OGH 25.09.2015, 5Ob63/15y
Rechtssatz
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Norm | LiegTeilG §20 |
RS0130630 | Im Einspruchsverfahren nach § 20 LiegTeilG hat das Grundbuchsgericht infolge des Verweises auf § 14 LiegTeilG nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen vorzugehen, sodass keine Beschränkung auf den Urkundenbeweis besteht. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Stadtgemeinde *****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Grundstückveränderungen gemäß §§ 15 ff LiegTeilG ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** (Herstellung der Anlage „Güterweg Radgraben“) aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , AZ 23 R 123/14y-6, womit infolge Rekurses des Einschreiters (Einspruchswerbers) J***** Z*****, der Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom , TZ 281/2014, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, den Revisionsrekurs der Antragstellerin an den Einschreiter J***** Z***** zuzustellen und die Akten nach Einlangen der Revisionsrekursbeantwortung oder Verstreichen der hierfür offen stehenden Frist zur Entscheidung über den Revisionsrekurs wieder vorzulegen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 20 Abs 1 Satz 3 LiegTeilG gelten für den Einspruch eines Eigentümers oder Buchberechtigten § 14 Abs 1 zweiter bis fünfter Satz und Abs 2 LiegTeilG sinngemäß. Über den Einspruch hat somit das Gericht von Amts wegen nach den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens zu entscheiden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass das Revisionsrekursverfahren betreffend die über den Einspruch des Einschreiters ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen zweiseitig ist (5 Ob 134/11h = RIS-Justiz RS0066401 [T13, T14]).
Das Erstgericht hätte die Zustellung des von der Antragstellerin erhobenen Revisionsrekurses an den Einschreiter zu veranlassen gehabt. Vor inhaltlicher Entscheidung über diesen war daher der aus dem Spruch ersichtliche Auftrag zu erteilen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Stadtgemeinde B*****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Grundstücksveränderungen nach den §§ 15 ff LiegTeilG ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** (Herstellung der Anlage „Güterweg R*****“), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 23 R 123/14y-6, mit dem infolge Rekurses des Einschreiters J***** Z*****, der Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom , TZ 281/2014, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom erließ der Gemeinderat der Stadtgemeinde B***** die Verordnung über die Widmung der „R*****“ für den öffentlichen Gebrauch und ihre Einreihung in die Kategorie „Güterweg“.
Am führte die Stadtgemeinde B*****, vertreten durch ihren Bürgermeister, in Anwesenheit der von dem geplanten Güterweg betroffenen Liegenschaftseigentümer eine Verhandlung durch, deren Gegenstand die Vereinbarung der Abtretung von Grundstücken für den Bau des projektierten Güterwegs war. Mitbetroffen war das zu diesem Zeitpunkt im Eigentum der S***** GmbH stehende Gst 711/1 [damals EZ *****] des GB *****, von dem Teile in das öffentliche Gut, Verwaltung Gemeinde B*****, lastenfrei und unentgeltlich abgetreten werden sollten.
Das Protokoll dieser Verhandlung vom lautet in diesem Punkt: „Die unterzeichneten Grundeigentümer nehmen den Inhalt der Niederschrift zur Kenntnis und treten die für die Errichtung des Güterwegs R***** […] erforderlichen [Anmerkung: zuvor näher bezeichneten] Grundstücksteile in der jeweils festgelegten Ausbaubreite […] kostenlos in das öffentliche Gut ab.“ Für die S***** GmbH als eine der betroffenen Grundeigentümerin unterfertigte dieses Protokoll deren Mitarbeiter A***** H***** („i.A. H***** A.“). A***** H***** war weder Geschäftsführer noch Prokurist dieser Gesellschaft.
Mit Kaufvertrag vom 18. und verkaufte die S***** GmbH das durch Teilung sowie Ab- und Zuschreibungen gebildete Grundstück 711/1 Rest (9005 m²) [nunmehr EZ *****] des GB ***** an J***** Z*****.
Am legte das Vermessungsamt G***** dem Erstgericht den Anmeldungsbogen betreffend den mittlerweile in der Natur hergestellten „Güterweg R*****“ mit dem Antrag der Antragstellerin auf Verbücherung der entsprechenden Grundstücksveränderungen gemäß den §§ 15 ff LiegTeilG vor.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurden aufgrund dieses Antrags und weiterer Urkunden, insbesondere einer Trennstücktabelle, eines Teilungsplans und eines Planbescheinigungsbescheids Teilflächen des Gst 711/1 in EZ ***** GB ***** im Eigentum des J***** Z***** dem Gst 711/4 in dieser EZ ***** (Grundfläche nunmehr 10.555 m² statt 11.442 m², Differenz 887 m²) und dem Gst ***** in EZ 255 je GB ***** (im Eigentum der Stadtgemeinde B***** - öffentliches Gut - Straßen und Wege) zugeschrieben.
