OGH vom 25.02.1992, 4Ob4/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert BOSCH AG, ***** vertreten durch Dr. Julius Jeannee und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Silvia K*****, vertreten durch Dr. Peter Schnabl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 330.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 126/91-31, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 38 Cg 361/88-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 46.302,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 6.050,50 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt in Wien 6., ***** unter der Bezeichnung "R***** S*****" (als nicht protokollierter Einzelkaufmann) ein Detailhandelsgeschäft für Elektrowaren mit einem Jahresumsatz von 30 bis 40 Millionen S. Die Klägerin ist Generalimporteur der deutschen BOSCH AG; sie vertreibt ua Elektrogeräte unter der Bezeichnung "Blaupunkt", vor allem die bekannten "Blaupunkt"-Autoradios.
Die Klägerin behauptet, daß die Beklagte in einer Auslage ihres Geschäfts im Jahr 1988 ein Autoradio Marke "Blaupunkt", Type "Bremen SQR 46" verpackt um S 7.590 - und damit erheblich unter dem allgemeinen Preisniveau für Letztverbraucher - angeboten und damit den irreführenden Eindruck erweckt habe, daß die Preisbemessung ihres ganzen Angebotes so günstig sei; für die Preisauszeichnung habe sie ein großes aufgeklebtes Preisschild verwendet, ohne darauf hinzuweisen, daß es sich um ein besonders billiges Einzelstück handle. Mit diesem Angebot habe die Beklagte auch irreführende Angaben über die Menge der vorhandenen Vorräte gemacht, weil das ausgestellte Autoradio - mit Ausnahme des Exemplars im Schaufenster - überhaupt nicht vorrätig gewesen sei. Am habe ein Testkäufer versucht, dieses Autoradio zu kaufen; der Verkäufer der Beklagten habe jedoch erklärt, daß er über ein solches Gerät nicht verfüge. Am hätten dann zwei weitere von der Klägerin ausgesendete Testkäufer versucht, das Gerät zu erwerben; der Verkäufer der Beklagten habe dies jedoch zunächst wieder abgelehnt. Erst nach einer lautstarken Auseinandersetzung, bei welcher einer der Testkäufer auf dem Erwerb bestanden habe, sei ihnen das Gerät verkauft worden.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, im Detailverkauf Elektrogeräte anzubieten "bzw" auszustellen, wenn diese tatsächlich nicht verkauft werden, "bzw" nicht oder nicht in handelsüblichem Umfang vorrätig sind, ohne daß sie in zweifelsfreier und deutlicher Weise für den Kunden als Einzelstücke kenntlich gemacht sind; außerdem verlangt die Klägerin die Ermächtigung zur Veröffentlichung des über die Klage ergehenden Urteils in der "Neuen Kronen-Zeitung" und im "Kurier".
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Als Fachgeschäft habe sie - anders als Diskontgeschäfte - ein breit gefächertes Angebot an Elektrogeräten - und zwar allein bei teuren Autoradios ca 30 bis 40 Typen - ständig auf Lager. Wegen dieser teuren Lagerhaltung betrage der Bestand pro Type nur ein bis drei Geräte, was erfahrungsgemäß ausreiche, da im Durchschnitt dieselbe Type nur alle drei bis vier Monate verlangt werde. Nach dem Verkauf werde der Lagerbestand sogleich ergänzt.
Das Autoradio "Blaupunkt Bremen SQR 46" sei mit einem Preisschild im Ausmaß von 4 x 7 cm versehen gewesen. Diese Preisangabe sei nicht größer als bei den anderen Geräten gewesen und (auch sonst) nicht hervorgehoben worden. Für dieses Gerät sei auch nicht besonders geworben worden. Der Eindruck einer besonders günstigen Preisbemessung eines Markenartikels sei somit nicht erweckt worden. Die Beklagte kalkuliere freilich allgemein sehr günstig, weshalb sie auch von der Klägerin nicht beliefert werde.
Das angebotene Gerät sei tatsächlich vorhanden gewesen (nicht etwa nur eine leere Schachtel) und auch einem der Testkäufer vom verkauft worden, nachdem sich dieser für sein ungebührliches und lautstarkes Benehmen im Geschäft entschuldigt hatte. Das Öffnen originalverpackter Ware werde den Kaufinteressenten bei Markenartikeln mit hohen Preisen üblicherweise nicht gestattet.
