OGH 17.02.2014, 4Ob4/14p
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** K*****, 2. B***** K*****, beide vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger, Rechtsanwälte in Wien, 3. U***** A*****, 4. C***** S*****, vertreten durch MMag. Dr. Hartmut Schmidtmayr, Rechtsanwalt in Wien, 5. Prof. Dr. A***** C*****, vertreten durch Dr. Andreas Biel, Rechtsanwalt in Wien, 6. F***** Z*****, 7. A***** Z*****, 8. E***** T*****, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in Wien, 9. G***** E*****, 10. C***** E*****, 11. Mag. C***** G*****, 12. Dr. I***** A*****, 13. Dr. M***** A*****, beide vertreten durch Mag. Christian Tropsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, Duldung und Verbücherung, über die Revisionen der acht-, zwölft- und dreizehntbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 36 R 116/13w, 117/13t-84, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 7 C 970/07y-67, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen stellten das Bestehen eines Geh- und Fahrrechts der Klägerin auf den Liegenschaften der Beklagten fest, verpflichteten diese zur Duldung dieser Dienstbarkeit in näher bestimmter Ausgestaltung und verpflichteten die Beklagten zur Zustimmung zu entsprechenden Verbücherungen. Bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welcher eine offenkundig der anderen diene oder weiterhin dienen solle, entstehe im Zweifel auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit, wodurch ein bestehender Zustand aufrecht bleibe. Der von der Klägerin und ihren Familienangehörigen benützte Weg sei auch in der Natur offenkundig sichtbar gewesen. Es komme nicht auf die Möglichkeit der Schaffung neuer Zugangsmöglichkeiten zum herrschenden Grundstück an, sondern lediglich auf den Zustand zum Zeitpunkt der Veräußerung der dienenden Liegenschaft. Die frühere Grundeigentümerin habe auf die Dienstbarkeit auch nicht verzichtet.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung fehle, inwieweit die Schaffung oder Wiedereröffnung anderer Zugangswege das Entstehen der ruhenden Eigentümerservitut hindere.
Die Revisionen der acht-, zwölft- und dreizehntbeklagten Partei, mit der sie die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens anstreben, sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt aus, dass bei Übereignung einer zweier Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit entsteht. Dabei wird angenommen, dass der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand die Natur einer Dienstbarkeit hat und die Servitut somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht (RIS-Justiz RS0011618, RS0011547, RS0011554, RS0119170).
Diesen Grundsatz stellen die Revisionswerber nicht in Frage, verweisen aber - zutreffend - darauf, dass dies nur im Zweifel, also vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung, anzunehmen ist und behaupten, eine solche abweichende Vereinbarung im vorliegend zu beurteilenden Fall.
Eine solche Vereinbarung bzw Umstände, aus denen auf eine solche (schlüssige) Vereinbarung zu schließen wäre, vermochten die Vorinstanzen ebensowenig festzustellen wie einen - allenfalls schlüssigen - Verzicht der aus der Dienstbarkeit Berechtigten. Diese nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung wirft - von hier nicht vorliegender vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifender Fehlbeurteilung abgesehen - keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Eine derartige dem Entstehen der Grunddienstbarkeit entgegenwirkende Vereinbarung zwischen den Grundeigentümern müsste spätestens im Zeitpunkt des Auseinanderfallens des Eigentums an den Grundstücken vorliegen, um das Entstehen des Geh- und Fahrrechts im Sinn der vorangestellten Grundsätze der Rechtsprechung zu verhindern. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verkaufte aber bereits am Liegenschaftsanteile, wobei sich die neuen Eigentümer auch damit einverstanden erklärten, dass vom Gutsbestand der Liegenschaft zwei Bauplätze, die in weiterer Folge separate Liegenschaften bildeten, abgeschrieben werden. Bereits zum damaligen Zeitpunkt kam es erstmals zum Auseinanderfallen des Eigentums an den streitgegenständlichen Liegenschaften und damit zur Dienstbarkeit zu Lasten der Eigentümer des dienenden Grundstücks sowie in weiterer Folge der durch Abschreibung hievon separierten Liegenschaften. Eine allfällige Vereinbarung, die dem Entstehen der Dienstbarkeit entgegenwirken hätte sollen, ergibt sich aus dem erwähnten Kaufvertrag vom nicht.
Gegen die Annahme eines schlüssigen Verzichts der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf die Dienstbarkeit spricht schon das auch vom Berufungsgericht ins Treffen geführte überzeugende Argument, dass sich die damalige Eigentümerin des herrschenden Grundstücks ja nicht das Zugangsrecht zu der von ihr selbst bewohnten Liegenschaft nehmen hätte wollen. Damit scheidet die Annahme eines schlüssigen Verzichts im Sinn der von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang stets wiederholten Vorsicht und Zurückhaltung (RIS-Justiz RS0013947, RS0014157, RS0014146, RS0014420) von vornherein aus. Das von den Revisionswerbern wiederholte Argument, die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte die durch Abschreibung geschaffenen Bauplätze wohl nicht entwerten wollen, verfängt daher nicht, hätte andernfalls doch eine ähnliche Entwertung des von der Rechtsvorgängerin der Klägerin weiter bewohnten Grundstücks stattgefunden. Die weiteren für die Annahme eines schlüssigen Verzichts bzw einer der Servitutsbegründung entgegenstehenden Vereinbarung ins Treffen geführten Umstände beziehen sich auf Ereignisse (weit) nach der maßgeblichen Kaufvereinbarung von 1980.
