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OGH vom 20.04.2016, 5Ob7/16i

OGH vom 20.04.2016, 5Ob7/16i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) R***** H*****, 2) S***** H*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei O***** A*****, vertreten durch Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 170/15g 23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 17 Cg 94/14m 19, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.582,06 EUR (darin enthalten 430,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zugunsten der Kläger wurde zu TZ 2307/89 das Vorkaufsrecht ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** im Grundbuch eingetragen. Mit dem als „Schenkungsvertrag“ bezeichneten Vertrag vom übereignete die 1929 geborene Alleineigentümerin, vertreten durch ihren Sachwalter, diese Liegenschaft an den Beklagten. Punkt I „Rechtsverhältnisse“ enthält einen Grundbuchsauszug, in dem das Vorkaufsrecht der Kläger „gem. Erklärung 1989 06 06“ aufscheint. In Punkt VII verpflichtete sich der Beklagte, für sämtliche zukünftige Pflegekosten der Eigentümerin (seiner Adoptivmutter), insbesondere für die Kosten der Unterbringung im Pflege und Altenwohnheim, aufzukommen, sofern diese nicht durch ihre Rente, das Pflegegeld und die übrigen Eigenmittel abgedeckt werden können. Zur Aufstockung der Eigenmittel verpflichtete sich die Eigentümerin, eine Eigentumswohnung zu verwerten. Die Einräumung der Reallast wurde mit 20.000 EUR bewertet.

Die Liegenschaft war den Klägern zuvor nicht zum Kauf angeboten worden. Dem Beklagten war das Vorkaufsrecht der Kläger bekannt.

Aufgrund dieses Vertrags vom wurde das alleinige Eigentumsrecht des Beklagten an der Liegenschaft über seinen Antrag zu TZ 778/2013 einverleibt. Dagegen erhoben die Kläger einen Rekurs. Das Rekursgericht gab ihrem Rechtsmittel mit Beschluss vom Folge und wies das Grundbuchsgesuch im Hinblick auf das verbücherte Vorkaufsrecht der Kläger und Rekurswerber ab. Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und seiner Adoptivmutter zurück (5 Ob 17/15h). Der Beklagte ist somit nicht mehr grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft.

In der am eingebrachten Klage begehren die Kläger die Einwilligung des Beklagten (als damals noch im Grundbuch eingetragenem Eigentümer) in die Einverleibung ihres Eigentumsrechts Zug um Zug (zuletzt nur) gegen Übernahme der Verpflichtung durch die Kläger, gemäß Punkt VII des Schenkungsvertrags vom für sämtliche zukünftige Pflegekosten, insbesondere für jene der Unterbringung im Pflege und Altenwohnheim, aufzukommen.

Das Vorkaufsrecht habe sich nach der Vereinbarung ausdrücklich auf sämtliche Veräußerungsfälle erstreckt. Der Beklagte habe die Liegenschaft entgeltlich, nämlich gegen Leibrente erworben. Die vermeintliche Schenkung entspreche nicht dem wahren Willen der Parteien. Zweck des Rechtsgeschäfts sei die Übergabe der Liegenschaft gegen Übernahme der Pflegekosten auf Lebenszeit gewesen. Die Bezeichnung als Schenkungsvertrag schade der tatsächlichen Qualifikation als Leibrentenvertrag nicht. Die Eigenmittel der früheren Eigentümerin seien aufgebraucht. Die in Punkt VII des Schenkungsvertrags enthaltene Zahlungsverpflichtung sei daher bereits schlagend. Im Vordergrund des Rechtsgeschäfts sei die Absicherung der Pflegegeldkosten und damit der Abschluss eines entgeltlichen Unterhaltsvertrags gestanden. Schenkungswille oder Schenkungsinteresse seien nicht vorhanden gewesen. Die gewählte Übertragung des Eigentumsrechts habe den Vorkaufsfall ausgelöst. Die Liegenschaft sei dem Vorkaufsberechtigten jedoch nicht angeboten worden. Das Alleineigentum des Beklagten sei ohne ihre Verständigung ins Grundbuch eingetragen worden.