In das Geschäft der Beklagten kämen ca zwei Testkäufer wöchentlich, welche durch ihr Benehmen in Kürze als solche erkannt würden. Am habe ein Kunde sämtliche "Blaupunkt"-Radios der Beklagten um S 38.000 en bloc erworben. Aus den Umständen dieses Verkaufes und der späteren Reklamation eines der gekauften Geräte habe sich ergeben, daß die Klägerin einen Testkauf zu dem Zweck durchgeführt habe, um auf diese Weise festzustellen, bei welchen Zwischenhändlern sich die Beklagte mit "Blaupunkt"-Geräten eindeckt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Anfang März 1988 hatte die Beklagte in der Auslage ihres Geschäftes ein Autoradio Marke "Blaupunkt Bremen SQR 46", welches zur Spitzenklasse dieser Geräte zählt, ausgestellt und um S 7.590 zum Verkauf angeboten. Das Gerät wurde - ebenso wie ein weiteres Blaupunkt-Gerät "Bonn SQM 26" mit einem Preis von S 5.190 - in bezug auf die Preisauszeichnung und die Präsidentation ebenso dargeboten wie alle anderen Geräte in derselben Auslage; es wurde weder in "besonders prominenter" noch "in versteckter" Weise plaziert. Das allgemeine Preisniveau der Beklagten liegt auf Grund ihrer günstigen Kalkulations- und Einkaufspolitik unter dem Marktdurchschnitt. Die Beklagte bezieht ihre Geräte in der Regel über Zwischenhändler; von der klagenden Bosch AG wird sie mit Autoradios nicht direkt beliefert.
Bei teureren Geräten, zu welchen auch die "Blaupunkt"-Radios gehören, beschränkt die Beklagte ihre Lagerhaltung aus Kostengründen auf etwa ein bis drei Stück pro Type; im Fall des Verkaufes eines Gerätes liefert der Zwischenhändler nach. Eine solche Vorgangsweise ist bei Klein- und Mittelbetrieben dieses Geschäftszweiges durchaus handelsüblich.
Am 4. und ließ die Klägerin Testkäufe im Geschäft der Beklagten vornehmen, bei denen die Testkäufer gezielt ein Radio der Type "Blaupunkt Bremen SQR 46" verlangten. Der erste Testkäufer bestand nicht darauf, das Gerät aus der Auslage zu erhalten; beim zweiten Testkauf kam es zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen einem der Testkäufer und dem Verkaufspersonal der Beklagten. Das verlangte Autoradio wurde dem Testkäufer schließlich verkauft. Das allgemeine "Preisniveau" des Autoradios "Blaupunkt Bremen SQR 46" liegt zwischen 8.490 und
8.750 S, jenes des Autoradios "Blaupunkt Typ Bonn SQM 26" zwischen 5.490 und 5.660 S. Das "allgemeine Preisniveau" hat eine Bandbreite von etwa 10 %.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Klägerin wegen der Möglichkeit einer mittelbaren Beeinträchtigung ihres Absatzes zur Klage legitimiert sei, obwohl die Streitteile auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig seien. Eine Ware, für die geworben werde, müsse auch tatsächlich vorhanden sein, da der Kaufinteressent sonst zum Kauf anderer vorrätiger Waren verleitet werden könnte. Wo es branchenüblich ist, müsse die angekündigte Ware im Geschäft selbst greifbar sein. Das sei hier ohnehin der Fall gewesen; die Ware sei bei beiden Testkäufen im Geschäft tatsächlich vorhanden gewesen und dem zweiten Testkäufer verkauft worden. Eine Lagerhaltung von ein bis "zwei" Exemplaren pro Type sei bei teureren Stücken durchaus branchenüblich, eine Kennzeichnung des ausgestellten Radios als "Einzelstück" daher nicht erforderlich gewesen.
Warum und mit welcher Begründung der Verkäufer der Beklagten vorerst zu einem Verkauf nicht bereit gewesen war, könne auf sich beruhen. Den Gründen für das anfängliche Zögern des Verkaufspersonals der Beklagten (Vermeiden des aufwendigen Öffnens der Auslage; Erkennen der Testkäufer; ungebührliches Benehmen der Testkäufer) brauche nicht nachgegangen zu werden.
