OGH vom 12.09.1989, 4Ob97/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** ZUR B*** U*** W***,
p. A.Ö*** R***, Wien 1., Hofburg,
Kongreßzentrum, vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** Versandhandelsgesellschaft m.b.H., Graz-Gösting, Wienerstraße 286, vertreten durch Dr.Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Besstluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 109/89-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 9 Cg 87/89-7, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 26.080,20 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 4.346,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagte betreibt den Versandhandel (vor allem) mit Textilien; sie hat keine Konzession zur Ausübung des Reisebürogewerbes (§ 208 GewO 1973).
Die Beklagte kaufte bei der Firma R***-Reisen Reisearrangements für 30 Personen nach Gran Canaria zum Gesamtpreis von S 284.800 (Rechnung vom ). Diese Reisearrangements bot sie in einer Farbbroschüre, die sie kurz vor dem Erscheinen ihres Versandkataloges als Postwurfsendung an Haushalte in Österreich verteilte, im Rahmen einer Werbeaktion zu einem symbolischen Kaufpreis von S 888 pro Person an. Interessenten hatten sich unmittelbar bei der Beklagten - zugleich mit der Anforderung des M***-Kataloges - anzumelden. Die Beklagte verfolgte mit dieser Werbeaktion den Zweck, Adressen potentieller Kunden zu eruieren; die Aktion wurde aus dem Budget der Beklagten für verkaufsfördernde Maßnahmen finanziert.
Der klagende Wettbewerbsschutzverband (§ 14 UWG), dem auch Reisebüros und Reisebüroverbände angehören, begehrt zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten für die Dauer des Rechtsstreites aufzutragen, die Ankündigung und Erbringung gewerblicher Leistungen, die der Konzessionspflicht für die Ausübung des Reisebürogewerbes unterliegen, insbesondere einer einwöchigen Flugpauschalreise nach Gran Canaria zum Preis von S 888 vom 7. bis , zu unterlassen, sofern der Beklagten die erforderliche gewerbebehördliche Konzession nicht erteilt worden ist. Die Beklagte verstoße mit diesem Anbot gegen § 208 Abs 1 GewO 1973. Darin liege aber auch ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, weil sich die Beklagte dadurch sachlich nicht zu rechtfertigende Wettbewerbsvorteile verschafft habe. Auch wenn sich die Beklagte eines konzessionierten Veranstalters bedient habe, sei sie selbst als Vermittlerin tätig geworden; auch die Mehrzahl der Reisebüros fungiere nicht selbst als Veranstalter, sondern nur als Vermittler. Obwohl das Angebot der Beklagten als typisches Lockangebot kalkuliert worden sei, habe sie gewerbsmäßig gehandelt, da alle Handlungen eines Gewerbetreibenden, die der Förderung seines Betriebes dienten, gewerbsmäßig seien, auch wenn daraus unmittelbar kein Ertrag erzielt werde.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie habe die 30 Reisearrangements bei einem konzessionierten Reisebüro gekauft, selbst aber keine Leistungen erbracht, die einem gewerbsmäßigen Reisevermittler vorbehalten seien. Sie habe die Reisearrangements zu Werbezwecken um ein symbolisches Entgelt an ihre Kunden weitergegeben. Ein Verstoß gegen die Gewerbeordnung liege auch wegen Fehlens der Absicht, einen Gewinn zu erzielen, nicht vor. Die Beklagte sei nicht als Mitbewerberin der Reisebüros, sondern als Kundin aufgetreten.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Auffassung der Beklagten, daß sie für die Veräußerung eines weitgehend verbilligten Reisearrangements an lediglich 30 Personen keine Reisebürokonzession nach § 208 GewO 1973 benötige, sei durch das Gesetz so weit gedeckt, daß sie mit gutem Grund vertreten werden könne; damit sei aber das Verhalten der Beklagten nicht sittenwidrig gewesen. Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Gemäß § 208 Abs 1 GewO 1973 unterliege (ua) "die Veranstaltung (einschlielich der Vermittlung) von Gesellschaftsfahrten" sowie "die Vermittlung und die Besorgung von Unterkunft oder Verpflegung für Reisende" der Konzessionspflicht. Unter der "Veranstaltung von Gesellschaftsfahrten" sei nicht die Summe aller hiefür erforderlichen organisatorischen Maßnahmen im Sinne kumulativer Tatbestandsvoraussetzungen zu verstehen; darunter falle vielmehr jede gewerbsmäßige, auf Bildung von Reisegemeinschaften gerichtete, also die Fahrt vorbereitende und vermittelnde Tätigkeit, somit auch das Sammeln der Teilnehmer.
