OGH vom 27.06.2017, 5Ob7/17s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerinnen 1. C***** W*****, 2. Mag. H***** W*****, beide vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. W***** K*****, 2. Mag. S***** W*****, 3. K***** K*****, 4. A***** K*****, 5. F***** N*****, 6. A***** N*****, 7. C***** G*****, 8. H***** G*****, 9. T***** H*****, MSc, *****, 10. Mag. A***** H*****, alle vertreten durch die Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, wegen §§ 17, 52 Abs 1 Z 3 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 249/16w-24, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Sankt Johann im Pongau vom , GZ 55 Msch 23/15g-20, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Antragsgegnern die mit 626,90 EUR (darin 104,48 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft.
Die Antragstellerinnen beantragten (unter Berufung auf die §§ 17 Abs 2, 52 Abs 1 Z 3 WEG und § 835 ABGB) eine gerichtliche Benützungsregelung hinsichtlich der verfügbaren gemeinschaftlichen Räumlichkeiten und Flächen im Keller des Hauses dergestalt, dass im Sinne der ursprünglichen Widmung laut Wohnungseigentumsvertrag der als „Trockenraum“ bezeichnete Raum als gemeinschaftlicher Trockenraum genutzt werde, der als „Waschküche“ bezeichnete Raum als gemeinschaftliche Waschküche, der mit „Fahrräder/Kinderwägen“ bezeichnete Raum als Fahrradabstellraum und die nicht abgeschlossene, als „Hackplatz“ bezeichnete Fläche im Keller als Raum zur Aufbewahrung der gemeinschaftlichen Haus- und Gartengeräte.
Die Antragsgegner wandten ein, die Mehrheit der Parteien im Haus sei mit der seit den 1970er-Jahren geübten Gebrauchsordnung einverstanden. Es liege demnach bereits eine Benützungsregelung vor und ein wichtiger Grund zu deren Änderung sei nicht gegeben.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Wohnungseigentümer hätten – noch im zeitlichen Anwendungsbereich des WEG 1975 und daher rechtswirksam – durch jahrelange widerspruchslose Nutzung eine schlüssige Benützungsregelung getroffen. Die Antragstellerinnen seien in diese auch ausreichend bestimmte Benützungsregelung eingetreten. Einen wichtigen Grund, der die Änderung dieser Benützungsregelung rechtfertige, hätten die Antragstellerinnen nicht aufgezeigt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerinnen nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass aufgrund der jahrelangen widerspruchslosen Nutzung durch die Miteigentümer eine Benützungsregelung bestehe und die Antragstellerinnen in diese schlüssig eingetreten seien. Hinsichtlich der Bestimmtheit seien an eine als Abstellraum genutzte Allgemeinfläche keine besonderen Anforderungen zu stellen. Den Feststellungen des Erstgerichts sei einwandfrei zu entnehmen, welche Funktion den einzelnen gemeinschaftlichen Flächen im Keller des Hauses zukämen. Solle eine nähere Ausgestaltung des Gebrauchs allgemeiner Teile einer Liegenschaft erfolgen, könne dies nur im Rahmen einer Hausordnung gemäß § 28 Abs 1 Z 7 WEG erfolgen. Die von den Antragstellerinnen behauptete allfällig ausufernde Nutzung der Flächen sei nicht im Anlassverfahren über die Benützungsregelung (Raumaufteilung) zu beurteilen. Ein wichtiger Grund für eine Abänderung der bestehenden Benützungsregelung liege nicht vor.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auf Antrag der Antragstellerinnen änderte das Rekursgericht diesen Zulassungsausspruch gemäß § 63 Abs 3 AußStrG dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen werde. Die Antragstellerinnen würden die Rechtsfrage aufwerfen, ob es sich um einen grundsätzlich zulässigen Inhalt einer Benützungsvereinbarung handle, wenn eine gemeinschaftliche Fläche ohne nähere Bestimmung, ohne Abgrenzung und ohne Zuweisung einzelner Teilflächen an die Miteigentümer als allgemeiner Lagerraum definiert werde, in den jeder Miteigentümer nach Belieben beliebige Gegenstände in beliebigem Umfang einlagern könne. Auch wenn die Antragstellerinnen mit ihren Ausführungen die konkreten örtlichen Gegebenheiten zum Teil ganz markant überzeichneten, verbleibe die (vom Rekursgericht bejahte) Rechtsfrage, inwieweit im Verlauf des Zusammenlebens innerhalb einer Eigentümergemeinschaft gemeinschaftliche Flächen durch Verkehrsübung schlüssig Widmungsänderungen erfahren könnten, verbunden mit der Frage, inwieweit im Sinne der Vorstellungen der Antragstellerinnen bestimmte räumliche Bereiche an Allgemeinflächen den Wohnungseigentümern entsprechend den Miteigentumsanteilen zur Benützung zuzuweisen wären. Ferner solle den Antragstellerinnen ermöglicht werden, die Frage einer länger dauernden Kenntnisnahme einzelner Miteigentümer von durch Zeitablauf tatsächlich geänderten Benutzungsverhältnissen von Allgemeinflächen durch die übrigen Miteigentümer, an das Höchstgericht zur endgültigen Abklärung heranzutragen.