Ein Vorkaufsberechtigter könne neben einer Löschungsklage samt Klage auf bücherliche Übertragung gegen den ursprünglichen Liegenschaftseigentümer gemäß § 1079 Satz 2 ABGB eine Klage auf bücherliche Übertragung gegen einen Dritten erheben. Die von den Vertragsparteien gewählte Vorgangsweise sei als Versuch zu qualifizieren, das bestehende Vorkaufsrecht der Kläger zu umgehen. Der Beklagte sei unredlicher Drittkäufer iSd § 1079 Satz 2 ABGB. Die Kläger würden ausdrücklich erklären, ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Die Gegenleistung sei bestimmbar, weil Anzahl der Renten sowie die Höhe der Rentenzahlung feststehen würden. Es sei richtig, dass mittlerweile die Vertragspartnerin des Beklagten wieder grundbücherliche Eigentümerin sei. Der Beklagte verfüge aber mit dem Schenkungsvertrag über einen rechtsgeschäftlichen Titel. Er könne die Liegenschaft durch Einwirkung auf die grundbücherliche Eigentümerin herausgeben.

Der Beklagte bestritt zunächst das Vorliegen eines Vorkaufsfalls. Er habe bis jetzt noch keine der im Punkt VII des Vertrags festgelegten Leistungen erbracht. Die Pflege sei aufgrund der Einkommens und Vermögensverhältnisse der Berechtigten noch für Jahre gesichert. Der Wert der Pflegeleistung stehe zum tatsächlichen Wert der Liegenschaft in einem so krassen Missverhältnis, dass er als Gegenwert zu vernachlässigen sei. Er berief sich zudem auf seine fehlende Passivlegitimation, weil seine Vertragspartnerin wieder grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ließ die Frage offen, ob überhaupt ein Vorkaufsfall vorliege, und erachtete den Abforderungsanspruch der dinglich Vorkaufsberechtigten als nicht berechtigt, weil der Beklagte mangels grundbücherlichen Eigentums nicht über die Liegenschaft verfügen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Rechtlich folgerte es, dass ein dinglich Vorkaufsberechtigter dem Dritten Zug um Zug gegen Zahlung des Einlösungspreises nach § 1079 Satz 2 ABGB die veräußerte Sache abfordern oder ihn auf Löschung klagen könne. Der Abforderungsanspruch sei ein Hilfsanspruch zur Durchsetzung der Einlösung, der das Pflichtenverhältnis zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem unberührt lasse. Die Geltendmachung des Abforderungsrechts, das der Ausübung des Vorkaufsrechts gleichkomme, begründe keine vertragliche Beziehung zwischen Berechtigten und Dritten. Ihr Rechtsverhältnis sei rein dinglich, während das Kaufverhältnis nur zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten bestehe. Der Abforderungsanspruch setze somit eine Verletzung des bücherlichen Rechts des Vorkaufsberechtigten durch die Einverleibung des Eigentums zugunsten des Dritten voraus. Diese Voraussetzung müsse nicht nur bei Klagserhebung vorliegen, sondern auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Die bei Klagserhebung noch vorliegende Verletzung dinglicher Rechte sei jedoch im Grundbuchsverfahren beseitigt worden. Eine Abforderung der Liegenschaft vom Beklagten als Nichteigentümer komme nicht mehr in Frage.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien ist entgegen dem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Das Vorkaufsrecht kann gemäß § 1073 ABGB durch Eintragung in das Grundbuch verdinglicht werden und verstärkt damit das Recht des Berechtigten gegenüber Dritten, an welche die Sache gelangt ist. Dem dinglich Vorkaufsberechtigten steht insbesondere gemäß § 1079 Satz 2 ABGB ein direktes Abforderungsrecht gegen den Dritten zu (2 Ob 201/99v; 2 Ob 89/13x; Aicher in Rummel , ABGB 3 § 1073 Rz 6; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1079 ABGB Rz 4; Apathy in KBB 4 § 1079 ABGB Rz 3).

