OGH vom 13.06.2017, 4Ob98/17s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei (nunmehr) Verlassenschaft nach A***** M*****, verstorben am ***** 2017, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OG in Oberwart, wegen Unterlassung (Streitwert 33.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 117/16d-48, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 56 Cg 31/15g-43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
A. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „Verlassenschaft nach A***** M*****“ berichtigt. Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Schriftsatzes vom selbst zu tragen.
B. Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.040,48 EUR (darin 340,08 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind jeweils Medieninhaber von periodischen Druckwerken (Gratis-Zeitungen). Die Gratiszeitungen der beklagten Partei erscheinen neunmal im Jahr und enthalten entgeltliche Werbeeinschaltungen und redaktionelle Beiträge. Im Zeitraum März bis Mai 2015 veröffentlichte die beklagte Partei in ihren Zeitungen eine Reihe von Artikeln über Unternehmen, deren Produkte und Veranstaltungen. Der beklagten Partei wurde dafür kein Entgelt geleistet.
Im Juli 2015 fragte eine Vertreterin einer Werbeagentur bei der beklagten Partei per EMail „für einen unserer Kunden, einen österreichischen Franchisegeber, der mit einem neuen Konzept einen regionalen Schwerpunkt setzen möchte“ um ein Offert für mehrere Anzeigen in den Zeitungen der beklagten Partei an. Nach Erhalt des Angebots erkundigte sich die Agentur weiter: „Können Sie uns on top eine redaktionelle Berichterstattung (vielleicht einmal) zusagen?“ Die Mitarbeiterin der beklagten Partei antwortete am nächsten Tag: „Redaktionelle Berichterstattung kann ich Ihnen zusagen.“
Die klagende Partei begehrte, es der beklagten Partei im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, entgeltliche Einschaltungen ohne Kennzeichnung etwa als „Werbung“, „Anzeige“, „entgeltlich“ zu veröffentlichen, es sei denn, dass Zweifel über die Entgeltlichkeit durch die Gestaltung und/oder die Anordnung solcher Veröffentlichungen ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus begehrte die klagende Partei, die beklagte Partei zur Urteilsveröffentlichung zu verpflichten. Die klagende Partei warf der beklagten Partei nach § 1 UWG wettbewerbswidrige Verstöße gegen § 26 MedienG vor, weil diese als redaktionelle Beiträge getarnte werbliche Einschaltungen nicht als solche kennzeichne.
Die beklagte Partei wandte ein, dass es sich bei den Beiträgen um klassische redaktionelle Beiträge handle. Sie habe dafür weder Entgelt noch eine Gegenleistung erhalten. Der Kontakt mit der Werbeagentur habe nichts mit den streitgegenständlichen Artikeln zu tun.
Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Es verneinte mangels unmittelbarer Entgeltlichkeit einen Verstoß gegen § 26 MedienG. Unentgeltliche redaktionelle Hinweise und redaktionelle Zugaben, mit denen ein bezahltes Inserat durch eine redaktionelle Berichterstattung unterstützt werde, seien nicht kennzeichnungspflichtig.
Das Berufungsgericht gab der klägerischen Berufung zum Teil statt und änderte die Entscheidung über das Unterlassungsbegehren im stattgebenden Sinn ab. Dem Veröffentlichungsbegehren gab es teilweise statt.
Ungeachtet fehlender Feststellungen zur Entgeltlichkeit bezüglich der veröffentlichten Beiträge könne sich ein vorbeugendes Unterlassungsgebot auf einen unmittelbar und ernstlich drohenden Gesetzesverstoß stützen. Ein solcher liege darin begründet, dass die Mitarbeiterin der beklagten Partei der Vertreterin der Werbeagentur im Kontext mit entgeltlichen Werbebuchungen eine redaktionelle Berichterstattung „on top“ (gemeint: zusätzlich) zusagte. Es bestehe kein Zweifel an der Verknüpfung dieses Zusatzangebots mit einer verbindlichen Anzeigenbuchung. Die zugesagte Berichterstattung könne als unmittelbar bevorstehend angesehen werden, weil es nur mehr der Anzeigenbuchung bedurft hätte und die Verfassung eines im Kundeninteresse liegenden Artikels aufgrund der vom Kunden zu liefernden Informationen keine aufwändige Recherche erfordert hätte.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei, weil der Frage, ob schon das Angebot eines redaktionellen Berichts zusätzlich zu entgeltlich zu buchenden Werbeanzeigen die Erstbegehungsgefahr begründen könne, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen beider Parteien sind ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Aufgrund der von der Beklagtenvertreterin vorgelegten Sterbeurkunde und einer Einsicht in das VJ-Register steht fest, dass der Beklagte am ***** 2017 verstorben ist (AZ 23 A 545/17s des Bezirksgerichts Wiener Neustadt). Die Bezeichnung der beklagten Partei war daher entsprechend zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO). Für den bekanntgebenden Schriftsatz der beklagten Partei gebühren dieser keine Kosten, weil ihr in der Hauptsache kein Kostenersatz zusteht und auch kein Zwischenstreit vorlag.
Zur Revision der beklagten Partei:
1. Die Ausführung der beklagten Partei, einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch liege keine (schlüssige) Prozessbehauptung der klagenden Partei zugrunde, begründet nicht die Zulässigkeit der Revision.