Die Beklagte habe sich zwar Quartier und Transportmittel durch ein konzessioniertes Reisebüro besorgen lassen, jedoch selbst Teilnehmer geworben und die Anmeldungen gesammelt. Da sie das im Rahmen ihres Unternehmens gemacht habe, sei auch die erstmalige Durchführung als gewerbsmäßig im Sinne des § 1 Abs 2 und Abs 4 GewO anzusehen. Daß diese Tätigkeit für sich keinen abgesonderten Ertrag geliefert habe, nehme der Beklagten noch nicht die Gewinnabsicht, weil der Gewinn in der Erfassung eines möglichst großen Kundenkreises für die sonst vertriebenen Waren gelegen sein könne. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihre Auffassung über die Zulässigkeit ihres Vorgehens durch das Gesetz so weit gedeckt sei, daß sie mit gutem Grund vertreten werden könne; daß sie selbst darauf hingewiesen habe, daß es ihr gelungen sei, "Traumkonditionen" für diese Reise "exklusiv für eine Anzahl von 30 Personen auszuhandeln", könne sie sich nicht auf Gutgläubigkeit berufen.
Die Beklagte bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs; er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Der Kläger macht als Wettbewerbsverstoß nur geltend, daß die Beklagte durch das Ankündigen und Entgegennehmen von Bestellungen für eine Reise ein konzessioniertes Gewerbe, nämlich das Reisebürogewerbe nach § 208 GewO 1973, ohne die erforderliche Konzession ausübe (vgl auch die Strafbestimmung des § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1973) und sich dadurch einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe. Das weitere Vorbringen des Klägers, daß dieses Reiseangebot der Beklagten ein Lockangebot sei, mit dem sie Verkaufsförderung betreibe, ist nicht Gegenstand des Unterlassungsbegehrens.
Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, ist unter dem "Veranstalten" (einschließlich des "Vermittelns") von Gesellschaftsfahrten iS des § 208 Abs 1 GewO 1973 jede gewerbsmäßige, auf die Bildung von Reisegemeinschaften gerichtete, solche Fahrten vorbereitende und vermittelnde Tätigkeit, wie insbesondere das Erteilen individueller Reiseauskünfte und das Entgegennehmen von Anmeldungen für bestimmte Reisen, zu verstehen (Mache-Kinscher, GewO5, 539 FN 6; ÖBl 1968, 109; ÖBl 1983, 165; SZ 57/169 = ÖBl 1985, 94; ÖBl 1988, 72 ua). Bei der Beurteilung der Frage, ob jemand eine Gesellschaftsfahrt veranstaltet (vermittelt), kommt es nicht darauf an, daß er alle jene organisatorischen Maßnahmen ergreift, die für die Durchführung einer solchen Fahrt notwendig sind; es genügt vielmehr, daß er an der Durchführung einer solchen Veranstaltung in der Form maßgeblich mitwirkt, daß er einzelne der hiefür notwendigen organisatorischen Tätigkeiten, wie etwa die bereits erwähnte Entgegennahme von Anmeldungen vornimmt (4 Ob 301/85). Eine vorbereitende Tätigkeit dieser Art kann auch als "Sammeln und Entgegennehmen von Bestellungen auf Dienstleistungen" (Reisebuchungen) im Sinne des § 54 Abs 1 GewO 1973 angesehen werden (ÖBl 1983, 165).
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hat die Beklagte im vorliegenden Fall eine solche konzessionspflichtige Tätigkeit nicht ausgeübt. Sie hat vielmehr zuerst 30 Plätze einer bestimmten Reise bei einem konzessionierten Reisebüro fest gekauft und diese Plätze dann um einen Scheinpreis, der nicht einmal 10 % des an den Reiseveranstalter entrichteten Preises betrug, in der Form weitergegeben, daß sie Kunden (Interessenten) anläßlich der Werbung für das Anfordern ihres neuen Kataloges zur umgehenden Anmeldung zu dieser Reise aufforderte; dabei wies sie (an anderer Stelle der ausgesendeten Farbbroschüre) darauf hin, daß sie bei mehr als 30 Reiseteilnehmern selbst "eine Auswahl treffen" müsse. Da sie die Reisen um einen bloßen Scheinpreis weitergab, mußte die Beklagte von vornherein damit rechnen, daß sich wesentlich mehr als 30 Interessenten zu der angebotenen Reise anmelden würden; das war auch das Ziel der Beklagten, die mit dieser Werbemaßnahme weitere potentielle Kunden eruieren wollte.