2. Ein einverleibtes Vorkaufsrecht bildet nach Judikatur und Lehre grundsätzlich ein Eintragungshindernis: Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, nur bewilligen, wenn a) kein Vorkaufsfall vorliegt oder b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) der urkundliche Nachweis erbracht wird, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht nicht Gebrauch machte (5 Ob 102/08y; RIS Justiz RS0021839 [T5]; vgl Binder/Spitzer aaO § 1073 ABGB Rz 9; Schurr in Schwimann ABGB TaKom 3 § 1073 ABGB Rz 5).

3. Der Oberste Gerichtshof hat zum Vorkaufsrecht der Kläger ausgesprochen, dass nach der im Grundbuchsverfahren maßgeblichen Entscheidungsgrundlage (Urkunden und Grundbuchstand) der Schenkungsvertrag vom den Vorkaufsfall verwirklichte und das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein Veräußerungsverbot wirkte (5 Ob 17/15h). Strittige Fragen der Auslegung der Vorkaufsvereinbarung vom sowie des Schenkungsvertrags (zur Vereinbarung oder Bestimmbarkeit eines Einlösungspreises) seien ausschließlich im streitigen Verfahren zu klären.

4. Der Eintritt des Vorkaufsfalls, der ebenso wie die Ausübungserklärung und die fristgerechte „wirkliche“ Einlösung iSd § 1075 ABGB Voraussetzung für die Berechtigung des Abforderungsanspruchs wäre (2 Ob 89/13x mwN), muss im vorliegenden streitigen Verfahren nicht geklärt werden. Das Begehren der vorkaufsberechtigten Kläger auf Zustimmung zur Einverleibung scheitert nämlich schon an der fehlenden Passivlegitimation des Beklagten.

5. Der Abforderungsanspruch gegen den Dritten (§ 1079 Satz 2 ABGB) ist ein Hilfsanspruch zur Durchsetzung der Einlösung, der das Pflichtenverhältnis zwischen Vorkaufsberechtigtem und verpflichtetem unberührt lässt. Zwischen dem Vorkaufsberechigten und dem Dritten wird durch die Geltendmachung des Abforderungsrechts, das der Ausübung des Vorkaufsrechts gleichkommt, keine vertragliche Beziehung begründet. Ihr Rechtsverhältnis ist ein rein dingliches (2 Ob 89/13x mwN).

6. Wird wie im vorliegenden Fall das Eigentumsrecht eines Dritten im Grundbuch eingetragen, steht dem dinglich Vorkaufsberechtigten nach seiner Wahl das dingliche Abforderungsrecht nach § 1079 Satz 2 ABGB oder die Löschungsklage nach § 61 GBG zu (RIS Justiz RS0020211; Schurr aaO § 1079 ABGB Rz 3). Als dritte Alternative besteht die Möglichkeit, die Einverleibung des Eigentumsrechts im Grundbuchsverfahren zu bekämpfen (5 Ob 102/08y; vgl RIS Justiz RS0020254; Apathy aaO § 1079 ABGB Rz 3; Binder/Spitzer aaO § 1079 ABGB Rz 5). Diese Möglichkeit haben die Kläger erfolgreich genutzt. Der beklagte Erwerber der Liegenschaft war unstrittig zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr im Grundbuch als Eigentümer der Liegenschaft eingetragen. Der ursprüngliche Grundbuchstand wurde wieder hergestellt.