Dem dagegen erhobenen Rekurs des J***** Z***** gab das Rekursgericht mit Beschluss vom nicht Folge. Mit seinem Einwand des fehlenden Einvernehmens bzw der fehlenden Enteignung sei der Rekurswerber auf das Einspruchsverfahren nach § 20 LiegTeilG zu verweisen. Das Rekursgericht trug dem Erstgericht daher auf, den Rekurs insoweit als Einspruch zu behandeln.
Mit Beschluss vom gab das Erstgericht diesem Einspruch nicht Folge. Das Grundbuchsgericht habe den Beteiligten im Einspruchsverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, das erzielte Einvernehmen oder das erfolgte Enteignungsverfahren urkundlich nachzuweisen. Die Antragstellerin habe durch die vorgelegten Urkunden hinreichend nachgewiesen, dass der Einspruchswerber in das gesetzeskonform durchgeführte Verwaltungsverfahren zur Herstellung des Güterwegs „R*****“ bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss einbezogen gewesen sei, sohin Einvernehmen über die Grundabtretung bestanden habe. Die Aussage des Einspruchswerbers, dass er die Liegenschaft lastenfrei erworben habe und ihm die Verkäuferin versichert habe, dass er keinen Grund abtreten müsse, könne nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Einspruchswerbers Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, dass der Antrag auf Abschreibung der im Teilungsplan und in der Trennstücktabelle bezeichneten Teilstücke des Gst 711/1 abgewiesen werde. Das Grundbuchsgericht habe über den mit der Grundbuchs-Novelle 2008 geschaffenen Einspruch nach § 20 LiegTeilG im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden, sodass die rechtlichen Voraussetzungen für die Verbücherung der Grundstücksveränderungen ohne die strengen urkundlichen Erfordernisse des Grundbuchsverfahrens nachgewiesen werden könnten. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe die Grundbuchs-Novelle 2008 aber bloß den urkundlichen Nachweis in der strengen Form der §§ 26 ff GBG beseitigen wollen. Dafür, dass ein urkundlicher Nachweis überhaupt entfallen und das Einvernehmen auch durch andere Beweismittel nachgewiesen werden könne, gebe es in den ErläutRV keinen Anhaltspunkt. § 20 LiegTeilG sei daher einschränkend dahin zu interpretieren, dass das Einvernehmen zwar weiterhin urkundlich nachgewiesen werden müsse, aber die Formvorschriften des GBG für eintragungsfähige Urkunden nicht gelten sollen. Der Nachweis eines Einvernehmens auch außerhalb des Urkundenbeweises durch Zeugen- oder Parteieneinvernahme und ein darauf abzielendes (dazu noch amtswegiges) Beweisverfahren sei demnach unzulässig. Der erforderliche urkundliche Nachweis des Einvernehmens liege nicht vor. Da vertragliche, aber nicht verbücherte Rechte gegenüber einem Einzelrechtsnachfolger nur im Falle der Übernahme wirksam seien, sei hier der Nachweis erforderlich, dass der Einspruchswerber als Einzelrechtsnachfolger der S***** GmbH die von ihr vor Vertragsschluss erklärte Verpflichtung zur Abtretung übernommen habe. Eine solche Übernahme sei im Punkt XIII. des Kaufvertrags aber nicht enthalten, ein urkundlicher Nachweis der erforderlichen vertraglichen Überbindung liege damit nicht vor. Zudem enthalte die vom Rekursgericht im Rekursverfahren eingeholte Stellungnahme der S***** GmbH keine konkreten Angaben über die Bevollmächtigung des A***** H*****. Nach der Aktenlage komme überhaupt nur mehr dessen mündliche Bevollmächtigung durch Organe der S***** GmbH in Betracht. Es fehle daher auch ein urkundlicher Nachweis für das Einvernehmen mit der Einzelrechtsvorgängerin des Einspruchswerbers.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zu den Fragen, welche Erfordernisse an die Erbringung des Nachweises über das Einvernehmen zur Grundabtretung zu stellen sind und ob dieser Nachweis auch außerhalb des Urkundenbeweises erbracht werden kann, keine Rechtsprechung des Höchstgerichts vorliege.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Rekursentscheidung abzuändern und den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellt sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.