In dieser Vorgangsweise liegt aber kein "Vermitteln von Gesellschaftsfahrten" im Sinne des § 208 Abs 1 GewO 1973. Es ist zwar richtig, daß auch viele professionelle Reisebüros die von ihnen angebotenen Reisen nicht selbst organisieren, sondern sich - jedenfalls zum Teil - nur Plätze bei einem anderen Reiseveranstalter sichern und diese an Kunden vermitteln, so daß sich ihre eigene Tätigkeit (neben der Werbung) auf das Erteilen individueller Reiseauskünfte und das Sammeln und Entgegennehmen von Bestellungen beschränkt. Im vorliegenden Fall hat jedoch die Beklagte nicht etwa Bestellungen gesammelt und entgegengenommen, sondern eine begrenzte Anzahl von ihr fest erworbener Reisearrangements an (potentielle) Kunden praktisch verschenkt. Sie mußte diese Werbemaßnahme ankündigen, um den Interessenten überhaupt Gelegenheit zu geben, sich um die Teilnahme an dieser Reise zu bewerben. Da die Beklagte eine Auswahl unter den Bewerbern treffen mußte, war es auch notwendig, daß sie die Anmeldungen selbst entgegennahm. Diese - auch mit jedem Werbepreisausschreiben notwendigerweise verbundenen - Maßnahme machten das Ankündigen und Entgegennehmen der Anmeldungen noch nicht zum "Vermitteln einer Gesellschaftsfahrt". Das gilt insbesondere auch für die Weitergabe dieser Plätze, besteht doch das Wesen einer Vermittlung - mag sie im Wege der direkten oder der indirekten Stellvertretung stattfinden - im Zubringen von Kunden an einen anderen; im vorliegenden Fall ist aber die Beklagte selbst als Käuferin einer bestimmten Anzahl von Reiseplätzen aufgetreten, die sie nicht wieterverkauft, sondern im Rahmen eigener verkaufsfördernder Werbemaßnahmen um einen bloßen Scheinpreis - ähnlich wie bei einem Preisausschreiben - weitergegeben hat. Damit ist aber die Beklagte tatsächlich als branchenfremde Kundin eines Reisebüros und nicht als Vermittlerin tätig geworden.
Richtig ist zwar, daß das Angebot der Beklagten - abgesehen von dem auffallenden Scheinpreis (den sie allerdings mit der wahrheitswidrigen Behauptung, es sei ihr gelungen, für eine Anzahl von 30 Personen "Traumkonditionen" auszuhandeln, verschleiert hat) - den Eindruck erwecken konnte, daß die Beklagte nunmehr auch als (gelegentliche) Vermittlerin (günstiger) Gesellschaftsfahrten auftritt; ein solcher Eindruck konnte insbesondere bei Lesern entstehen, die den nicht im Reiseantrag enthaltenen Hinweis übersahen, daß die Beklagte bei mehr als 30 Interessenten eine Auswahl treffen müsse. Daß der Inhalt der Werbeankündigung insofern einen unrichtigen Eindruck erwecken konnte, reicht aber nicht aus, um der Ankündigerin die unbefugte Ausübung des Gewerbes zuzurechnen; eine derartige Eignung zur Irreführung könnte nur Ansprüche nach § 2 UWG begründen (ähnlich WBl 1989, 216), die aber hier nicht geltend gemacht worden sind. Nach dem allein maßgebenden objektiven Sachverhalt (Ankauf von 30 Reisearrangements aus dem Werbebudget für eine einem Preisausschreiben ähnliche Maßnahme der Verkaufsförderung, liegt keine Ausübung des Reisebürogewerbes durch die in einem ganz anderen Geschäftszweig tätige Beklagte vor; ob ihre Vorgangsweise allenfalls in anderer Hinsicht wettbewerbswidrig war, ist nicht zu prüfen.
Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.