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OGH vom 14.06.2021, 5Ob86/21i

OGH vom 14.06.2021, 5Ob86/21i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des N*****, geboren am ***** 2016, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters M*****, vertreten durch Mag. Muna Duzdar, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 46/21x-119, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 26 Ps 15/18v-98, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung richtet, als jedenfalls unzulässig und im Übrigen mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Mutter den Beschluss des Erstgerichts ab, das über Antrag des Vaters, diesen gemeinsam mit der Mutter mit der Obsorge für den Minderjährigen bei „hauptsächlicher Betreuung“ durch die Mutter betraute, und eine Regelung der persönlichen Kontakte des Vaters zu seinem Kind traf, und wies den Antrag des Vaters auf gemeinsame Obsorge ab. Im Übrigen hob es den Beschluss des Erstgerichts auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung über die Kontaktregelung an dieses zurück.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, der – soweit er sich gegen die Aufhebung der Entscheidung über das Kontaktrecht wendet – jedenfalls unzulässig ist und darüber hinaus keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG anspricht:

[3] 1.1 Nach § 64 Abs 1 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht die Entscheidung des Gerichts erster Instanz aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Fehlt ein solcher Ausspruch, dann ist jegliches Rechtsmittel jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0030814; RS0109580).

[4] 1.2 Im vorliegenden Fall hat das Gericht zweiter Instanz, wenn auch ohne gesetzliche Grundlage, ausdrücklich ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs (auch) gegen den zurück-(ver-)weisenden Teil seiner Entscheidung nicht zulässig sei. Soweit sich der Vater in seinem Rechtsmittel auch gegen die Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts über die Kontaktregelung durch das Rekursgericht wendet und insoweit eine inhaltliche Regelung anstrebt, ist sein Rechtsmittel unstatthaft und schon deshalb zurückzuweisen.

[5] 2.1 Seit dem KindNamRÄG 2013 soll die Obsorge beider Eltern – eher – der Regelfall sein (RS0128811). Für die Anordnung der beiderseitigen Obsorge ist die Beurteilung maßgebend, ob die Interessen des Kindes auf diese Weise am besten gewahrt werden können. Die beiderseitige Obsorge setzt eine Beteiligung beider Eltern an der Betreuung des Kindes voraus. Dementsprechend erfordert die Teilnahme an den Betreuungsaufgaben einen Mindestkontakt des jeweiligen Elternteils zum Kind.

[6] 2.2 Zudem ist anerkannt, dass die gemeinsame Obsorge ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt, weil es dabei erforderlich ist, in sachlicher Form Informationen auszutauschen und Entschlüsse zu fassen. Es ist daher vom Gericht (auch) zu beurteilen, ob eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden oder in absehbarer Zeit mit einer solchen zu rechnen ist (RS0128812). Diese Beurteilung kann nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen und begründet im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0128812 [T5; T 15; T 19]). Eine solche kann der Vater auch im vorliegenden Fall nicht aufzeigen:

[7] 2.3 Das Rekursgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass dem Vater erst seit August 2019 unbegleitete Kontakte jeweils Sonntags für zwei Stunden zukommen und zwischen den Eltern die Frage der Kontaktrechtsausübung bereits seit dem Jahr 2016 immer wieder strittig ist. Den Umstand, dass es beim Kind bereits zu einem Loyalitätskonflikt gekommen ist, zumal die Eltern ihren Sohn mit unterschiedlichen Namen rufen, berücksichtigte es ebenso, wie den im Akt als Ausdruck vorliegenden wechselseitigen Austausch von Nachrichten. Gerade letzterer macht deutlich, dass es an der für eine gemeinsame Betreuungs- und Erziehungsarbeit erforderlichen sachlichen Gesprächsbasis fehlt, sodass die Beurteilung dieser Frage durch das Rekursgericht auch keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof im Einzelfall bedarf.

[8] 3.1 Der Oberste Gerichtshof hat zur Aufhebung der gemeinsamen Obsorge ausgesprochen, dass eine fachkundige Beurteilung zu erfolgen hat, ob die Anordnung von Maßnahmen iSd § 107 Abs 3 AußStrG eine Verbesserung der Gesprächssituation und die Herstellung einer ausreichenden Kommunikationsbasis erwarten lässt, bevor vom Regelfall der beiderseitigen Obsorge abgewichen wird (RS0132054 = 8 Ob 152/17m). In Anlehnung daran macht der Revisionswerber geltend, dass das Erstgericht – von den Parteien unbekämpft – eine Elternberatung zur Verbesserung der Gesprächsbasis angeordnet hat; er habe bereits zwei Termine bei einer Erziehungsberaterin wahrgenommen. Abgesehen davon, dass hier nicht die Aufhebung, sondern die erstmalige Begründung der gemeinsamen Obsorge zu beurteilen ist, übergeht der Revisionsrekurswerber in seiner Argumentation, dass das Erstgericht bereits mit Beschluss vom eine Eltern- und Erziehungsberatung zum Abbau der Konfliktsituation aufgetragen hat. Von einer nachhaltigen Verbesserung des Umgangs der Elternteile miteinander kann nach der Aktenlage ungeachtet dieser Unterstützungsmaßnahme keine Rede sein. Allein der Umstand, dass sich das Erstgericht neuerlich zu einer Anordnung gemäß § 107 Abs 3 AußStrG veranlasst sah, erlaubt damit entgegen der Ansicht des Vaters keineswegs den Rückschluss, die Gesprächsbasis werde in absehbarer Zeit die für eine gemeinsame Obsorgeausübung erforderliche Sachlichkeit erreichen.

[9] 3.2 Es mag zutreffen, dass sich der Vater bei der Familien- und Jugendgerichtshilfe gesprächsbereiter und kooperativer präsentierte als die Mutter. Das bietet aber noch keinen Grund zur Annahme, die Fähigkeit der Eltern zur Kommunikation seien grundsätzlich gegeben und die Kooperation scheitere vorwiegend an der Bereitschaft der Mutter (vgl RS0128812 [T11]), wie der Revisionswerber offensichtlich meint, wenn er behauptet, die Gesprächsbasis werde von Seiten der Kindesmutter schuldhaft verweigert und erschwert, und dem Rekursgericht insoweit ein Abgehen von der Rechtsprechung unterstellt. Dass die Beziehung zwischen den Elternteilen nicht frei von Konflikten und Spannungen ist, und auch die Gesprächsbasis sehr konfliktbehaftet ist, betont er unter Verweis auf das vom Erstgericht abgeführte Beweisverfahren selbst. Schon daran scheitert die vom Vater angestrebte gemeinsame Obsorge. Damit bedarf es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht erörterten Persönlichkeitsstörung des Vaters, die nach dessen Ansicht die Vorbehalte der Mutter gegenüber dem Vater verständlich erscheinen ließen.

[10] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00086.21I.0614.000

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