Ein Lockvogelangebot liege dann vor, wenn für eine Ware mit einem besonders günstigen Preis geworden wird und daraus entweder irreführende Schlüsse auf die Preisgestaltung des Gesamtsortiments gezogen werden können oder die Ware nicht oder nur in unzureichender Menge zur Verfügung steht. Beide Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Bei der Preisfestsetzung für das Autoradio "Blaupunkt Bremen SQR 46" sei kein irreführender Eindruck über die Preisbemessung des ganzen Angebotes der Beklagten erweckt worden. Da der Preis dieses Gerätes nur geringfügig unter der Bandbreite des allgemeinen Preisniveaus gelegen sei, könne von einem besonders preisgünstigen Angebot im Sinne der Rechtsprechung zur Lockvogelwerbung keine Rede sein, zumal die Beklagte insgesamt ihr Warensortiment zu Preisen unter dem durchschnittlichen Marktniveau anbiete.
Die Berufung der Klägerin hatte teilweisen Erfolg: Die zweite Instanz gab dem Unterlassungsbegehren statt und ermächtigte die Klägerin zur Urteilsveröffentlichung in der "Neuen Kronen-Zeitung"; das Veröffentlichungsmehrbegehren blieb abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es war der Ansicht, daß das Verhalten der Beklagten als unzulässige wettbewerbswidrige Lockvogelwerbung zu qualifizieren sei. Sie habe hochwertige Markenware in die Auslage gestellt. Das Einsetzen solcher Waren als Lockvogelangebote sei typisch. Die Beklagte sei aber nicht bereit gewesen, einem interessierten Käufer dieses Gerät zu verkaufen. Auch beim Kaufangebot des zweiten Testkäufers, welcher sich ganz unüblich verhalten habe, sei die Beklagte zunächst nicht verkaufswillig gewesen; ein normaler Kaufinteressent hätte in dieser Situation üblicherweise von seinem Wunsch, das Gerät zu erwerben, Abstand genommen. Schwierigkeiten beim Verkauf von Auslagenstücken entschuldigten das Verhalten der Beklagten nicht, weil sie dann eben neben dem Auslagenstück einen ausreichenden Vorrat zum Verkauf bereithalten müsse. Es sei wettbewerbswidrig, im Schaufenster Waren "womöglich mit Preisauszeichnungen" auszulegen und anzubieten, die nicht zum Verkauf vorhanden sind oder deren Verkauf der Inhaber ablehnt.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Begriff der "Lockvogelwerbung" (Werben mit Lockartikeln;
Lockangebote) ist im Wettbewerbsrecht wegen der vielfältigen Erscheinungsformen dieser Werbemethode nicht fest umrissen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 871 Rz 279 zu § 3 dUWG);
es handelt sich dabei im wesentlichen um Formen des Kundenfanges durch (Preis-)Täuschung.
Eine Variante dieser Werbeform liegt dann vor, wenn der Werbende einen einzelnen Artikel zu einem besonders günstigen Preis derart ankündigt, daß daraus irreführende Schlüsse auf allgemein günstige Preise des Gesamtsortiments dieses Geschäftes gezogen werden können, also eine Täuschung über das Preisniveau herbeigeführt wird (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 21;
derselbe, Rechtsfragen der Preiswerbung und der Wertreklame, in Aicher, Recht der Werbung 273; Gladt, Überlegungen zum Problem der Lockvogelangebote mit Markenartikeln, ÖBl 1985, 57 (58);
Baumbach-Hefermehl aaO 358, Rz 13 zu § 1 dUWG, 464 f, Rz 258 und 263 zu § 1 dUWG). Diese Fallgruppe (vgl zuletzt ÖBl 1972, 36 = SZ 44/176 - Niedrigpreiswerbung mwN) war allerdings in der österreichischen Rechtspraxis der beiden letzten Jahrzehnte nur von geringer Bedeutung, weil solche Angebote anscheinend regelmäßig deutlich als "Sonderpreise" gekennzeichnet wurden (Koppensteiner in Aicher 273). In der deutschen Rechtsprechung hingegen spielt diese Frage insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsatz von Markenartikeln zur Lockvogelwerbung eine wesentliche Rolle (Baumbach-Hefermehl aaO 871 Rz 283 ff zu § 3 dUWG), wobei allerdings auch Fragen der Rufausbeutung hineinspielen (Baumbach-Hefermehl aaO 464 Rz 258, 703 Rz 875, 467 Rz 271, jeweils zu § 1 dUWG; siehe auch Gladt aaO 57 ff).