In ihrem Revisionsrekurs rügen die Antragstellerinnen die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts. Sie beantragen, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass ihrem Antrag Folge gegeben werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig.
1. Jeder Wohnungseigentümer kann eine gerichtliche Regelung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft oder die gerichtliche Abänderung einer bestehenden Regelung aus wichtigen Gründen beantragen (§ 17 Abs 2 WEG).
2. Allgemeine Teile der Liegenschaft stehen im ideellen Miteigentum aller Wohnungseigentümer. Nach allgemeinen Grundsätzen steht der Gebrauch einer im Miteigentum stehenden Sache jedem Teilhaber grundsätzlich soweit zu, als dadurch der konkrete Gebrauch der anderen nicht gestört wird. Zum Wesen einer Benützungsregelung gehört es daher, diese allgemeinen Gebrauchsbefugnisse eines Mit- und Wohnungseigentümers (und nur dieser) in Sondernutzungsrechte an bestimmten Teilen der gemeinsamen Sache umzugestalten (5 Ob 205/03p, 5 Ob 182/14x = RIS-Justiz RS0118535 [T1], RS0105691 [T6], RS0013633 [T1], RS0013206 [T17]).
3. Das Begehren der Antragstellerinnen ist zwar auf Erlassung einer Benützungsregelung „gemäß § 17 Abs 2 WEG“ gerichtet. Was sie mit ihrem Antrag inhaltlich durchsetzen wollen, ist aber nicht die Zuweisung von Sondernutzungsrechten, sondern – je nach Sichtweise – die Klarstellung, Änderung oder Rückkehr zur ursprünglichen spezifischen Widmung bestimmter allgemeiner Teile. Die Antragstellerinnen fordern also weder für sich noch andere Miteigentümer Sonderrechte durch Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte an den fraglichen Räumen und Flächen ein. Ein solches Begehren, das auf eine gleichartige Nutzung von allgemeinen Teilen durch alle Mit- und Wohnungseigentümer gerichtet ist, widerspricht der Rechtsnatur einer Benützungsregelung nach § 17 Abs 2 WEG. Ein Begehren, das nicht auf die rechtsgestaltende Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte abzielt und daher den materiellen Erfordernissen einer Benützungsregelung nicht Rechnung trägt, ist von § 17 Abs 2 WEG nicht erfasst und abzuweisen (5 Ob 182/14x).
4. Die von den Antragstellerinnen in ihrer Zulassungsvorstellung – freilich mit einer anderen Intention – relevierte Frage, ob es sich um einen grundsätzlich zulässigen Inhalt einer Benützungsvereinbarung handelt, wenn ein allgemeiner Teil ohne nähere Bestimmung, ohne Abgrenzung und ohne Zuweisung einzelner Teilflächen an die Miteigentümer als allgemeiner Lagerraum definiert wird, ist bereits durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Die weiteren von den Revisionsrekurswerberinnen und dem Rekursgericht zur Begründung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses aufgeworfenen Fragen sind hier – infolge dieser Rechtsprechung – nicht entscheidungsrelevant. Der Revisionsrekurs war daher mangels Notwendigkeit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 52 Abs 2 WEG und § 37 Abs 3 Z 16 MRG) zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die danach anzustellenden Billigkeitserwägungen rechtfertigen einen Kostenzuspruch, wenn – wie hier – in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen wurde (vgl RISJustiz RS0112296, RS0035962, RS0035979).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00007.17S.0627.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,8 außerstreitige Wohnrechtssachen |
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