OGH vom 24.02.2015, 5Ob8/15k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. T*****gesellschaft mbH, *****, 2. P*****, 3. F*****, 4. Mag. M*****, und 5. K*****, alle vertreten durch Mag. Barbara Bauer, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F*****, 2. F*****, 3. M*****, 4. G*****, alle vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Kitzbühel, 5. M*****, vertreten durch Mag. Thomas Reissmann, Rechtsanwalt in Korneuburg, und 6. Dr. A*****, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 170.400 EUR), über die außerordentliche Revision der Sechstbeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 16 R 89/14x 33, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****. In dem auf der Liegenschaft errichteten einstöckigen Zinshaus befinden sich im Erdgeschoß vier Geschäftslokale und im ersten Stock drei Wohnungen.
Die Kläger begehren die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft. Das Erstgericht verneinte das Vorliegen der von einzelnen Beklagten behaupteten Teilungshindernisse und gab der Teilungsklage statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erst , des Zweit , der Dritt , des Viert und der Sechstbeklagten nicht Folge. Das Erstgericht habe, ausgehend von den unstrittigen Tatsachen, seiner Feststellung zu den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten und dem Vorbringen, die Einwände der Beklagten gegen den Teilungsanspruch zutreffend verneint.
Die Revision der Sechstbeklagten ist nicht zulässig, weil sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne
des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Auffassung, dass als Teilungshindernisse nur vorübergehende Umstände in Betracht kommen, die in Bälde wegfallen oder beseitigt werden können, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS Justiz RS0013287 [T13, T 18]; RS0013321) und der herrschenden Lehre ( Sailer in KBB 4 § 830 Rz 6; Gamerith in Rummel 3 § 830 Rz 6; Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 830 Rz 60 f). Teilungshindernisse führen dazu, dass sich der
Teilungswillige zwar einen angemessenen unvermeidlichen Aufschub gefallen lassen muss, gehen aber nicht so weit, dass er auf den Aufhebungsanspruch für unabsehbare Zeit verzichten müsste (5 Ob 82/14s; 5 Ob 197/13a). Daher bilden allein vorübergehende Ausnahmezustände, die in absehbarer Zeit aufhören oder beseitigt werden können, einen Hinderungsgrund (RIS Justiz RS0013287 [T19]; RS0013321 [T2]).
Von dem Erfordernis der Absehbarkeit des Aufschubsgrundes hat der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit zwar in Einzelfällen abgesehen (vgl Gamerith aaO § 830 Rz 6 mwN; H. Böhm in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 830 Rz 31 mwN; Gruber/Sprohar-Heimlich aaO § 830 Rz 70), diese Entscheidungen standen aber im Zusammenhang mit krisenzeitlich bedingten, wirtschaftlichen Ausnahmezuständen; sie konnten (und können) aufgrund dieser besonderen Umstände nicht verallgemeinert und nicht auf andere Teilungshindernisse übertragen werden. Seit der Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Unzeit aufgrund außergewöhnlicher wirtschaftlicher Verhältnisse daher stets verneint (vgl RIS Justiz RS0013280; Sailer aaO § 830 Rz 6; Gruber/Sprohar-Heimlich aaO § 830 Rz 68 f). Abgesehen davon kann aus
einzelnen Entscheidungen, denen neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegensteht, keine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung iSd § 502 Abs 1 ZPO abgeleitet werden (RIS Justiz RS0042668). Auch der Umstand, dass die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von einem Vertreter der Lehre (hier der von der Revisionswerberin zitierte H. Böhm in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 830 Rz 31) kritisiert wird, bildet für sich allein keinen Grund für die Zulässigkeit einer Revision (RIS Justiz RS0042985 [T1]).
2. Die Behauptungs und Beweislast für das Vorliegen von Teilungshindernissen trifft den Beklagten, der sich auf das Vorliegen eines Teilungshindernisses beruft. Er muss konkrete Umstände dartun, die ein Teilungshindernis begründen können. Nur im Rahmen der konkreten Tatsachenbehauptungen ist zu prüfen, ob der Teilung ein Hindernis entgegensteht (RIS Justiz RS0013247;
RS0013279; Sailer aaO § 830 Rz 6; Gamerith aaO § 830 Rz 19; H. Böhm aaO § 830 Rz 32; Gruber/Sprohar-Heimlich aaO § 830 Rz 33).
Der Teilungsgegner hat insbesondere auch alle Umstände zu behaupten, die zur Beurteilung erforderlich sind, ob das behauptete Hindernis in Bälde wegfallen wird (RIS Justiz RS0013247 [T2]). Der Beklagte muss also auch beweisen, dass das Teilungshindernis bloß vorübergehend ist ( Gamerith aaO § 830 Rz 19; H. Böhm aaO § 830 Rz 32).
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass vor dem Hintergrund des festgestellten und unstrittigen Sachverhalts dem Vorbringen der Beklagten in Bezug auf die im Berufungsverfahren noch relevanten Teilungshindernisse (außergewöhnliche wirtschaftliche Gegebenheiten, ungeklärte Mietverhältnisse, Sanierungsbedürftigkeit und Nachteile aufgrund einer Steuerbelastung) keine das Erfordernis der Absehbarkeit ausreichend konkretisierenden Behauptungen entnommen werden können. Die Auslegung des Prozessvorbringens einer Partei begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO. Ob eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ob das bisher erstattete Vorbringen ausreichend spezifiziert ist und/oder wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls (RIS Justiz RS0042828; RS0116144 [T2]). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung zeigt die Revisionswerberin nicht auf.
3. Nach ständiger Rechtsprechung konkretisieren die Teilungshindernisse der Unzeit und des Nachteils der Übrigen die innerhalb des Schuldverhältnisses nach Treu und Glauben geschuldete Rücksichtnahme (
RIS Justiz RS0013246; RS0013283; RS0013263; Sailer aaO § 830 Rz 6 mwN). Nur ganz ausnahmsweise hat die Rechtsprechung auch unmittelbar auf diesen Grundsatz zurückgegriffen (vgl Gamerith aaO § 830 Rz 3; Gruber/Sprohar-Heimlich aaO § 830 Rz 56). Ob ein bestimmtes Verhalten gegen Treu und Glauben verstößt, ist jedoch wiederum eine Frage, die sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen lässt (RIS Justiz RS0118180 [T1]). Die Vorinstanzen haben in dem behaupteten Umstand, dass die Erstklägerin sich in dem Wissen „eingekauft“ habe, dass das Haus als Erbe in der Familie erhalten bleiben sollte, keinen die Teilung hindernden Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen. Auch dies stellt jedenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
4. Die außerordentliche Revision war daher
mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage
iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00008.15K.0224.000
Fundstelle(n):
XAAAD-71231