Die - praktisch wichtigste - Form der Lockvogelwerbung ist dadurch charakterisiert, daß die - als besonders günstig angepriesene - Ware nicht oder nur in unzureichender Menge zur Verfügung steht oder sich der Werbende (meist mit Ausflüchten) weigert, diese Ware zu verkaufen. Der Werbende will also mit dieser Werbemethode nicht so sehr den Absatz der als besonders günstig angepriesenen Ware fördern (also den durch seine Ankündigungen beim Publikum geweckten Bedarf auch tatsächlich voll befriedigen) als vielmehr (vor allem) die Kunden zum Betreten seines Geschäftslokals veranlassen und sie dort womöglich zum Kauf anderer Waren überreden, also über die Lockvogelware eine Steigerung des Umsatzes bei den nicht verbilligten Waren erreichen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 66; Baumbach-Hefermehl aaO 871 Rz 279 zu § 3 dUWG). Zu besonders günstigen Bedingungen angebotene Waren müssen daher - von zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhergesehenen Ereignissen im Einzelfall abgesehen - für eine gewisse Zeit in ausreichender Menge vorhanden und zu haben sein, so daß die üblicherweise zu erwartende Nachfrage auch tatsächlich gedeckt werden kann (Hohenecker-Friedl aaO 32; Baumbach-Hefermehl aaO 871 Rz 280 ff zu § 3 dUWG; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 52, 205;
derselbe in Aicher aaO; Jud, Wettbewerbsrechtliche Probleme aktueller Werbeformen, in Aicher, Das Recht der Werbung 307 f;
Rinner, Handelsrecht II, Gewerblicher Rechtsschutz2, 31; ÖBl 1979, 129 - Teppichland Linz; ÖBl 1980, 127 - Herrenschuhe; ÖBl 1983, 136 - Tiefstpreiswochen; 4 Ob 18/89). Der Interessent wird dadurch, wenn das Angebot besonders günstig ist und sich so vom übrigen Angebot abhebt, über das Vorhandensein einer besonders günstigen Kaufmöglichkeit getäuscht. Auch den "Lockangeboten" dieser Kategorie liegt damit eine Irreführung über die Preisbemessung zugrunde, wird doch mit dem besonders günstigen Preis einer Ware geworben, die nicht oder nur in unzureichender Menge zur Verfügung steht (ÖBl 1980, 127 - Herrenschuhe mwN);
damit verbunden ist aber hier eine Irreführung über die Vorräte im Sinne des § 2 UWG. Eine solche Irreführung über die Vorräte setzt nicht voraus, daß es sich um ein "Lockangebot" handelt;
auch Ware, für die (ohne besondere Hervorhebung) geworben wird, muß tatsächlich vorhanden sein (ÖBl 1980, 126 - Herrenschuhe). Ist die Ware (in ausreichender Menge) vorhanden, lehnt jedoch der Verkäufer einen Verkauf ab, so liegt kein Fall einer Irreführung über die Vorräte im Sinne des § 2 UWG vor.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht beigetreten werden:
Eine Täuschung über das Preisniveau lag nicht vor, weil die Beklagte das Autoradio "Blaupunkt Bremen SQR 46" nur um etwa 10 % unter dem unteren Rahmen des allgemeinen Listenpreises angeboten hat und die Preise ihres gesamten Warensortiments auch sonst unter dem durchschnittlichen Marktpreisniveau liegen. Da die Beklagte ein Fachhandelsgeschäft mit einem breiten Warensortiment führt und das in der Auslage ausgestellte Autoradio "Blaupunkt Bremen SQR 46" nicht anders als ihr übriges Angebot angepriesen hat, mußte sie auch nicht mit einer Nachfrage rechnen, die über den üblichen Verkaufszahlen (Verkauf eines Gerätes dieser Type durchschnittlich alle vier Monate) lag; es genügte daher, daß wenigstens ein Gerät vorrätig war. Ein Vorrat von ein bis drei Stück war bei einem Fachgeschäft dieser Art handelsüblich; ein größerer Vorrat war mit Rücksicht auf die regelmäßige Nachschaffung dieser Geräte beim Zwischenhandel und auf die Kosten der Lagerhaltung von der Beklagten nicht zu verlangen.
