OGH vom 26.08.2008, 5Ob87/08t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. Margit S*****, vertreten durch Dr. Romana Aron, Mieter-Interessen-Gemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, gegen die Antragsgegner 1. Mag. Oswald W*****, 2. Mag. Marcus W*****, 3. Gertrude W*****, ebendort, alle vertreten durch Kadlec & Weimann Rechtsanwalts KEG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG, über den Rekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 87/08t-72, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 45 Msch 26/04s-66, aufgehoben wurde, nachstehenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Mieterin der Wohnungen top Nr 17 und 18 im Haus *****, das im Miteigentum der Erst- und Zweitantragsgegner steht, die Drittantragsgegnerin ist Fruchtgenussberechtigte. Das Haus verfügt über einen Lift aus dem Baujahr 1937, der 1982 erneut instand gesetzt wurde. Der Aufzug führt vom Erdgeschoss bis in den sechsten Stock, wobei sich im Dachgeschoss ein mit Waschkesseln und Badewannen ausgestatteter Waschküchenraum und ein Trockenraum befindet.
Den Mietern von Wohnungen im Erdgeschoss und Geschäftslokalen im Erdgeschoss wurde vertraglich keine Liftbenützung eingeräumt. In dem mit der Antragstellerin am abgeschlossenen Mietvertrag wurde unter Punkt 7 vereinbart, dass ihr Anteil an den Kosten des Betriebs des Aufzugs 11,4 %, der Anteil an den allgemeinen Betriebskosten 7,6 % betrage.
Im Jahr 1995 wurde ein Zentralschlüsselsystem eingeführt, wobei den berechtigten Mietern ein Kombinationsschlüssel aus Haustor- und Liftschlüssel ausgefolgt wurde. Davor und zwischendurch, wenn die Sperranlage durch Sabotageakte außer Betrieb gesetzt, war der Lift von jedermann benutzbar.
Im Jahr 2002 wurde das Schließsystem derart umgerüstet, dass sich im Lift eine zweite Gegensprechanlage befindet, mit der der jeweilige Wohnungsinhaber die Liftbenützung freigeben kann.
In der Jahresabrechnung für das Jahr 2000 wurden der Antragstellerin sowohl Liftbetriebskosten als auch Reparaturkosten sowie die Kosten zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen für den Lift insgesamt in Höhe von 190.784,22 S vorgeschrieben.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin festzustellen, dass durch diese unter den Titel „Liftbetriebskosten" vorgeschriebenen Kosten das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten wurde, weil sie nur zur Tragung von Liftbetriebskosten, nicht aber zur Tragung der Kosten von Reparaturen und Sanierungen verpflichtet sei.
Die Antragsgegner hielten dem entgegen, dass hinsichtlich der Aufzugsanlage Sondernutzungsvereinbarungen ua auch mit der Antragstellerin bestünden, weshalb keine Gemeinschaftsanlage im Sinn des § 24 MRG vorliege. Den nutzungsberechtigten Mietern, wie auch der Antragstellerin, dürften daher die erforderlichen Erhaltungskosten für den Lift auferlegt werden.
Im gerichtlichen Verfahren, das durch Antrag der Antragsgegner gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle vom eingeleitet wurde, wendeten die Antragsgegner überdies das Prozesshindernis der entschiedenen Sache bzw Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Sie hätten bereits am gemäß § 40 Abs 2 MRG das Gericht angerufen, woraufhin die Schlichtungsstelle das Verfahren eingestellt habe. Nach Zurückweisung der Gerichtsanrufung habe die Verwaltungsbehörde unzulässigerweise das Verfahren fortgesetzt und am eine Sachentscheidung getroffen.
Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen wies das Erstgericht das Begehren der Antragstellerin ab.
Es erachtete in rechtlicher Hinsicht, dass hinsichtlich der Aufzugsanlage Sondernutzungsvereinbarungen vorlägen, weil nicht sämtliche Mieter, sondern nur eine Gruppe von Mietern zur Liftbenützung berechtigt sei. In der höchstgerichtlichen Judikatur sei das Vorliegen einer Gemeinschaftsanlage im Sinn des § 24 Abs 1 MRG bei Schlüsselbetrieb einer Anlage verneint worden. Damit stehe der Lift in Sondernutzung einzelner Mieter, auch der Antragstellerin, weshalb diese nicht nur zur Tragung der Betriebskosten, sondern auch der Erhaltungskosten des Lifts verpflichtet sei.
Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den erstinstanzlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Es verneinte den Einwand der entschiedenen Sache bzw der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Nur eine wirksame Anrufung des Gerichts bewirke die sukzessive Zuständigkeit des Gerichts. Werde die Anrufung aber vom Gericht als unwirksam zurückgewiesen, bleibe es bei der Zuständigkeit (oder Entscheidung) der Verwaltungsbehörde. In der Sache trat das Rekursgericht der Ansicht des Erstgerichts entgegen, dass die festgestellte Situation über die Liftbenützungsrechte und Liftbenützungsart die Annahme einer Sondernutzungsvereinbarung rechtfertige. Vielmehr liege eine Gemeinschaftsanlage im Sinn des § 24 Abs 1 MRG vor. Schon der Inhalt der mit der Antragstellerin getroffenen Vereinbarung mache klar, dass sie nur zur Tragung der anteiligen Kosten des Betriebs der Aufzugsanlage, nicht aber auch zur Erhaltung der Anlage verpflichtet sei.
Den Feststellungen lasse sich entnehmen, dass im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses mit der Antragstellerin kein Schlüsselbetrieb stattgefunden habe, dieser erst später eingeführt worden sei, wobei keine abändernden Vereinbarungen mit der Antragstellerin erwiesen seien. Allein die Tatsache des Schlüsselsystems bewirke noch keine konkludente Verpflichtung zur Tragung anteiliger Reparaturkosten. Dass die Mieter im Erdgeschoss bzw im Hochparterre zur Benützung des Lifts nicht berechtigt seien, ändere an der Qualität der Gemeinschaftsanlage nichts. Wegen des Fehlens objektiver Benützungsmöglichkeiten würde ein diesen Mietern eingeräumtes Recht de facto inhaltsleer sein, sodass es auf die unterbliebene Rechtseinräumung nicht ankomme.
Es liege also eine Gemeinschaftsanlage gemäß § 24 Abs 1 MRG vor, weshalb die Antragstellerin zwar zur anteiligen Tragung der Betriebskosten, nicht aber der Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten am Lift verpflichtet sei. Damit erweise sich aber eine Aufhebung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses als unumgänglich, weil noch nicht feststehe, welcher Anteil der der Antragstellerin vorgeschriebenen Gesamtkosten über die bloßen Kosten des Betriebs hinausgehe.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine gefestigte Judikatur des Höchstgerichts zur Frage vorliege, ob die einzelnen Mietern fehlende objektive Benützungsmöglichkeit Einfluss auf die Qualifikation eines Lifts als Gemeinschaftsanlage nach § 24 Abs 1 MRG habe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Antragsgegner ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig.
Er ist jedoch nicht berechtigt.
1.) Weiterhin halten die Antragsgegner an ihrer Rechtsansicht fest, es liege entschiedene Sache vor, weil nach Abziehung der Sache gemäß § 40 Abs 2 MRG am durch die Antragsgegner das Schlichtungsstellenverfahren eingestellt worden sei. Das Verfahren sei endgültig durch Gerichtsbeschluss vom [Zurückweisung der Anrufung des Gerichts] rechtskräftig beendet worden. Die Schlichtungsstelle hätte daher ohne neuerlichen (verfahrenseinleitenden) Antrag nicht in der bereits zu Gericht abgezogenen Sache entscheiden dürfen (auch im Revisionsrekursverfahren noch zulässig: vgl RIS-Justiz RS0121265). Dieser rechtliche Einwand der Antragsgegner erweist sich aus mehreren Gründen als unrichtig:
Die zwingende Prozessvoraussetzung des § 39 Abs 1 MRG ist durch die Anrufung der Schlichtungsstelle seitens der Antragstellerin gewährleistet, weil es ausreicht, dass „die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist". Selbst wenn die Verwaltungsbehörde eine Einstellung des Verfahrens unrichtigerweise verfügte, weil nur eine wirksame Anrufung des Gerichts gemäß § 40 Abs 2 MRG eine Einstellung gerechtfertigt hätte (die Anrufung des Gerichts wurde rechtskräftig zurückgewiesen, sodass eben kein Zuständigkeitsübergang von der Verwaltungsbehörde an das Gericht stattfand) und sich die Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens über Antrag der Antragstellerin ebenfalls als unrichtige Vorgangsweise darstellte, würden allfällige Verfahrensfehler im vorgeschalteten Verwaltungsverfahren nicht auf das gerichtliche Verfahren durchschlagen. Es wäre damit jeder der Parteien freigestanden, gemäß § 40 Abs 2 MRG ohne Fristbindung durch (neuerliche) Anrufung des Gerichts den Zuständigkeitsübergang an das Gericht zu bewirken. Schon unter diesem Aspekt wäre die Anrufung des Gerichts durch die Antragstellerin gerechtfertigt.
Eine allfällige Mangelhaftigkeit oder sogar Nichtigkeit des Verfahrens oder der Entscheidung der Schlichtungsstelle (nach erfolgter Verfahrenseinstellung) ist bedeutungslos, tritt doch durch die Anrufung des Gerichts die Entscheidung der Gemeinde jedenfalls außer Kraft.