Dass die Frage nach der Möglichkeit der Schaffung anderer Zugangsmöglichkeiten zum herrschenden Grundstück nach dem Zeitpunkt der (ersten) Veräußerung zu beurteilen ist und die bloße Möglichkeit der Schaffung anderer Zugangsmöglichkeiten der Dienstbarkeitsentstehung nicht entgegenwirkt, ergibt sich - mag dies auch noch nicht explizit ausgesprochen worden sein - aus der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Erlöschen einer Dienstbarkeit. Wiederholt wurde ausgesprochen, dass eine Servitut dann ex lege erlischt, wenn sie (völlig, 1 Ob 225/12p) zwecklos ist (RIS-Justiz RS0011701, RS0011582 [T10], RS0011589 [T7]). Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn der durch die Dienstbarkeit dem herrschenden Grundstück gewährte Nutzen auch auf andere Weise erreicht werden kann (RIS-Justiz RS0011574). Bei einer Wegservitut ist dies nur dann anzunehmen, wenn die nun zur Verfügung gestellte Straße nach Lage und Beschaffenheit einen vollen Ersatz für den dem Berechtigten zur Ausübung seines Geh- und Fahrrechts benützten Servitutsweg bietet (RIS-Justiz RS0011699, RS0011582 [T5]).
Daraus folgt, dass das Erlöschen der Dienstbarkeit voraussetzt, dass die neue vollständig gleichwertige Zugangsmöglichkeit bereits besteht und nicht etwa bloß in Zukunft geschaffen werden könnte. Daraus ergibt sich aber mit eben solcher Klarheit, dass die (allenfalls) in Zukunft mögliche Herstellung einer anderen gleichwertigen Zugangsmöglichkeit das Entstehen oder Wiederaufleben einer Servitut bei Aufhebung der Eigentümeridentität nicht zu hindern vermag. Vorbehaltlich einer - hier gerade nicht feststellbaren - anderen vertraglichen Vereinbarung entsteht daher das Geh- und Fahrrecht, solange die andere Zugangsmöglichkeit zur herrschenden Liegenschaft nicht besteht. Ebensowenig vermag eine allenfalls früher bestehende, zum Zeitpunkt der Aufhebung der Eigentümeridentität aber längst weggefallene Zugangsmöglichkeit das Entstehen der Dienstbarkeit zu verhindern. Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Rechtsauffassung ist daher nicht nur zutreffend, sondern lässt sich aus den Grundsätzen der Rechtsprechung ableiten, weshalb keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist (vgl RIS-Justiz RS0042656 [T48]).
Soweit sich die Achtbeklagte in ihrer Revision gegen die Kabelverlegung für eine Gegensprechanlage sowie gegen das Nutzungsrecht eines Lagers und Garagierungsraums zu Gunsten der herrschenden Liegenschaft wendet, ist darauf zu verweisen, dass sie in Ansehung dieser Ansprüche keine Rechtsrüge in ihrer Berufung erhoben hat. Wurde die Entscheidung erster Instanz nur in bestimmten Punkten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, können andere Punkte in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043573 [T29, T36 und T42]).
Mangels Aufzeigens erheblicher Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO sind alle Revisionen zurückzuweisen.
Da die Klägerin in ihren Revisionsbeantwortungen nicht auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revisionen hinwies, hat sie die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, 2. B*****, beide vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger, Rechtsanwälte in Wien, 3. U*****, 4. C*****, vertreten durch MMag. Dr. Hartmut Schmidtmayr, Rechtsanwalt in Wien, 5. Prof. Dr. A*****, vertreten durch Dr. Andreas Biel, Rechtsanwalt in Wien, 6. F*****, 7. A*****, 8. E*****, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in Wien, 9. G*****, 10. C*****, 11. Mag. C*****, 12. Dr. I*****, 13. Dr. M*****, beide vertreten durch Mag. Christian Tropsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, Duldung und Verbücherung, über den Berichtigungsantrag der klagenden Partei in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 4 Ob 4/14p, wird dahin berichtigt, dass der Name der viertbeklagten Partei C***** und der Name der achtbeklagten Partei E***** heißt.
Die Berichtigung der von den Parteien abzufordernden Ausfertigungen des Beschlusses bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die offenbaren Schreibfehler bei den Namen der Viert- und der Achtbeklagten waren gemäß § 419 Abs 1 ZPO zu berichtigen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00004.14P.0217.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAD-71148