bekämpft. Mit Urteil vom , 7 Ob 31/14f, hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, wonach dieser Ausschluss gegenüber dem Erstkläger unwirksam ist und der Erstkläger weiterhin mit allen Rechten und Pflichten der einzige Zweigverein des Beklagten in diesem Bundesland ist. Der Zweitkläger ist ordentliches Mitglied des Beklagten und des Erstklägers.
Im Rahmen des Verbandstags des Beklagten am wurden dessen Statuten insofern geändert, als die Landesverbände als Zweigvereine des Beklagten explizit aufgezählt und dabei an Stelle des Erstklägers als Landesverband ein anderer Verein bestimmt wurde.
Die Kläger begehrten die Feststellung der Unwirksamkeit, in eventu der Nichtigkeit dieses Beschlusses sowie des Status des Erstklägers als einziger Zweigverein des Beklagten im konkreten Bundesland. Hilfsweise begehrten sie die Aufhebung oder Unwirksamerklärung dieser Statutenänderung.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen.
1. Der Oberste Gerichtshof hat die von den Klägern behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.1. Nach § 7 VerG sind Beschlüsse von Vereinsorganen nichtig, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten. Andere gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse bleiben gültig, sofern sie nicht binnen eines Jahres ab Beschlussfassung gerichtlich angefochten werden. Jedes von einem Vereinsbeschluss betroffene Vereinsmitglied ist zur Anfechtung berechtigt.
2.2. Entscheidungen und Verfügungen des Vereins unterliegen daher der Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte darauf hin, ob sie in formeller und materieller Hinsicht den Statuten und den allgemeinen Vorschriften zwingenden Rechts entsprechen (7 Ob 51/17a; RIS-Justiz RS0045138; RS0045147; RS0045572; RS0038953 [T11]). Auch der Satzung entsprechende Vereinsbeschlüsse unterliegen jedenfalls insoweit der gerichtlichen Überprüfung, als grundlegende Verfahrensregeln missachtet wurden oder der Beschlussinhalt gesetzwidrig oder sittenwidrig ist (RIS-Justiz RS0121269).
2.3. Diese Überprüfung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0045147 [T7]).
3.1. Eine solche aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.
3.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der (zwischen dem Erstkläger und dem Beklagten) ergangenen Entscheidung 7 Ob 31/14f klargestellt, dass ein „Ausschluss“ eines Zweigvereins aus der Vereinsstruktur des Hauptvereins ebenso wie die Schaffung eines anderen Zweigvereins (nur) durch Statutenänderung erfolgen kann. Demnach ist es dem Hauptverein möglich, sich im Wege einer Statutenänderung aus dem Verhältnis Hauptverein/Zweigverein „herauszulösen“ (vgl Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine5 [2016] 4f).
3.3. Nach Auffassung derRevisionswerber sei dies zwar generell, aber nicht in jedem Fall richtig. Der Freiraum, den die Vereinsgesetzgebung einräume, sei durch die Besonderheit des Sportwesens in Verbindung mit den verfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen und wesentlichen rechtlichen Grundprinzipien eingeschränkt. Im vorliegenden Fall sei daher eine solche Statutenänderung (ohne Vorliegen entsprechender Gründe) zufolge des föderalistischen Prinzips der Bundesverfassung, den demokratischen Prinzipien und der Monopolstruktur des Sportwesens unzulässig.
Mit dieser Argumentation übersehen die Kläger, dass allein der Austausch des Landesverbands durch das Herauslösen der Erstklägerin als Zweigverein und deren Ersatz durch einen anderen nicht die (behaupteten) Konsequenzen für den von den Streitteilen betreuten Sport nach sich zieht. Die von den Klägern ins Treffen geführte Beschränkung der Möglichkeit zur Ausübung dieses Sports und Teilnahme an Wettkämpfen käme vielmehr erst bei einem Ausschluss aus dem oder der Ablehnung der Aufnahme in den neuen Zweigverein zum Tragen. Die Mitgliedschaft und Inanspruchnahme von Leistungen beim Beklagten und seinen Landesverbänden sind aber nicht Gegenstand der Statutenänderung und damit auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Kläger behaupten gar nicht, dass der Beklagte und/oder der neue Landesverband bestehenden Mitgliedern des Erstklägers einen entsprechenden „Wechsel“, also den Beitritt, die Ausübung von damit verbundenen Rechten und/oder die Inanspruchnahme von Leistungen unsachlich verweigerten.