7. Es ist richtig, dass der Abforderungsanspruch nach § 1079 Satz 2 ABGB im Schrifttum einem eingetragenen Vorkaufsberechtigten auch gegen den Dritten zugebilligt wird, der nicht grundbücherlicher Eigentümer, sondern nur physischer Besitzer der Liegenschaft ist ( Aicher aaO § 1079 ABGB Rz 7 ff; Binder/Spitzer aaO § 1079 ABGB Rz 4; Schurr aaO § 1079 ABGB Rz 3). Dieser Anspruch betrifft dann allerdings die Herausgabe in Natur (Räumung) sowie Bereicherungsansprüche aus der Nutzung der Liegenschaft ( Apathy aaO Rz 3; Schurr aaO Rz 4), während hier die Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Vorkaufsberechtigten begehrt wird. Die in der Revision zitierte Entscheidung 2 Ob 201/99v betrifft einen anderen Fall: Die beklagte Partei wurde als obligatorisch Vorkaufsverpflichtete verurteilt, der klagenden Vorkaufsberechtigten die Möglichkeit des Erwerbs eines an einen Dritten verkauften Liegenschaftsteils zu verschaffen. Der Anspruch war daher weder auf Eigentumsübertragung gerichtet noch wurde er als Abforderungsanspruch iSd § 1079 Satz 2 ABGB gegen den dritten Erwerber erhoben.

8. Die Revisionswerber sehen die Wiederherstellung des Grundbuchstands während des erstinstanzlichen Verfahrens als Anwendungsfall des § 234 ZPO, der für jede Art der Einzelrechtsnachfolge gelte. Diese Ansicht trifft nicht zu.

9. § 234 ZPO setzt voraus, dass die streitverfangene Sache oder Forderung an eine dritte, vom Prozessgegner verschiedene Person veräußert wurde (RIS Justiz RS0109994). Es handelt sich um eine Schutzvorschrift zugunsten der Gegenpartei, die verhindern soll, dass sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands ihrer Sachlegitimation entledigt und damit einen an sich berechtigten Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (RIS Justiz RS0039314 [T1]). Veräußerung der streitverfangenen Sache oder Forderung iSd § 234 ZPO ist jede Art von Rechtsnachfolge mag sie entgeltlich und unentgeltlich, freiwillig oder zwangsweise erfolgt sein (RIS Justiz RS0039282). Es muss aber der Gegenstand des Prozesses auf einen Rechtsnachfolger derart übergegangen sein, dass diesen nach materiellem Recht infolge des Übertragungsvorgangs eine identische Verpflichtung wie den Veräußerer trifft oder ihm ein identischer Anspruch zusteht (RIS Justiz RS0039231 [T7]; Klicka in Fasching/Konecny ² § 234 ZPO Rz 11 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger 4 § 234 ZPO Rz 1).

10. Diese Voraussetzungen sind hier nicht verwirklicht. Die Vorkaufsverpflichtete ist nicht Einzelrechtsnachfolgerin des Beklagten, auf die der gegen diesen erhobene Abforderungsanspruch nach § 1079 Satz 2 ABGB übergegangen wäre. Die zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bestehende Eintragung des Eigentums des Beklagten wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens beseitigt, weil die Vorkaufsberechtigten diese Eintragung im Grundbuchsverfahren erfolgreich bekämpft haben. Es fiel daher die Einzelrechtsnachfolge des Beklagten im Verhältnis zur (obligatorisch) Vorkaufsverpflichteten weg, diese wurde wieder im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Eine identische Verpflichtung wie den Beklagten trifft sie nicht, weil sie durch die Wiederherstellung des Grundbuchstands nicht zum rein dinglich verpflichteten „Dritten“ wurde. Eine Anwendung des § 234 ZPO ist im vorliegenden Fall auch angesichts des in dieser Bestimmung verwirklichten Schutzgedankens nicht gerechtfertigt. Die Wiederherstellung des Grundbuchstands während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde nicht vom Beklagten veranlasst, sondern von den Klägern.

11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00007.16I.0420.000