OGH vom 26.01.1993, 4Ob1/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard S*****, vertreten durch DDr.Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Eva M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Manfred Schwindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Auskunftserteilung nach dem Musterschutzgesetz (Streitwert S 500.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 38/92-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 38 Cg 263/91-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
46.965 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.827,50 Umsatzsteuer und S 12.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte vertreibt Kraftfahrzeugkennzeichenhalter, die mit der Aufschrift "Muster ges.gesch." versehen sind.
Am richtete der Klagevertreter an die Beklagte folgendes Schreiben:
"Sie vertreiben Kennzeichenhalter mit der Aufschrift 'Muster ges.gesch.'.
In der Werbung für diese Kennzeichenhalter (beispielsweise in einem vierseitigen Prospekt) behaupten Sie ferner, daß dieser über einen "patentierten Clip-Verschluß" verfüge.
Wer den Eindruck erweckt, ein Gegenstand genieße Muster- oder Patentschutz, hat auf Verlangen darüber Auskunft zu geben, auf welches Schutzrecht sich dieser Hinweis stützt. Im Auftrag von Herrn Richard S***** haben wir Sie daher aufzufordern, uns
binnen fünf Tagen
bekanntzugeben, welches Muster- und welches Patentrecht mit Ihren Ankündigungen gemeint ist."
Darauf erwiderte der Beklagtenvertreter am folgendes:
"Namens meiner Mandantin, der Eva M***** Gesellschaft m.b.H. gebe ich in Beantwortung Ihres Briefes vom bekannt, daß meine Mandantin die Inhaberin des österreichischen Patentes Nr.***** ist."
Mit Telefax vom teilte der Klagevertreter dem Beklagtenvertreter mit:
"Ihre Klientin behauptet nicht bloß, Inhaber eines Patentrechtes zu sein; sie erweckt darüber hinaus auch den Eindruck, der von ihr vertriebene Kennzeichenhalter sei mustergeschützt.
Ich habe daher unser Ersuchen laut Brief vom , Herrn S***** zu unseren Handen
binnen fünf Tagen
bekanntzugeben, welches Musterrecht mit der Ankündigung Ihrer Klientin gemeint ist, zu erneuern."
Hierauf antwortete die Beklagte nicht.
Unter Berufung auf § 37 MustG begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm binnen acht Tagen darüber Auskunft zu geben, auf welches Musterrecht sich die Bezeichnung "Muster ges.gesch." auf von der Beklagten vertriebenen Kennzeichenhaltern für Kraftfahrzeuge beziehe.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Mit ihrer Auskunft vom habe sie ihre Auskunftspflicht wahrheitsgemäß und vollständig erfüllt. Nach ihrer Auffassung decke der Besitz eines Patentes die Aussage "Muster ges.gesch.". Kucsco habe in ÖBl 1986, 33 den Musterschutz als "Patent des kleinen Mannes" bezeichnet und ausgeführt, der muster- und der patentrechtliche Schutz könnten einander überschneiden: Soweit eine bestimmte neue Form auch eine technische Funktion erfüllt, könne sie auch durch ein Patent geschützt werden. Das bedeute nichts anderes, als daß der "höherwertige" Patentschutz einen Hinweis auf einen Musterschutz decke. Die Beklagte sei im Besitz eines deutschen Gebrauchsmusterschutzes durch Eintragung in die Gebrauchsmusterrolle des bundesdeutschen Patentamtes. Die Auskunftspflicht gemäß § 37 MustG beziehe sich selbstverständlich nur auf den in diesem Gesetz geregelten Musterschutz.
Auf Antrag des Klägers, welcher die Auffassung vertrat, die Beklagte habe damit nicht unmißverständlich erklärt, daß sie über kein österreichisches Musterrecht verfüge, so daß er mangels Erfüllung der Auskunftspflicht sein Begehren nicht auf Kostenersatz einschränken könne (S. 13 f), trug das Erstgericht der Beklagten auf anzugeben, ob sie neben den in der Klagebeantwortung angegebenen Schutzrechten noch weitere habe.
