OGH vom 08.10.2012, 4Nc3/12x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der beim Landesgericht Innsbruck zu AZ 59 Cg 92/11x und beim Oberlandesgericht Innsbruck zu AZ 2 R 164/12b anhängigen Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Heinz Heher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Adrian Hollaender, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 28.608 EUR sA, über den mit der Berufung verbundenen Delegierungsantrag der beklagten Partei gemäß § 31 Abs 2 JN, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der beklagten Partei, die Rechtssache an das Oberlandesgericht Wien zu delegieren, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung, der Sitz der Klägerin ist in Wien, jener der Beklagten war in Innsbruck und wurde mittlerweile gleichfalls nach Wien verlegt.
Die Klägerin brachte beim Landesgericht Innsbruck eine Unterlassungs und Zahlungsklage ein. Die Beklagte betreibe in Tirol Gaststätten und habe dort Rundfunkprogramme der Klägerin ohne deren Zustimmung öffentlich aufgeführt. Dadurch habe sie gegen Urheberrecht, Markenrecht und Lauterkeitsrecht verstoßen. Die Zuständigkeit des Erstgerichts stützte die Klägerin auf § 83c JN (Niederlassungen der Beklagten).
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen. Nach Einbringen der Klagebeantwortung beantragte sie die Delegierung an das „Landesgericht Wien“. Ihr Geschäftsführer habe seinen Wohnsitz nach Wien verlegt, wo auch die Klägerin ihren Sitz habe und Zeugen ansässig seien. In der Verhandlungstagsatzung am beantragte die Beklagte neuerlich die Delegierung der Rechtssache, diesmal an das Handelsgericht Wien, und verwies zusätzlich zu den bereits ausgeführten Gründen auf eine Delegierungsentscheidung in einem Parallelverfahren.
Die Klägerin sprach sich gegen die Delegierung aus.
Das Erstgericht beendete daraufhin die Beweisaufnahme (Einvernahme des ausständigen Zeugen), schloss das Verfahren unter Abstandnahme von weiterer Beweisaufnahme (Lokalaugenschein) und legte den Akt mit der Stellungnahme zur Entscheidung über den Delegierungsantrag dem Obersten Gerichtshof vor, ein Grund für eine Delegierung habe von Anfang an nicht vorgelegen, und verwies darauf, dass die Beweisaufnahme mittlerweile abgeschlossen sei.
Mit Beschluss vom wies der Oberste Gerichtshof die Delegierungsanträge der Beklagten mangels erkennbarer Zweckmäßigkeit ab.
Mit Urteil vom gab das Erstgericht dem Klagebegehren teilweise statt.
Gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils erhob die Beklagte Berufung und strebt die gänzliche Klageabweisung an. Mit der Berufung verband sie den Antrag, die Rechtssache an das Oberlandesgericht Wien zu delegieren, zumal nunmehr beide Parteien und deren Rechtsvertreter in Wien ansässig seien und es somit zweckmäßig wäre, das Berufungsverfahren sowie das allfällige weitere Verfahren in Wien abzuhalten, während eine Verfahrensführung in Innsbruck für beide Parteien mit Nachteilen verbunden wäre.
Die Klägerin trat dem Delegierungsantrag unter Hinweis darauf entgegen, dass das Beweisverfahren abgeschlossen und nicht sicher sei, dass es überhaupt zu einer weiteren mündlichen Verhandlung kommen werde.
Das Oberlandesgericht Innsbruck, dem das Erstgericht die Akten zur Entscheidung über die Berufung vorgelegt hatte, trat dem Delegierungsantrag der Beklagten nicht entgegen. Die Berufung enthalte eine Beweisrüge; im Fall einer Beweiswiederholung wären die im Delegierungsantrag angeführten Gründe nicht von der Hand zu weisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder ein maßgeblicher Teil davon vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung. Zweckmäßigkeitsgründe sind vor allem der Wohnort (Sitz) der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (zuletzt 4 Nc 21/11t mwN).
Das erstinstanzliche Beweisverfahren wurde mittlerweile abgeschlossen und ein Urteil gefällt. Zwar haben beide Parteien die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, bislang ist aber nicht erkennbar, ob eine solche dem Berufungsgericht überhaupt erforderlich erscheint und ob es darüber hinaus allenfalls einer Ergänzung oder Wiederholung des Beweisverfahrens in zweiter Instanz oder gar einer Fortsetzung des Beweisverfahrens in erster Instanz bedarf. Es kann daher bisher keine Rede davon sein, dass die Zuweisung der Rechtssache an ein anderes Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Berufung eine Verkürzung oder Verbilligung des Prozesses bewirken würde. Die diesbezüglichen Überlegungen des Oberlandesgerichts Innsbruck könnten allenfalls erst nach Vorliegen eines Beschlusses auf Beweiswiederholung oder Beweisergänzung aktuell werden (vgl 10 Nds 160/86). Der Delegierungsantrag der Beklagten ist daher abzuweisen.