Die Ansicht, es liege eine rechtskräftige Entscheidung vor, die eine neuerliche Behandlung und Entscheidung durch das Gericht verhindere, ist damit rechtsirrig. Die gerichtliche Entscheidung über die Zurückweisung der ursprünglichen Gerichtsanrufung stellt naturgemäß keine Sachentscheidung dar, die den Einwand der entschiedenen Sache rechtfertigte.
Zusammengefasst lässt sich das Argument der Antragsgegner dahin verstehen, dass durch die Einstellung des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle und die Zurückweisung der ersten Gerichtsanrufung keine „Sache" mehr bei der Gemeinde anhängig war, hinsichtlich derer eine sukzessive Zuständigkeit durch eine zweite Anrufung des Gerichts bewirkt werden hätte können.
Auch dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, reicht es doch, wie oben ausgeführt, bereits aus, dass „die Sache" vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden war.
Damit erweist sich der prozessuale Einwand der Antragsgegner als verfehlt.
2.) Die Tatsache des Schlüsselbetriebs einer Aufzugsanlage an sich sagt zunächst nichts über die Berechtigung zur Benützung dieser Anlage durch einzelne Mieter aus, sondern regelt nur die faktischen Benützungsmöglichkeiten. Das wird schon daraus klar, dass dann, wenn alle Mieter im Besitz eines Aufzugsschlüssels sind, allen die Benützungsmöglichkeit offen steht. Es ist daher eine unzulässige Verkürzung, aus der Tatsache des Schlüsselbetriebs einer Aufzugsanlage den Schluss zu ziehen, die Anlage stehe in Sondernutzung einzelner, nämlich der Schlüsselbesitzer, und deshalb liege eine Gemeinschaftsanlage nicht vor. Eine derartige Verkürzung ergibt sich auch aus den bezogenen Entscheidungen nicht. Maßgeblich für die Beurteilung einer Aufzugsanlage als Gemeinschaftsanlage oder als Anlage in Sondernutzung einzelner ist die getroffene Vereinbarung. Nach herrschender Auffassung besteht das Wesen einer Gemeinschaftsanlage im Sinn des § 24 Abs 1 MRG darin, dass es jedem Mieter rechtlich (= vereinbarungsgemäß) freisteht, sie gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs zu benützen (vgl RIS-Justiz RS0069987; RS0070297). Kein Mieter, für den eine Benützung des Aufzugs sinnvoll ist, darf vertraglich von der Benützung ausgeschlossen sein. Mieter, die dergestalt ausgeschlossen sind, sind auch von den entsprechenden Betriebskostenaufwendungen auszunehmen, woraus sich naturgemäß unterschiedliche Verteilungsschlüssel einerseits für allgemeine Betriebskosten, andererseits für jene der Gemeinschaftsanlage ergeben (vgl RIS-Justiz RS0109567). Wenn also der Bestandgeber dem Rechnung trägt und jenen Mietern, für die eine sinnhafte Aufzugsbenützung und damit Betriebskostentragung nicht in Betracht kommt, ein Benützungsrecht gar nicht erst einräumt, entsteht dadurch keine Sondervereinbarung mit den übrigen Mietern, die vereinbarungsgemäß gegen anteilige Tragung der Betriebskosten zur Benützung berechtigt sind. Das von den Antragsgegnern gewünschte Ergebnis, dass diesfalls die Erhaltungspflicht vom Vermieter (vgl 5 Ob 236/99p = MietSlg 51.353; 5 Ob 284/04g ua) automatisch auf die nutzungsberechtigten Mieter überwälzt würde, tritt dadurch nicht ein. Eine sogenannte „Aufzugsgemeinschaft", als Summe aus den aus einer Sondernutzungsvereinbarung Berechtigten und dem Bestandgeber, entsteht nur durch die Vereinbarung, dass nur bestimmten Mietern, die sich (in der Regel) an den Errichtungskosten beteiligt haben, die Sondernutzung am Aufzug zusteht (vgl RIS-Justiz RS0069987; RS0101592) und weiteren Mietern nur zu bestimmten Bedingungen ein Benützungsrecht eingeräumt werden darf (gegen Zahlung eines über die Kosten des Betriebs hinausgehenden Entgelts: vgl 5 Ob 269/03z). Für das konkludente Zustandekommen einer solchen Vereinbarung bieten die maßgeblichen Feststellungen keinerlei Grundlage. Eine ausdrückliche Vereinbarung mit der Antragstellerin dahin, dass sie anteilsgemäß an den Erhaltungskosten des Lifts teilzunehmen habe, besteht ohnedies nicht.
Mangels geeigneter Feststellungsgrundlagen über die Höhe der der Antragstellerin demnach zu Recht vorgeschriebenen Anteile des Betriebs der Anlage und der zu Unrecht vorgeschriebenen Anteile an Erhaltungskosten hat das Rekursgericht zutreffend die Sachentscheidung des Erstgerichts aufgehoben und die Erneuerung eines Verfahrens angeordnet.
Dem unberechtigten Rekurs war der Erfolg zu versagen.