Der Einspruchswerber hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Einspruch des Eigentümers gegen die vom Erstgericht angeordnete lastenfreie Abschreibung seiner Grundstücksteile nach den Sonderbestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG für die Verbücherung einer in der Natur bereits vollendeten Weganlage. Die Bedeutung dieser Sonderbestimmungen liegt darin, dass in der Natur schon vollzogene Besitzänderungen im Grundbuch nachvollzogen werden sollen. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Anmeldungsbogens die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Grundabtretungen, Ablösen und Besitzübertragungen bereits geregelt sind. Die Grundbuchsordnung soll rasch und kostengünstig hergestellt werden (5 Ob 126/14m, 5 Ob 134/11h; vgl auch RIS-Justiz RS0066387).
2. Nach § 20 Abs 1 Satz 1 GBG idF der Grundbuchs-Novelle 2008 (BGBl I 2008/100) kann der Eigentümer oder ein Buchberechtigter, der behauptet, durch die bücherliche Durchführung der Änderungen in seinen bücherlichen Rechten verletzt zu sein, weil weder Einvernehmen über die Rechtsabtretung bzw den Rechtsverlust besteht, noch ein förmliches Enteignungsverfahren durchgeführt wurde, innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Einspruch erheben. Der Einspruch ist auf die Behauptung des fehlenden Einvernehmens über die Rechtsabtretung bzw die fehlende Enteignung beschränkt (RIS-Justiz RS0127270). Das Gesetz definiert dabei den Begriff „Einvernehmen“ selbst nicht. Auch die Gesetzesmaterialien geben dazu keine Auskunft. Der Gesetzgeber ging aber jedenfalls davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Anmeldungsbogens im Sonderverfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Grundabtretungen, aber auch Ablösen bereits geregelt sind. Diese Erwägungen sprechen dafür, dass das im LiegTeilG geforderte Einvernehmen eine Einigung des Eigentümers oder sonstiger Buchberechtigten mit demjenigen erfordert, zu dessen Gunsten das entsprechende Trennstück ab- und zugeschrieben werden soll (5 Ob 126/14m).
3.1 Der Einspruchswerber brachte vor, dass er als Eigentümer des von ihm zur Gänze und lastenfrei erworbenen Grundstücks 711/1 die Antragstellerin mehrmals darauf hingewiesen habe, dass er einer Bebauung seines Grundes und einer unentgeltlichen Abtretung bestimmter Teile davon nicht zustimme. Eine mögliche Zustimmung des Vorbesitzers zur Grundabtretung sei für ihn insofern nicht bindend, als dies zum Zeitpunkt des Kaufvertrags auf seine direkte Anfrage hin vom Vorbesitzer verneint worden sei und auch aus dem Kaufvertrag selbst keine Verpflichtung zur Abtretung abzuleiten sei. Es wäre vor der Antragstellung einer grundbücherlichen Durchführung der Liegenschaftsteilung abzuklären gewesen, ob eine Zusage des Vorbesitzers zur Grundabtretung auch tatsächlich Gültigkeit habe.
3.2 Mit diesem Vorbringen behauptet der Einspruchswerber das Fehlen eines Einvernehmens über die Rechtsabtretung im Sinn des § 20 Abs 1 Satz 1 GBG. Obligatorische Rechtsverhältnisse, wie eine vom Liegenschaftseigentümer übernommene Verpflichtung zur kostenlosen Abtretung von Grundstücksteilen, gehen bei einer Einzelrechtsnachfolge grundsätzlich nur dann auf den Rechtsnachfolger über, wenn dies entsprechend vereinbart wird (RIS-Justiz RS0011871). Das Rekursgericht ist daher an sich zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall der Nachweis erforderlich ist, dass der Einspruchswerber als Einzelrechtsnachfolger der S***** GmbH die von ihr vor Kaufvertragsschluss übernommene Verpflichtung zur Grundabtretung - ausdrücklich oder stillschweigend -
übernommen hat.
3.3 Der Einspruchswerber stellte auch die Gültigkeit der Verpflichtungserklärung seiner Rechtsvorgängerin in Frage. Dies in seinem Einspruch noch ohne nähere Begründung, erst im Rekursverfahren rügte er konkret das Fehlen einer beglaubigten Zeichnungsberechtigung des als Vertreter der Rechtsvorgängerin agierenden Mitarbeiters und eines Nachweises seiner Vertretungsbefugnis (vgl zur beschränkten Zulässigkeit von Neuerungen im außerstreitigen Verfahren RIS-Justiz RS0110773, RS0120290, RS0079200). Vollmachtloses Handeln führt im Privatrecht grundsätzlich zwar zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (RIS-Justiz RS0019586, RS0105992). Allerdings gilt für den Abschluss des in den §§ 1002 bis 1034 ABGB als eine Kombination von Vollmacht und Auftrag konzipierten Bevollmächtigungsvertrags grundsätzlich Formfreiheit (RIS-Justiz RS0019359 [T1]), insbesondere besteht kein Schriftlichkeitsgebot. Außerdem können Willenserklärungen eines unberechtigt Handelnden nach den Grundsätzen der
Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Selbst im Falle eines Handelns ohne Vertretungsmacht kann das insofern schwebend unwirksame Rechtsgeschäft nach der Regel des § 1016 ABGB auch nachträglich genehmigt und geheilt werden.
