OGH vom 27.09.1988, 5Ob60/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Hilde L***, Pensionistin, 1020 Wien, Kleine Sperlgasse 4/9, vertreten durch Dr. Roland Hubinger, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Ing. Gotthard R***, Hauseigentümer, 1210 Wien, Koloniestraße 79-81, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Beteiligten Andrea O***, Lehrerin, 1200 Wien, Jägerstraße 91/12/17, wegen Wohnungstausches (§ 13 Abs 1 MRG) infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 48 R 512/87-27, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 5 Msch 38/86-20, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin, Mieterin der Wohnung top Nr. 9 im Haus Wien 2, Kleine Sperlgasse 4, begehrte, die Zustimmung des Antragsgegners als Vermieters zum Wohnungstausch mit Andrea O***, Mieterin in 1200 Wien, Jägerstraße 91/12/17, gemäß § 13 Abs 1 MRG zu ersetzen. Ihre Tauschpartnerin sei eine Lehrerin, die eine kleinere Gemeindewohnung gemietet habe. Der Wohnungstausch sei für die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen notwendig. Der Antragsgegner begehrte die Abweisung dieses Antrages mit der Begründung, er würde die Wohnung der Antragstellerin als Dienstwohnung benötigen, weil im Haus eine Großgarage errichtet werden müsse. Überdies würde die Antragstellerin von der Gemeinde Wien eine Wohnung zur Verfügung gestellt erhalten, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen notwendig sei.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Es stellte hiezu unter anderem folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Antragstellerin ist seit 1939 Mieterin der Wohnung top Nr. 9 im Hause des Antragsgegners in Wien 2, Kleine Sperlgasse 4. Diese Wohnung hat eine Nutzfläche von etwa 98 m2 und besteht aus drei Zimmern, einer Küche, Vorzimmer, Bad, Abstellraum und WC. Mit der Antragstellerin wohnt in dieser Wohnung seit seiner Geburt der nun 17-jährige Enkel Thomas Ö***. Die 74-jährige Antragstellerin leidet an verschiedenen im einzelnen festgestellten Krankheiten. Sie kann Stiegen nur rückwärts hinuntergehen, weil sie mit dem Gesicht in Gehrichtung hinfallen würde. Sie bezieht, weil sie ständig der Wartung und Hilfe bedarf, seit 1977 den Hilflosenzuschuß zu ihrer Pension. Wegen ihrer angegriffenen Gesundheit wurde ihr vom Arzt empfohlen, sich eine Wohnung zu suchen, zu der sie ohne Stiegensteigen gelangen könne. Da die Antragstellerin über keine Ersparnisse verfügt, wandte sie sich um eine Wohnung an die Gemeinde Wien. Dort wird sie aber ebenso wie Wohnungssuchende, die keine Wohnung haben auf eine gemeinsame Warteliste gesetzt. Personen, deren Bedürfnis nach einer anderen Wohnung aus gesundheitlichen Gründen gegeben ist, werden nicht bevorzugt behandelt. Es kann jahrelang dauern, bis die Antragstellerin auf Grund der 200.000 Personen umfassenden Warteliste eine Wohnung erhalten würde. Es wurde ihr daher geraten, sich für einen Wohnungstausch zu interessieren. Auf diese Weise kam sie mit Andrea O*** in Kontakt. Diese ist alleinstehend, erwägt aber ernsthaft, eine Familie zu gründen. Sie ist Lehrerin und möchte in eine Schule im zweiten Bezirk versetzt werden und deshalb dorthin ihren Wohnsitz verlegen. Derzeit lebt sie in der 50 m2 großen Wohnung top. Nr. 17 im Hause Wien 20, Jägerstraße 81/12. Diese Wohnung liegt zwar im fünften Stock, doch ist mit dem Aufzug zu erreichen, zu dem man nur eine einzige Stufe überwinden muß. Die Gemeinde Wien als Eigentümerin des letztgenannten Hauses stimmte dem Wohnungstausch bereits zu. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Tauschwohnungen dem wechselseitigen Wohnbedürfnis der Interessenten entsprechen. Überdies lägen gesundheitliche, berufliche und soziale Gründe für diesen Tausch vor. Dem Antragsgegner sei dieser Tausch zumutbar, weil seine Rechtsstellung auch dadurch nicht beeinträchtigt werde, daß nun eine jüngere Person als die Antragstellerin die Mietrechte fortsetze, weil die Antragstellerin mit ihrem eintrittsberechtigten 17-jährigen Enkel diese Wohnung bewohne. Der Einwand des Antragsgegners, er benötige die Wohnung für den Garagenbetrieb sei nicht zielführend, weil ihm diese Wohnung auch ohne diesen Tausch nicht zur Verfügung stehe. Über Rekurs des Antragsgegners änderte das Gericht zweiter Instanz den erstgerichtlichen Sachbeschluß dahin ab, daß es den Antrag der Antragstellerin abwies. Es begründete dies im wesentlichen damit, daß § 13 Abs 1 MRG bei beiden Tauschpartnern nicht nur das Vorhandensein eines Wohnungsbedarfes, sondern auch die Rechtfertigung des Wohnungstausches aus wichtigen Gründen verlange. Die nur beispielhaft aufgezählten Rechtfertigungsgründe zeigten das Erfordernis der Notwendigkeit des Wohnungstausches zur angemessenen Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses beider Tauschpartner vom Gewicht einer existentiellen Daseinsvorsorge auf, die auf andere Weise nicht befriedigt werden könne. Schon nach dem im Rechtsmittelverfahren unbestritten gebliebenen Teil der erstgerichtlichen Feststellungen sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil die solche existentielle Daseinsvorsorge für die mit einer 50 m2 großen Wohnung wohnversorgte Lehrerin, die eine Versetzung in den benachbarten zweiten Bezirk anstrebe, nicht gegeben sei. Für eine Durchbrechung der die österreichische Vertrags- und Wirtschaftsordnung fundamental beherrschende Vertragsfreiheit biete § 13 Abs 1 MRG bei dem festgestellten Sachverhalt keine ausreichende Grundlage.