Die zweite Instanz ist aber der Ansicht, daß die Beklagte schon dadurch gegen §§ 1 und 2 UWG verstoßen habe, daß sie die Ware mit einer Preisauszeichnung im Schaufenster ausgelegt, aber den Verkauf abgelehnt hatte. Dieser auf Baumbach-Hefermehl (aaO 358 Rz 13 zu § 1 dUWG) gestützten Meinung kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden: Das Wettbewerbswidrige dieser Form der Lockvogelwerbung liegt darin, daß der Werbende die (hier im Schaufenster angepriesene) Ware nach Möglichkeit gar nicht verkaufen, sondern nur zum Anlocken von Kaufinteressenten verwenden will, welche dann tunlichst zum Kauf einer anderen Ware überredet werden sollen (ÖBl 1970, 25 - Waschautomaten). Sofern nach Art, dem Preis, sowie der Form der Ankündigung des angebotenen Artikels noch ein ins Gewicht fallender Anlockeffekt anzunehmen ist, wird freilich im Fall einer Weigerung des Werbenden, dem Kunden die betreffende Ware zu verkaufen, in Zweifel auf die Absicht des Geschäftsinhabers zu schließen sein, die Kaufinteressenten mit der ausgestellten Ware nur ins Geschäft zu locken, um ihnen dort etwas anderes zu verkaufen. Es wird dann - ähnlich wie bei der Beweislastumkehr in den Fällen der (objektiv) unzureichenden Lagerhaltung (ÖBl 1979, 129 - Teppichland Linz; vgl auch GRUR 1983, 650 - Kamera) - Sache des Beklagten sein, beachtliche Gründe darzutun, die ihn dazu veranlaßt haben, das Kaufanbot des Kunden abzuschlagen.
Fehlt es aber, wie hier, an jedem ins Gewicht fallenden Anlockeffekt - die Ware wurde nicht anders als die übrigen Auslagenstücke ausgestellt; der günstige Preis entsprach dem günstigen Gesamtpreisniveau der Beklagten; nach dem Charakter des Geschäftes der Beklagten ist auch nicht anzunehmen, daß sie nur vereinzelt hochwertige Markenware führt -, dann spricht die Weigerung des Geschäftsinhabers, einem Kunden eine in der Auslage ausgestellte Ware zu verkaufen, für sich allein noch nicht für ein wettbewerbswidriges "Lockvogelangebot".
Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, daß das Verhalten der Verkäufer der Beklagten überhaupt nicht geeignet war, Kunden zum Kauf anderer Waren zu überreden. Es steht zwar nicht fest, aus welchen Gründen sich die Verkäufer der Beklagten geweigert haben, die verlangte Ware zu verkaufen, und ob dies etwa deshalb geschehen ist, weil sie die betreffenden Kunden als Testkäufer erkannt hatten. War dies der Fall, dann wurde der mit dem Testkauf verfolgte Zweck nicht erreicht; aus der Weigerung der Verkäufer des auf die Probe gestellten Mitbewerbers können dann keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Hatten aber die Verkäufer die Kaufinteressenten nicht als Testkäufer erkannt, dann wäre es nahegelegen, daß sie diese mit Ausflüchten zum Kauf anderer Waren zu überreden versucht hätten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war dies aber nicht der Fall. Aus dem Umstand, daß die Beklagte das Autoradio mit einem Preisschild versehen hatte, kann ein wettbewerbswidriges Verhalten schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil sie dazu nach den einschlägigen Preisauszeichnungsvorschriften verpflichtet war. Der Rechtssatz, daß derjenige, der eine Ware im Schaufenster ausstellt, den Verkauf dann aber ablehnt (auch bei Fehlen darüber hinausgehender wettbewerbswidriger Begleitumstände), gegen § 1 UWG verstößt, würde auf einen allgemeinen Kontrahierungszwang des Geschäftsinhabers bezüglich der in der Auslage oder im Geschäft aufgestellten Ware hinauslaufen, welcher dem Gesetz, das auf dem Boden der Vertragsfreiheit steht, in dieser Form fremd ist.
Der Revision ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.