TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 23.05.2017, 5Ob91/17v

OGH vom 23.05.2017, 5Ob91/17v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Mag. Dr. J*****, gegen die Antragsgegnerin L***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, und die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG *****, wegen § 21 Abs 3 iVm § 52 Abs 1 Z 8 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 184/16d-40, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Individualrecht auf Auflösung des Verwaltungsvertrags kann nur dann erfolgreich ausgeübt werden, wenn nach dem Verhalten des Verwalters begründete Bedenken gegen seine Treue und Interessenwahrungspflicht bestehen. Es muss sich dabei um Gründe handeln, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung so gewichtig sind, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer nicht mehr gesichert ist (RISJustiz RS0083249). Es bedarf einer gravierenden, die Vertrauensbasis zerstörenden Pflichtverletzung (RISJustiz RS0083249 [T4]). Unter diesen Voraussetzungen können auch mehrere einzelne Pflichtverletzungen des Verwalters, die für sich allein betrachtet noch keine grobe Vernachlässigung seiner Pflichten darstellen, bei einer Gesamtschau die Abberufung rechtfertigen (RISJustiz RS0111894).

2. Ob ausreichende Gründe vorliegen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit und Wohnungseigentümers aufzulösen, lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (RISJustiz RS0111893). Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten des Verwalters als grobe Vernachlässigung zu einer Pflicht zu werten ist, eröffnet dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum. Solange die Vorinstanzen ihre Entscheidung innerhalb dieses Spielraums treffen, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RISJustiz RS0042763). Das ist hier der Fall.

3. Die Wohnanlage, an der 1964 Wohnungseigentum begründet wurde, besteht aus fünf Stiegen, alle mit Aufzug. Die Miteigentümer beauftragten informell mehrere Kontaktpersonen, mit der Hausverwalterin Kontakt zu halten und sich um die Angelegenheiten der Liegenschaft zu kümmern. Diese Kontaktpersonen haben engen Kontakt zur Hausverwalterin, alle paar Wochen gibt es Treffen und Besprechungen. Aufgrund des Alters der Anlage gibt es immer wieder Sanierungsbedarf, auf den die Kontaktpersonen hinweisen und die notwendigen Maßnahmen der Hausverwaltung erörtern. Diese Kontaktpersonen waren auch in die Liftsanierung in den Jahren 2007 bis 2011 (Projektzeitraum) eingebunden.

4. Die Hausverwalterin beauftragte – ohne Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft – nur Maßnahmen, die in einem TÜV-Bericht beanstandet worden waren. Aufgrund einer Änderung des Wiener Aufzugsgesetzes mussten im Lift Innentüren angebracht werden.

5. Nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG gehört die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG, einschließlich baulicher Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, zur ordentlichen Verwaltung. Zu Inhalt und Bedeutung des aufgrund des Verweises auf § 3 MRG am ortsüblichen Standard zu orientierenden Erhaltungsbegriffs (sogenannter dynamischer oder elastischer Erhaltungsbegriff) liegt umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor (RISJustiz RS0114109; RS0083171 ua). Danach gilt, dass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist eine Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung (RISJustiz RS0114109 [T5]; 5 Ob 5/17x mwN).

6. Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung kann der Verwalter auch ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen selbständig setzen (RISJustiz RS0083550 [T7]). Mit seiner Argumentation zur Einordnung der Liftsanierung als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung geht der Antragsteller nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Vorgangsweise der Antragsgegnerin, die Liftsanierung ohne vorangegangene Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft durchzuführen, lässt keine Pflichtverletzung erkennen.

7. Im Zuge der Liftsanierung verrechnete die Antragsgegnerin zusätzlich zum Verwaltungshonorar einmalig ein Baubetreuungshonorar als Abgeltung für den gesamten Projektzeitraum, beginnend mit dem TÜVBericht im Jahr 2007 bis zur Fertigstellung im Jahr 2011. Die Auszahlung dieses Honorars wurde in einer Eigentümerversammlung weder besprochen noch beschlossen, jedoch vorher mit den Kontaktpersonen erörtert. Diese waren mit der Verrechnung und Höhe des Honorars (5 % der Auftragssumme) aufgrund des langen Zeitraums des Projekts und der zahlreichen notwendigen Termine mit dem TÜV und des Ansuchens um Fördermittel bei der Gemeinde einverstanden.

8. Die Vorinstanzen folgten dem Argument des Antragstellers nicht, dass diese weder auf Vertrag noch auf Gesetz (ERVO 1994) zu gründende Verrechnung eines Sonderhonorars eine gravierende Pflichtverletzung darstelle. Das ist angesichts des Aufwands der Hausverwalterin und der Zustimmung der Kontaktpersonen (keine Eigentümervertreter iSd § 22 Abs 1 Satz 1 WEG) als vertretbar anzusehen, konnte die Verwalterin doch damit rechnen, dass ihre Ansprechpartner die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer wahrnehmen würden. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 1052/91 = wobl 1992/84, 114, stützt den Standpunkt des Antragstellers nicht. Dort hat der Oberste Gerichtshof die Beanspruchung eines Sonderhonorars gerade nicht für sich alleine, sondern nur in Verbindung mit anderen wiederholten Pflichtverletzungen des Hausverwalters als ausreichend für dessen Abberufung erachtet. Zusätzliche Pflichtverletzungen sind der Hausverwalterin hier allerdings nicht vorzuwerfen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00091.17V.0523.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,8 außerstreitige Wohnrechtssachen

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.