Gegen diesen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt werde. Der Antragsgegner begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Andrea O*** beteiligte sich nicht am Verfahren dritter Instanz.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom , 5 Ob 31/84 (RdW 1986, 12 = ImmZ 1986, 131 = EvBl 1986/74 = MietSlg 37.285/22) ausführlich und grundlegend mit der Auslegung des § 13 Abs 1 MRG, insbesondere auch damit, wie diese Gesetzesbestimmung, die durch den durch sie eingeführten Kontrahierungszwang die sonst die österreichische Vertrags- und Wirtschaftsordnung fundamental beherrschende Vertragsfreiheit beschränke, ausgelegt werden müsse, damit diese Gesetzesbestimmung verfassungskonform bleibe. Demgemäß sollten Durchbrechungen der Abschlußfreiheit eng begrenzende Ausnahmen darstellen, unter anderem auch zur Sicherung existentieller Daseinsvorsorge. Der Regelung des § 13 Abs 1 MRG liegt die Anerkennung auch dieses Leitgedankens zugrunde, denn sie fordert nicht nur das Vorhandensein eines Wohnungsbedarfes bei beiden Tauschpartnern, sondern auch die Rechtfertigung des Wohnungstausches aus wichtigen Gründen. Die im Gesetz nur beispielhaft aufgezählten Rechtfertigungsgründe zeigen das Erfordernis der Notwendigkeit des Wohnungstausches zur angemessenen Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses beider Tauschpartner vom Gewicht einer existentiellen Daseinsvorsorge auf, die auf andere Weise nicht befriedigt werden kann. Von beiden Tauschpartnern muß verlangt werden, daß sie unter Anspannung der ihnen nach ihrem Einkommen, Vermögen und ihrer Leistungsfähigkeit unter Bedachtnahme auf ihre soziale Belastbarkeit zumutbaren Kräfte die ihren Verhältnissen angemessene Befriedigung ihres Wohnungsbedürfnisses in erster Linie aus freien Angeboten auf dem Wohnungsmarkt suchen. Dies sei ein Gebot sozialgerechten Verhaltens. Erst wenn ihnen die Deckung ihres Wohnbedarfes auf diesem Weg unter Berücksichtigung ihrer Verhältnisse nicht möglich sei und auch die zur sozialen Hilfe für schutzwürdige Wohnungsbedürfnisse vorzüglich berufenen Einrichtungen vergeblich bemüht worden seien, dürfe für die ausnahmsweise Bejahung des Kontrahierungszwanges die private Wohnungsversorgung im Wege des Zwangswohnungstausches bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen in Anspruch genommen werden.
Der Oberste Gerichtshof sieht auch in diesem Fall keinen Anlaß von diesen Grundsätzen abzugehen. Dies bedeutet aber, daß die Voraussetzungen für den Wohnungstausch jedenfalls beim Tauschpartner der Antragstellerin nicht gegeben sind, weil Andrea O*** als alleinstehende Lehrerin zunächst hinlänglich mit Wohnraum versorgt ist und keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, daß es unmöglich oder unzumutbar wäre, auf dem aufgezeigten Weg sich im Falle der Familiengründung eine größere Wohnung zu beschaffen. Sind aber die Voraussetzungen für den Wohnungstausch auch nur für einen der Tauschpartner nicht gegeben, so ist der Antrag abzuweisen. Der Umstand, daß weder der Regierungsvorlage noch dem Ausschußbericht entnommen werden kann, daß der Gesetzgeber das Vorhandensein eines wichtigen Grundes für Tausch bei beiden Tauschpartnern verlangte, hindert nicht die oben dargestellte Gesetzesauslegung, weil aus den genannten Materialien andererseits auch für den Standpunkt der Antragstellerin nichts gewonnen werden kann. Dasselbe gilt auch für die Ausführungen von Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz, 327, sowie Würth in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 13 MRG sowie Würth-Zingher, MRG2 Anm. 2 zu § 13, worauf sich die Antragstellerin im Revisionsrekurs beruft. Auch aus diesen Literaturstellen ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen.
Der Oberste Gerichtshof hält daher die oben zitierte Rechtsprechung aufrecht. Da die Entscheidung des Rekursgerichtes damit im Einklang steht, war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO im Zusammenhang mit § 37 Abs 3 Z 19 MRG.