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OGH vom 23.05.2017, 5Ob86/16g

OGH vom 23.05.2017, 5Ob86/16g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der Antragstellerin S***** S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Rosskopf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 10 WGG iVm §§ 21 ff MRG, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 253/15t-30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Rekursgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit zwei gesonderten Anträgen begehrte die Antragstellerin die Überprüfung einzelner Positionen der Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2009, 2010 und 2011.

Das Erstgericht gab diesen Anträgen in einer gemeinsamen Entscheidung teilweise Folge und stellte fest, dass bestimmte Positionen keine Betriebskosten sind. Hinsichtlich diverser anderer Positionen wies es das jeweilige Antragsbegehren ab.

Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Parteien teilweise Folge und änderte den Sachbeschluss hinsichtlich einzelner Positionen ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist derzeit nicht zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen.

1. Im allgemeinen Außerstreitverfahren ist der Revisionsrekurs – außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Das gilt gemäß § 62 Abs 4 AußStrG allerdings nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.

2. Nach § 22 Abs 4 WGG gelten für die in § 22 Abs 1 WGG genannten Verfahren die allgemeinen Bestimmungen über das Außerstreitverfahren unter anderem mit den in § 37 Abs 3 Z 1, 6, 8, 10 bis 19 sowie Abs 4 MRG genannten Besonderheiten. Daher ist auch die Regelung des § 37 Abs 3 Z 16 MRG, wonach die in § 37 Abs 1 MRG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt, sinngemäß auf die Verfahren nach § 22 Abs 1 WGG zu übertragen (RIS-Justiz RS0007110 [T34]).

3.1. Die in einem Außerstreitverfahren nach § 22 Abs 1 WGG erhobenen Ansprüche sind daher ex lege als rein vermögensrechtlicher Natur zu qualifizieren. Besteht der Entscheidungsgegenstand dabei – wie hier – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, dann hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt oder nicht.

3.2. Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts, hat eine Zusammenrechnung nur zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des – auch im Außerstreitverfahren anwendbaren – § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Demnach sind mehrere in einem Antrag geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0042741). Wenn jeder der geltend gemachten Ansprüche in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als selbständig anzusehen ist, ist die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit daher für jedes Begehren getrennt zu beurteilen (RIS-Justiz RS0118275, RS0053096, RS0042753). Mehrere Ansprüche, die nicht nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind, hat das Rekursgericht daher gesondert zu bewerten (RIS-Justiz RS0042741 [T18]).

3.3. Ein tatsächlicher Zusammenhang nach § 55 Abs 1 JN liegt vor, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ergänzendes Vorbringen erforderlich ist (RIS-Justiz RS0037648 [T4], RS0037899 [T3]). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648, RS0037899 [T3], RS0037905). Er wird aber dann nicht angenommen, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037648 [T18, T 20], RS0037899, RS0037905).

3.4. In diesem Sinne sind die hier geltend gemachten Ansprüche auf Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen für verschiedene Abrechnungsperioden sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht als selbständig anzusehen. Der Umstand, dass diese sich auf ein und dasselbe Mietverhältnis beziehen, reicht für sich alleine nicht aus, um einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN zu begründen (vgl 5 Ob 155/15b [Abrechnung nach den §§ 20 Abs 3, 34 Abs 3 WEG]). Auch die Tatsache der Verbindung der beiden Anträge der Antragstellerin zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat nicht zur Folge, dass die einzelnen Ansprüche zusammenzurechnen wären (RIS-Justiz RS0037271).

4. Das Rekursgericht hat die daher gebotene Differenzierung nach selbständigen Ansprüchen bei seiner Gesamtbewertung des Entscheidungsgegenstands unterlassen und dies zunächst nachzutragen (vgl RISJustiz RS0007073; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 59 Rz 10). Erst danach kann beurteilt werden, ob überhaupt eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs gegeben ist. Sollte das Rekursgericht zum Ergebnis kommen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands für keine Abrechnungsperiode 10.000 EUR übersteigt, steht dem Rechtsmittelwerber nämlich nur die Möglichkeit der Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 AußStrG offen. Ob der Rechtsmittelschriftsatz in diesem Fall einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (5 Ob 155/15b mwN).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00086.16G.0523.000

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