Die Statutenänderung betrifft (nur) die Frage, welcher konkrete Verein die Rechte und Pflichten als Landesverband des Beklagten wahrnimmt. Die Rechtsbeziehungen zwischen einem Hauptverein und seinen Zweigverein sind privatrechtlicher Natur. In deren Ausgestaltung ist der Verein innerhalb der zwingenden Grenzen öffentlichen und privaten Rechts weitgehend autonom (RIS-Justiz RS0045147 [T4]; vgl 6 Ob 213/17t = RIS-Justiz RS0131917). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass der bloße Umstand, dass durch den Austausch eines Zweigvereins der in der Folge nicht mehr eingebundene ehemalige Zweigverein seiner vorbestehenden Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten im Hauptverein verlustig geht, in der Natur der Sache liegt und die Statutenänderung ebensowenig rechtswidrig oder vernichtbar macht, wie der Umstand, dass bisherige Mitglieder des Erstklägers dem neuen Landesverband allenfalls erst beitreten müssen, um weiterhin in der Struktur des Gesamtverbands verbleiben zu können. Beides ist eine Reflexwirkung der dem Hauptverein offenstehenden autonomen Gestaltung seiner Vereinsstruktur und des Verhältnisses zu seinen Zweigvereinen. Allein mit dem Austausch eines Zweigvereins unter Beibehaltung der Organisationstruktur gerät der Beklagte mit grundrechtlichen Prinzipien nicht in Konflikt.
4.1. Auf die zahlreichen weiteren, in erster Instanz noch ins Treffen geführten Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe kommen die Kläger in ihrer Revision
– mit Ausnahme der behaupteten unzulässigen Stimmrechtsweitergabe – nicht mehr zurück (vgl RIS-Justiz RS0043338).
4.2. Gemäß § 21 Abs 2 der Statuten des Beklagten können Mitgliedsvereine ihr Stimmrecht zum Verbandstag „mittels schriftlicher Vollmacht“ einem anderen Mitgliedsverein übertragen. Die Vorinstanzen haben die festgestellten, schriftlich dokumentierten Erklärungen der nach ihrer Wahl nicht mehr stimmberechtigten Vorstandsmitglieder als eine solche wirksame Stimmrechtsübertragung qualifiziert. Diese Beurteilung ist das Ergebnis der Auslegung einerseits der Willenserklärungen bzw der Urteilsfeststellungen dazu und andererseits des Schriftlichkeitsgebots des § 21 Abs 2 der Statuten des Beklagten bzw auch des § 1 der Geschäftsordnung des Verbandstags des Beklagten. Solchen Fragen der Auslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu und sind daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (vgl in Bezug auf Willenserklärungen RIS-Justiz RS0042555; RS0042936; RS0044358; auf Urteilsfeststellungen RIS-Justiz RS0118891 und auf Vereinsstatuten RIS-Justiz RS0008813 [T16]).
4.3. Ausgehend von den Grundsätzen für die Auslegung einer Willenserklärung (RIS-Justiz RS0017915; RS0014205; RS0113932; RS0014160; RS0053866) ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Bevollmächtigung sich hier nicht auf die in der Erklärung genannten Vereinsvertreter persönlich, sondern auf die von diesen vertretenen Mitgliedsvereine bezog, nicht zu beanstanden. Diese Bevollmächtigung wurde nach den vorliegenden Feststellungen auch „schriftlich festgehalten“. Ausgehend von den Grundsätzen für die Auslegung von Bestimmungen in Vereinsstatuten bzw Durchführungsbestimmungen (RISJustiz RS0008813; RS0008816; RS0008834) ist zumindest vertretbar, dass das Berufungsgericht die schriftlich festgehaltenen Bevollmächtigungen (erkennbar auch) als mit dem Schriftlichkeitsgebot des § 21 Abs 2 der Statuten des Beklagten iVm § 1 der Geschäftsordnung des Verbandstags des Beklagten in Einklang stehend beurteilt hat.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00094.18M.0718.000 |
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