Der Beklagtenvertreter führte hierauf aus, er habe keine über die Klagebeantwortung hinausgehende Information (S. 25).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte sei ihrer Auskunftspflicht nach § 37 MustG weder vor dem Verfahren noch in diesem nachgekommen. Weder ein deutsches Gebrauchsmuster noch ein österreichisches Patent deckten die Ankündigung "Muster ges.gesch."; davon abgesehen, sei Inhaber des Patentes und des deutschen Musterrechtes nicht die Beklagte, sondern Heinz M*****.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Kläger sei beizupflichten, daß das Schreiben des Beklagtenvertreters vom nur den Hinweis auf ein österreichisches Patent enthalten habe, so daß danach Zweifel bestehen konnten, ob damit auch die Frage nach dem Musterrecht beantwortet wurde. Diese Zweifel habe jedoch die Beklagte spätestens mit der Klagebeantwortung beseitigt. Dem dort erstatteten Vorbringen sei klar die Auffassung der Beklagten zu entnehmen, daß sie als Inhaberin eines österreichischen Patentes zur Aussage "Muster ges.gesch." berechtigt sei, weil der patentrechtliche Schutz auch den musterrechtlichen Schutz umfasse. Ob diese Auffassung zutrifft, könne dahingestellt bleiben; die Angaben in der Klagebeantwortung reichten jedenfalls aus, den Kläger in die Lage zu versetzen, zu überprüfen, ob eine Musteranmaßung der Beklagten vorliegt. Dem Sinn des § 37 MustG sei demnach entsprochen worden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wer Erzeugnisse in einer Weise bezeichnet, die geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, daß sie Musterschutz genießen, hat gemäß § 37 MustG auf Verlangen jedermann darüber Auskunft zu geben, auf welches Musterrecht sich die Bezeichnung stützt. Mit dieser Bestimmung soll die Möglichkeit zur Überprüfung geboten werden, ob eine Musteranmaßung vorliegt oder tatsächlich Musterschutz besteht (1141 BlgNR 17. GP, 21). Mit seiner Anfrage vom hatte der Klagevertreter nicht nur im Hinblick auf die Aufschrift "Muster ges.gesch." Auskunft nach § 37 MustG, sondern auch Aufklärung über den in der Werbung der Beklagten behaupteten Patentschutz verlangt (§ 165 PatG). Die Antwort des Beklagtenvertreters vom , in welcher nur von einem österreichischen Patent die Rede war, war demnach zweifellos unvollständig. Da die Beklagte das auf Klärung drängende Telefax des Klagevertreters unbeantwortet gelassen hat, war der Kläger zur Klageführung berechtigt. Der von der Beklagten in der Klagebeantwortung eingenommene Standpunkt, daß sie schon mit dem Brief ihres Vertreters vom ihre Auskunftspflicht wahrheitsgemäß und vollständig erfüllt habe, kann somit nicht gebilligt werden. Die weiteren Ausführungen der Klagebeantwortung lassen zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daß die Beklagte ihre Werbeaussage "Muster ges.gesch." nur auf das von ihr erwähnte Patent gestützt hat (daß ihre Angabe im Hinblick auf den bundesdeutschen Gebrauchsmusterschutz gerechtfertigt wäre, hat sie offenbar selbst nicht angenommen). Dem Kläger ist jedoch darin beizupflichten, daß die Ausführungen der Beklagten noch nicht zwingend darauf schließen lassen, daß die Beklagte nicht doch auch Musterschutz genießt, könnte doch ihr Vorbringen in dem Sinn verstanden werden, daß sie jedenfalls schon im Hinblick auf ihr Patent zur Aussage "Muster ges.gesch." berechtigt sei. Diese verbliebene Unsicherheit hat der Kläger ausdrücklich aufgezeigt. Mit dem Auftrag an den Beklagten zur Angabe, ob es neben den in der Klagebeantwortung angeführten Schutzrechten noch weitere gibt, hat auch das Erstgericht dem Beklagten eindeutig zu verstehen gegeben, daß er seine Erklärung noch verdeutlichen müsse. Zu der hierauf erforderlichen Klarstellung, daß die Beklagte über kein (österreichisches) Musterrecht für ihre Kennzeichenhalter verfüge, hat sich aber der Beklagtenvertreter mangels einer über die Klagebeantwortung hinausgehenden Information nicht bereit gefunden. Auch damit wird deutlich, daß der Klagebeantwortung eben nicht mit zweifelsfreier Sicherheit die Aussage zu entnehmen ist, daß die Aufschrift "Muster ges.gesch." nur auf einem Patent beruht und kein (österreichischer) Musterschutz besteht. Bei diesem Prozeßverhalten der Beklagten konnte daher auch der Kläger nicht die Sicherheit gewinnen, die Beklagte wolle ihn nicht durch zweideutige Formulierungen insofern "hineinlegen", als sie in einem allfälligen Wettbewerbsstreit gemäß § 2 UWG dann doch ein Musterrecht beweisen könnte. Von einer Erfüllung der Auskunftspflicht kann demnach keine Rede sein.
Aus diesen Erwägungen war in Stattgebung der Revision das Ersturteil wiederherzustellen. Eine gemäß § 409 Abs 2 ZPO vom Richter festgesetzte Leistungsfrist kann auch kürzer als vierzehn Tage (§ 409 Abs 1 ZPO) sein (Fasching IV 674). Gegen die vom Erstgericht auf Antrag des Klägers mit acht Tagen bestimmte Frist hat sich die Beklagte weder in erster Instanz noch in der Berufung gewandt.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.