4.1 Die Vorinstanzen beurteilten diese für das Bestehen eines den Einspruchswerber bindenden Einvernehmens über die Grundabtretung relevanten Fragen ausschließlich anhand der im Verfahren vorgelegten Urkunden. Während das Erstgericht es als durch diese Urkunden hinreichend nachgewiesen ansah, dass (auch) mit dem Einspruchswerber Einvernehmen über die Grundabtretung bestanden habe, verneinte das Rekursgericht das Vorliegen eines urkundlichen Nachweises, und zwar (wegen des Fehlens eines urkundlichen Nachweises der Bevollmächtigung des damals für die Rechtsvorgängerin einschreitenden Mitarbeiters) sowohl des Einvernehmens mit der Einzelrechtsvorgängerin als auch der vertraglichen Überbindung der damit verbundenen Abtretungsverpflichtung auf den Einspruchswerber. Feststellungen zu den vom Einspruchswerber in diesem Zusammenhang behaupteten mündlichen Erklärungen der Vertragsparteien des Kaufvertrags vom 18. und und zu anderen Tatsachen, die das Umfeld und die Voraussetzungen der jeweiligen Willenserklärungen umschreiben, hielten die Vorinstanzen für irrelevant. Das Rekursgericht begründete dies ausdrücklich damit, dass der Nachweis des Einvernehmens im Verfahren über den Einspruch nach § 20 Abs 1 LiegTeilG jedenfalls urkundlich nachzuweisen sei. Diese Rechtsauffassung ist jedoch unzutreffend.
4.2 Über den Einspruch hat das Gericht nach § 20 Abs 1 Satz 3 iVm § 14 Abs 1 zweiter bis fünfter Satz und Abs 2 LiegTeilG von Amts wegen nach den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens zu entscheiden (5 Ob 134/11h). Die Materialien (542 BlgNR 23. GP 14) begründen diese Neuregelung damit, dass damit ein Ergebnis erzielt werde, das den Besonderheiten des vereinfachten Verfahrens besser gerecht werde als das Ergebnis, das nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aufgrund der bis dahin geltenden Rechtslage erzielt werden könne: Nach der Entscheidung des erkennenden Senats zu 5 Ob 108/06b wären nämlich im ergänzten Verfahren die rechtlichen Voraussetzungen vor dem Erstgericht urkundlich nachzuweisen. Dies hätte - mangels auf diesen Fall anzuwendender Sonderbestimmungen - im Grundbuchsverfahren zu geschehen; die vorzulegenden Urkunden müssten die grundbuchsrechtlichen Erfordernisse der §§ 26 ff GBG erfüllen. Nach der Neuregelung entscheide das Grundbuchsgericht hingegen im Verfahren Außerstreitsachen; die rechtlichen Voraussetzungen könnten daher ohne die strengen urkundlichen Erfordernisse des Grundbuchsverfahrens nachgewiesen werden. Insbesondere könne eine Einigung unter den Beteiligten angestrebt werden.
Anstelle der vom Obersten Gerichtshof in 5 Ob 108/06b vorgezeichneten Lösung eines mehrseitigen Rekurses mit Neuerungserlaubnis wählte der Gesetzgeber der Grundbuchs-Novelle 2008 also einen anderen Weg: Auch im Bereich des Sonderverfahrens wurde die Möglichkeit des Einspruchs als remonstrativer Rechtsbehelf geschaffen (5 Ob 134/11h). Die Grundbuchs-Novelle 2012, BGBl I 2012/30, ließ diese Regelung unverändert. Lediglich der letzte Satz des § 20 Abs 1 LiegTeilG wurde geringfügig dahingehend geändert, dass nach rechtskräftiger Stattgebung des Einspruchs von Amts wegen der Grundbuchsstand nur hinsichtlich des Grundstücks (zuvor nur im Grundbuchskörper) wiederherzustellen ist, an dem die bücherlichen Rechte des Einspruchs bestehen (5 Ob 126/14m).