1.1 Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Das gilt auch für die Frage, ob ein Vorbringen ausreicht, um die Schlüssigkeit zu bejahen (RIS-Justiz RS0116144; RS0037780).
1.2 Die der Berufungsentscheidung zugrundeliegende Rechtsansicht, die klagende Partei habe die Gefahr zukünftiger Rechtsverletzungen schlüssig behauptet, bedarf im Hinblick auf das entsprechende Vorbringen, dass „nicht nur Wiederholungsgefahr, sondern zudem auch konkrete Tatbegehungsgefahr bestehe“, wobei die klagende Partei die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen beispielsweise im festgestellten E-Mail-Verkehr sah, keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
2. Nach der Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen § 26 MedienG auch dann vor, wenn eine Verknüpfung im Sinne eines entgeltlichen Gesamtauftrags zwischen einem nicht gekennzeichneten Beitrag und der Gegenleistung für ein Werbeinserat besteht (3 Ob 2196/96h; 4 Ob 219/00k), wenn also ein „innerer Zweckzusammenhang“ zwischen einem redaktionell gestalteten Beitrag und dem Kundeninserat vorliegt (4 Ob 60/92), während unentgeltliche Werbung in einem redaktionellen Beitrag sonst nicht unter § 26 MedienG fällt (vgl 4 Ob 60/16a, Gefälligkeitsberichterstattung).
2.1 Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung, wenn sie aufgrund der festgestellten Verknüpfung zwischen einem PR-Artikel und der Schaltung von Inseraten, die der Inserent vom Erscheinen des PR-Artikels abhängig gemacht hatte, vom Vorliegen eines entgeltlichen Gesamtauftrags ausgegangen ist.
2.2 Zum einen hängt die Beurteilung dieser Frage wesentlich von den getroffenen Feststellungen ab, die im drittinstanzlichen Verfahren nicht mehr überprüfbar sind. Zum anderen sind die Fragen, wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ob eine Offerte inhaltlich ausreichend bestimmt ist und insbesondere, ob in ihr ein endgültiger Bindungswille des Antragstellers zum Ausdruck kommt, nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und begründen deshalb im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042555). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit wahrzunehmende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die beklagte Partei aufgrund der getroffenen Feststellungen, wonach eine Mitarbeiterin der beklagten Partei (§ 18 UWG) die unlautere Handlung, nämlich eine Veröffentlichung eines Beitrags gegen Entgelt ohne entsprechende Kennzeichnung nach § 26 MedienG, angeboten hat, jedenfalls hier nicht auf.
2.3 Der Hinweis, dass die Mitarbeiterin ihre Kompetenzen überschritten hätte, verstößt gegen das Neuerungsverbot und kann schon deshalb die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
3. Auch die Beurteilung des Vorliegens der Erstbegehungsgefahr kann regelmäßig nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen und begründet daher schon grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl dazu etwa 10 Ob 23/07s, 9 Ob 54/08v). Eine grobe Fehlbeurteilung ist hier jedenfalls auszuschließen.
4. Schließlich fällt auch die aufgeworfene Rechtsfrage, „ob es bei vorbeugenden Unterlassungsansprüchen der Anordnung einer Urteilsveröffentlichung bedarf“, nicht unter § 502 ZPO. Diesbezüglich liegt bereits Rechtsprechung vor, nach der auch in solchen Fällen ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung möglich ist (vgl zB 4 Ob 244/01p). Das Rechtsmittel lehnt einen Veröffentlichungsanspruch ohne argumentative Auseinandersetzung mit den entsprechenden Voraussetzungen pauschal ab. Führt aber der Revisionswerber nicht aus, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint, ist damit die Rechtsrüge, die sich auf die bloße und nicht weiter ausgeführte Behauptung beschränkt, das Berufungsgericht habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0043605). Im Übrigen kommt der Frage, ob und in welchem Umfang eine Urteilsveröffentlichung geboten ist, keine erhebliche Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042967).
5. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe mit der Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens zum E-Mail-Verkehr gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen nach § 182a ZPO verstoßen, widerspricht gesicherter Rechtsprechung, wonach eine Überraschungsentscheidung nicht vorliegt, wenn sich das Gericht dem Vorbringen einer Partei anschließt (RIS-Justiz RS0037300 [T16]).
Zur Revision der klagenden Partei:
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgericht unter Anführung der näheren (in der Revision nicht mehr bekämpften) Gestaltung der Veröffentlichung angeordnet, dass der Kopf und der Spruch seines Urteils auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen sind. Dem entsprechenden Urteilsspruch ist klar zu entnehmen, dass hier nicht die klagende Partei zur Veröffentlichung ermächtigt, sondern vielmehr die beklagte Partei dazu – im Sinne des Klagebegehrens – verpflichtet wird. Eine Veröffentlichungspflicht (arg „sind zu veröffentlichen“) kann nämlich nur eine im Verfahren unterliegende Partei treffen. Die allein auf diesen Umstand abzielende Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage, insbesondere auch nicht auf, inwiefern hier das Berufungsgericht von der bisherigen Rechtsprechung abweicht.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Parteien haben jeweils die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00098.17S.0613.000 |
Schlagworte: | redaktionelle Berichterstattung on top,1 Generalabonnement,6.1 gewerblicher Rechtsschutz |
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