OGH vom 19.04.2018, 4Nc7/18v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen C***** N*****, AZ ***** des Bezirksgerichts Villach, über die Anzeige eines Zuständigkeitsstreits zwischen diesem Bezirksgericht und dem Bezirksgericht Linz in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Bezirksgericht Villach zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Mutter des 18jährigen Betroffenen regte am beim Bezirksgericht Spittal an der Drau die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens an. Da der Betroffene nach der vom Bezirksgericht Spittal an der Drau eingeholten Meldeauskunft ab in Villach gemeldet war, übertrug das genannte Bezirksgericht die Sachwalterschaftssache gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Villach. Am fand beim Bezirksgericht Villach die Erstanhörung statt; das Sachwalterschaftsverfahren wurde fortgesetzt.
In der Folge teilte die Mutter über Anfrage des Bezirksgerichts Villach mit, dass sich ihr Sohn nunmehr in Linz aufhalte. Da der Betroffene seit in Linz gemeldet ist, sprach das Bezirksgericht Villach mit Beschluss vom seine Unzuständigkeit aus und übertrug die Sachwalterschaftssache gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Linz.
Mit „Verfügung“ vom lehnte das Bezirksgericht Linz die Übernahme der Führung des Verfahrens ab und retournierte den Akt an das Bezirksgericht Villach. Es sei nicht klar, ob der (angeblich obdachlose) Betroffene tatsächlich den gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 109 JN im Sprengel des Bezirksgerichts Linz habe.
Das Bezirksgericht Villach legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor.
Die Aktenvorlage ist verfrüht.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 109 Abs 1 JN ist zur Bestellung eines Sachwalters grundsätzlich jenes Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemäß § 44 Abs 1 JN ist unter anderem im außerstreitigen Verfahren bei sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts diese auszusprechen und die Rechtssache an das örtlich oder sachlich zuständige Gericht zu überweisen. Nach der Rechtsprechung ist ein solcher Überweisungsbeschluss unabhängig von seiner Zustellung an die Parteien für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird (RISJustiz RS0081664). Das Gericht, an das überwiesen wurde, kann seine Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass das überweisende Gericht zuständig sei (RIS-Justiz RS0002439).
Im Fall eines Überweisungsbeschlusses nach § 44 JN ist bei der Entscheidung nach § 47 JN auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses auch dann Bedacht zu nehmen, wenn die ablehnende Entscheidung des Gerichts, an das die Außerstreitsache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgt sein sollte (5 Nc 9/10h). Daran anknüpfend sind einzelne Entscheidungen davon ausgegangen, dass im Fall eines Überweisungsbeschlusses nach § 44 JN auch ohne Zustellung der Unzuständigkeitsentscheidungen über einen negativen Kompetenzkonflikt entschieden werden könne (4 Nc 21/10s; 2 Nc 20/11f; vgl auch Schneider in Fasching/Konecny3§ 47 JN Rz 16 und 29 ff). Andere Entscheidungen haben auch im Fall eines Überweisungsbeschlusses nach § 44 JN am Grundsatz festgehalten, wonach die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt voraussetze, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RIS-Justiz RS0046374; RS0118692; 6 Nc 16/11x; 5 Nc 33/15w; 3 Nc 4/17v). In wieder anderen Entscheidungen wurde ausgesprochen, dass eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse dann nicht in Betracht komme, wenn noch keine Partei, der Rekurslegitimation zukäme, bekannt ist; zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands sei in solchen Fällen eine sofortige Entscheidung im Kompetenzkonflikt geboten (2 Nc 4/15h; 2 Nc 11/15p).
Der erkennende Senat geht vom Grundsatz aus, nach dem rechtskräftige Unzuständigkeitsbeschlüsse vorliegen müssen.
2. Im Anlassfall ist der Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Villach mangels Zustellung nicht in Rechtskraft erwachsen. Das Bezirksgericht Linz hat nicht einmal einen Unzuständigkeitsbeschluss gefasst, sondern die Übernahme des Verfahrens lediglich in Form einer „Verfügung“ abgelehnt und den Akt an das Bezirksgericht Villach rückübermittelt.
Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nach § 47 JN sind damit nicht erfüllt.
Der Akt ist daher dem vorlegenden Gericht zurückzustellen. Zunächst ist die Zustellung des Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Villach zu veranlassen und die Rechtskraft dieses Beschlusses abzuwarten (vgl § 44 Abs 2 JN). In der Folge wird das Bezirksgericht Linz einen Unzuständigkeitsbeschluss zu fassen, diesen auszufertigen und dann zuzustellen haben.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0040NC00007.18V.0419.000 |
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