4.3 Im Verfahren außer Streitsachen kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des Sachverhalts geeignet und zweckdienlich ist. Eine Beschränkung der zulässigen Beweismittel gibt es nicht. Der Umfang der heranzuziehenden Beweismittel wird vom Ermessen des Gerichts bestimmt. Neben der Vernehmung von Parteien, Zeugen und Sachverständigen sowie der Verwertung von Urkunden und Augenscheinsgegenständen kommt auch die Einholung schriftlicher Auskünfte von Behörden in Betracht, ebenso die Beschaffung und Verwertung des Inhalts von Akten (RIS-Justiz RS0006272; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 31 Rz 8).
Das gilt entgegen der Auffassung des Rekursgerichts auch im Verfahren über einen Einspruch nach § 20 Abs 1 LiegTeilG. Der Verweis des § 20 LiegTeilG auf die sinngemäße Anwendung des § 14 Abs 1 Satz 2 LiegTeilG, wonach das Gericht über den Einspruch „von Amts wegen nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen die erforderlichen Erhebungen zu pflegen“ hat, enthält keinen Anhaltspunkt für eine Einschränkung auf den Urkundenbeweis. Eine solche Beschränkung der zulässigen Beweismittel stünde, wie die Revisionsrekurswerberin zutreffend aufzeigt, auch in einem Spannungsverhältnis zur ausdrücklich normierten Amtswegigkeit des Beweisverfahrens und der Zielsetzung der Grundbuchs-Novelle 2008, den Rechtsschutz betroffener Grundeigentümer und sonstiger Buchberechtigter im Sonderverfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG zu verbessern. Auch den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die im neuen Einspruchsverfahren zulässigen Beweismittel weiterhin auf den Urkundenbeweis beschränken und lediglich die strengen Anforderungen des Grundbuchsrechts an diese beseitigen wollte. Die Erläuternden Bemerkungen zu RV (542 BlgNR 23. GP 14) führen dazu vielmehr ausdrücklich aus, dass die neue nach dem Vorbild des bestehenden § 14 LiegTeilG gestaltete Regelung gegenüber der vom Obersten Gerichtshofs entwickelten Lösung den Vorteil habe, dass „kein urkundlicher Nachweis erforderlich“ sei, da nach der vorgesehenen Regelung das Grundbuchsgericht im Verfahren in Außerstreitsachen entscheide. Der Nachsatz, dass die rechtlichen Voraussetzungen daher nunmehr „ohne die strengen urkundlichen Erfordernisse des Grundbuchsverfahrens nachgewiesen werden“ könnten, sollte offensichtlich nur eine besonders bedeutsame Folge der Anordnung der Anwendbarkeit des Außerstreitverfahrens hervorheben und nicht den Regelungsinhalt einschränkend umschreiben.
5. Ausgehend von der - vom erkennenden Senat nicht geteilten - Rechtsauffassung der ausschließlichen Maßgeblichkeit des Urkundenbeweises haben die Vorinstanzen das Bestehen eines Einvernehmens im Sinne des § 20 Abs 1 Satz 1 GBG nicht materiell-rechtlich geprüft und nicht alle für diese rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen. Nur wenn keine über den Wortsinn einer Urkunde hinausgehende übereinstimmende Parteienabsicht erweislich ist, kommt es nur auf den objektiven Erklärungswert der Urkunden an (vgl RIS-Justiz RS0017783). Ohne Erforschung des Vertragsverständnisses der Parteien fehlte den Vorinstanzen insbesondere die Grundlage für die erst subsidiär vorzunehmende Auslegung des Kaufvertrags. Das Verfahren ist insofern ergänzungsbedürftig. Es fehlen ausreichend konkrete Feststellungen zu den Tatsachen, die das Umfeld, die Voraussetzungen und den Wortlaut aller rechtlich bedeutsamen Willenserklärungen umschreiben. Im Besonderen sind das alle jene Umstände, die für die Beurteilung der Parteienabsicht in Bezug auf die Überbindung einer allfälligen Abtretungsverpflichtung und für die vertretungsrechtlichen Fragen relevant sind.
Schon diese sekundären Feststellungsmängel im Sinn des § 57 Z 5 AußStrG zwingen zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung an das Gericht erster Instanz. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren die dargelegten Feststellungsmängel zu beheben und aufgrund der gesamten bereits vorhandenen und allenfalls auch noch zu ergänzenden Beweisergebnisse entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 AußStrG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können allfällige Billigkeitserwägungen angestellt werden (vgl RIS-Justiz RS0123011).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Grundbuchsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00063.15Y.0925.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAD-71070